Im Wortlaut: Bischof Manfred Scheuer zur Pfarrer-Initiative

Zentrale Aussagen von Bischof Manfred Scheuer zu den Forderungen der Pfarrer-Initiative im Wortlaut.

Am 9. September hat Bischof Manfred Scheuer in einem Pressegespräch zu den Forderungen der Pfarrer-Initiative Stellung genommen. Im folgenden finden Sie Auszüge aus diesem Gespräch im Wortlaut und rechts ein Video mit Auszügen aus dem Gespräch. 

 

Zu den Unterzeichnern: Grundsätzlich denke ich, dass die Priester, die in unserer Diözese unterschrieben haben, engagierte Seelsorger sind und ich unterstelle ihnen die Leidenschaft für das Evangelium, für die Seelsorge und die Menschen und auch ein Mitdenken und Mitsorgen für die Kirche. Das heißt, ich gehe vom Prinzip aus, dass ich eher gute Absichten unterstelle und diese nicht sanktioniere.
Zur Situation: Entscheidend scheint mir auch zu sein, dass es einen Konsens gibt darüber, dass es Reformen in der Kirche und auch in den Pfarrgemeinden und im kirchlichen Leben braucht. Es gibt durchaus massive Spannungen, die nicht leicht harmonisierbar sind, im Hinblick auf die Diagnose der gegenwärtigen Situation und auch im Hinblick auf die Therapie, wie die gegenwärtige Situation verbessert, aufgebaut und erneuert werden kann. Ich denke, dass grundsätzlich Spannungen unterschiedlich gelebt und gedeutet werden können. Ich glaube, dass sie auch ein positiver Energieraum sind, sie können Ausdruck der Lebendigkeit sein, aber auch Ausdruck der Zerstörung, und zwar dann, wenn man sich gegenseitig den Glauben, das Christsein oder den guten Willen abspricht.
Zur Verengung des Blickwinkels:  Ich halte nicht viel von aggressiver Vereinfachung. Ich denke, es ist Differenzierung, auch was die Forderungen der Pfarrer-Initiative anlangt,notwendig. Ich möchte dankbar wahrnehmen, was in der Diözese von vielen Männern und Frauen in der Seelsorge, in der Caritas und auch im Religionsunterricht geleistet wird. Die Fokussierung auf bestimmte Fragen und Probleme führt leider dazu, dass wichtige Bereiche des religiösen Lebens gar nicht so selten ausgeblendet werden und dass die Tätigkeit von Vielen eigentlich ignoriert wird. Ich halte es für meine Aufgabe als Bischof, hier Wahrnehmungsstörungen zu überwinden und gerade auch jene in den Blick zu rücken, die im Grunde genommen schon abgeschrieben sind. Es gibt in unserer Diözese 25.000 Ehrenamtliche und es gibt lebendige Zellen kirchlichen Lebens, die Wertschätzung brauchen, Anerkennung und auch Zustimmung.
Zum Gehorsam: Vielleicht etwas zum Wort des Gehorsams oder des Ungehorsams. Da möchte ich etwas weiter ansetzen. Gegenwärtig massiv in der gesellschaftlichen Kritik ist das Lobbying, ist ein Verständnis von Politik und öffentlicher Verantwortung ausschließlich im Sinne der Durchsetzung von Eigeninteresse. Man kann Gehorsam auf politischer Ebene durchaus so deuten, dass es da um das Gemeinwohl gehen muss und nicht um die Durchsetzung egoistischer Interessen. Analog dazu würde ich auch den kirchlichen Gehorsam sehen. Da gehts ja nicht um blinden Gehorsam, das ist ausdrücklich nie das Verständnis der Katholischen Kirche gewesen, auch nicht beim 1. Vaticanum und in der Spiritualitätsgeschichte. Sondern da geht es um das Grundlegende Hören, um die Aufmerksamkeit, um die Fähigkeit zur Kommunikation, zum Hinhören, zur Beziehung und auch um den Verzicht auf Instrumentalisierung anderer. Der Gehorsam gilt vom kirchlichen Verständnis her prinzipiell dem Evangelium, und er ist daran zu messen, ob er zum Aufbau der Gemeinschaft beiträgt, ob er Menschen gut tut. Das sind die beiden Kriterien zur Unterscheidung der Geister im ersten Korintherbrief des Apostels Paulus, und diese sind auch an die Pfarrerinitiative anzulegen. Nützt das wem? Baut das Kirche auf?
Über den Weg zu den Reformen: Es gibt das Recht auf Kritik und Dissens, wenn das aus einer grundsätlichen Wertschätzung und aus Wohlwollen geschieht. Es ist klar, dass es um eine Reform gehen muss. Unterschiedlich sind die Positionen im Hinblick auf die Wege. Wie ist zum Beispiel die Erneuerung der lateinamerikanischen Kirche gelaufen: Durch die Hinwendung zum Evangelium, durch die Bildung kleiner Gruppen, durch gelebte Solidarität und Caritas. Ich denke, das wird auch das entscheidende Maß sein, an dem wir unsere weiteren Schritte zu messen haben.
Zu den Pfarrgemeinden: Grundsätzlich denke ich, dass das Paket der Pfarrer-Initiative in dem Sinn aufzuschnüren ist, dass es Anliegen gibt, die auf diözesaner Ebene auch weiter zu betreiben sind, und da sind auch Strukturveränderungen in der Seelsorge notwendig. Ich halte es für wichtig, dass kleine Pfarrgemeinden, kleine Einheiten erhalten bleiben, möchte aber vor einem Strukturkonservatisvismus warnen, der letztlich in der Pfarre das alleinige Heil für die Kirche sieht bzw. die ausschließliche Sozialform von Kirche. Das wird den gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte in keiner Weise gerecht.
Zu Wiederverheiratet-Geschiedenen:?Einen Handlungsbedarf in der Pastoral sehe ich auch im Umgang mit Wiederverheiratet-Geschiedenen. Da hat der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, zusammen mit dem Moraltheologen Eberhard Schockenhoff darauf verwiesen, dass es da Reformen braucht. Ich denke, dass es von der Dogmengeschichte her durchaus Möglichkeiten gibt, neu anzusetzen, was die Pastoral mit Menschen, deren Ehe gescheitert ist und die wieder geheiratet haben,  betrifft. Es ist seit Jahrzehnten ein Diskussionsprozess, zuletzt in den 90er-Jahren von den oberreihnischen Bischöfen aufgegriffen, dass es unter bestimmten Bedingungen sinnvoll ist, dass Wiederverheiratet-Geschiedene im Einzelfall zur Kommunion zugelassen werden. Wir in der Diözese Innsbruck haben hier – das sage ich offen und ehrlich – keine einheitliche Praxis. Ich kann hier nur sagen, dass ich keinen Priester sanktioniere, der Wiederverheiratet-Geschiedenen die Kommunion gibt. 

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