Kopftuchdebatte: Bischof Glettler warnt vor "Krieg der religiösen Symbole"

In einem Interview mit der Tiroler Tageszeitung spricht sich der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler gegen eine weitere Befeuerung der Debatte um das muslimische Kopftuch aus. Lesen Sie hier einen Bericht und die Antworten des Bischofs im Wortlaut.

Gegen eine weitere Befeuerung der Debatte über das muslimische Kopftuch wie auch gegen dessen Verbot an Schulen hat sich der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler ausgesprochen. "Ich glaube nicht, dass das Kopftuchverbot an den Schulen eine notwendige und geeignete Maßnahme ist, um die bestmögliche Entwicklung und Integration von Kindern sicherzustellen", erklärte der Bischof in einer Stellungnahme für die "Tiroler Tageszeitung" (Dienstag). Er wolle zudem keinen Krieg der religiösen Symbole, erst recht da das Kopftuch gar kein solches sei, sagte Glettler. Das Kopftuch sei vielmehr "ein kulturelles Zeichen", befand der Tiroler Oberhirte. Seine "tendenziöse Deutung als Erkennungszeichen für einen politisierten Islam" führe jedoch dazu, dass es ideologisch aufgeladen werde. Die von der Regierung geplante Ausweitung des Kopftuchverbotes auf Schülerinnen bis 14 Jahren werde wohl als "Bevormundung" empfunden, was nachteilige Folgen für die Betroffenen haben werde, warnte Glettler. "Suspekt" sei ihm auch die dahinterstehende Absicht: "Wollen wir wirklich eine Religion an den Pranger stellen? Das gefällt mir weder in der Schule noch anderswo." Schule müsse Ort der Einübung eines Lebens in einer freien und demokratischen Gesellschaft sein, unterstrich der Innsbrucker Bischof. Auf gute religiöse Bildung und pädagogische Begleitung komme es dabei viel mehr an als auf die "Fixierung auf ein Stück Stoff". Das Kopftuch selbst sah er als neutral an, auch seine Großmutter habe immer eines getragen. "Für viele Musliminnen sind Emanzipation und Kopftuch auch kein Widerspruch, sondern Ausdruck kultureller Identität", so Glettler, Nachsatz: "Die Gleichstellung der Geschlechter ist und bleibt ein Grundrecht". Anders als das Kopftuch sei das Kreuz sehr wohl ein eindeutiges Glaubenszeichen, differenzierte der Bischof. "Darüber hinaus ist es auch ein Symbol für Vergebung und Liebe." Probleme mit dem Kreuz etwa in Schulklassen hätten Muslime jedoch ohnehin kaum: Angriffe gegen dieses kämen "zumeist nicht von Muslimen, sondern von Atheisten". Der Bischof meinte, bei entsprechender Schülerzahl sollten neben dem Kreuz auch andere Glaubenssymbole in einem Klassenzimmer Platz haben dürfen; auf diese Weise müsse nicht die Religion der Minderheit auf ihr Zeichen verzichten, begründete er dies. Auch Kardinal Christoph Schönborn hat vor kurzem die Kirchenkritik am geplanten Kopftuchverbot für Schülerinnen bis 14 Jahren bekräftigt. In einer pluralistischen Gesellschaft müsse es möglich sein, "verschiedene religiöse Zeichen in der Öffentlichkeit zu haben". Wo es damit verbundene "Fehlentwicklungen" gebe, könnten diese über den Weg der Bildung statt durch Verbote vermieden werden, sagte der Wiener Erzbischof am Samstag in der Ö1-Interviewreihe "Journal zu Gast". "Unser Akzent ist weniger das Verbieten, sondern das Erziehen", wiederholte der Vorsitzende der Bischofskonferenz deren Position. (Quelle: Kathpress)

Das Interview mit Bischof Glettler im Wortlaut

Wie stehen Sie als Bischof zum derzeitigen Kopftuchverbot an Volksschulen?  

Wir müssen alles tun, um die bestmögliche Entwicklung und Integration von Kindern sicherzustellen. Ich glaube nicht, dass das Kopftuchverbot an den Schulen eine notwendige und geeignete Maßnahme dafür ist. Es wirkt eher kontraproduktiv, weil es als Bevormundung empfunden wird.

Wie zur Ausweitung? 

Halte ich nicht für sinnvoll. Mir ist die dahinterstehende Absicht suspekt. Wollen wir wirklich eine Religion an den Pranger stellen? Das gefällt mir weder in der Schule noch an anderen Orten. In jedem Fall muss die Schule ein Ort sein, wo das Leben in einer freien und demokratischen Gesellschaft eingeübt wird.

Ist das aus Sicht der Kirche eine unzulässige Einmischung des Staates in religiöse Belange? 

Das Kopftuch ist ein kulturelles und kein religiöses Zeichen. Durch die tendenziöse Deutung als Erkennungszeichen für einen „politisierten Islam“ wird es erst ideologisch aufgeladen. Eine gute religiöse Bildung undpädagogische Begleitung der Kinder und Jugendlichen ist wichtiger als die Fixierung auf ein Stück Stoff. 

Wieso ist es gerechtfertigt, dass in Tirols Klassenzimmern ein Kreuz hängen muss, weil die Mehrheitsreligion röm.-kath. ist und die Religion der Minderheit muss auf ihr Symbol verzichten? 

Ich möchte keinen Krieg der religiösen Symbole, zumal das Kopftuch keines ist. Das Kreuz ist hingegen ein eindeutig christliches Glaubenszeichen. Darüber hinaus ist es auch ein Symbol für Vergebung und Liebe. Angriffe gegen das Kreuz in den Schulen kommen übrigens zumeist nicht von Muslimen, sondern von Atheisten. Neben dem Kreuz sollten bei entsprechenden Schülerzahlen auch andere Glaubenssymbole in einem Klassenzimmer Platz haben dürfen.

Ist das Kopftuch für den Bischof ein patriarchales oder ein religiöses Symbol oder beides? 

 Das Kopftuch ist für mich neutral. Auch meine Großmutter hat immer ein Kopftuch getragen. Ich bezweifle, dass es sinnvoll ist, die Debatte darüber weiter zu befeuern. Für viele Musliminnen sind Emanzipation und Kopftuch auch kein Widerspruch, sondern Ausdruck kultureller Identität. Die Gleichstellung der Geschlechter ist und bleibt ein Grundrecht.