Hutterer-Gedenken in Innsbrucker Altstadt

Mit einem Schuldeingeständnis haben die katholische und evangelische Kirche des Scheiterhaufentodes des, Reformators Jakob Hutters (1500-1536) vor 475 Jahren gedacht.

Mit einem Schuleingeständnis haben die katholische und evangelische Kirche des Scheiterhaufentodes des
Reformators Jakob Hutters (1500-1536) vor 475 Jahren gedacht. Die Geschichte der Verfolgung der Täuferbewegung im 16. Jahrhundert gehört bis heute als dunkler Punkt zur Geschichte Tirols, wo Hutter am 25. Februar 1536 als Ketzer in Innsbruck verbrannt worden war. 

"Wir erkennen heute, dass Verfolgung, Folter und Hinrichtung im 16. Jahrhundert ein großes Unrecht waren", an dem die katholische Kirche einen guten Teil Verantwortung getragen hat, unterstrich der Innsbrucker Diözesanbischof Manfred Scheuer bei der
Gedenkveranstaltung vor dem "Goldenen Dachl" in der Innsbrucker Innenstadt. Landessuperintendentin Luise Müller betonte, dass die Täufer "ein dunkles Kapitel unserer evangelischen Kirchengeschichte" bilden. 

Bischof Scheuer schlug in seiner Ansprache zugleich einen Bogen in die Gegenwart: Mit dem Gedenken an die Verfolgung der Hutterer in Tirol werde zugleich auch die aktuelle Bedeutung von Religionsfreiheit und Gewaltlosigkeit deutlich. Das Recht auf Religionsfreiheit bestehe darin, "dass alle Menschen frei sein müssen von jedem Zwang sowohl von Seiten Einzelner wie gesellschaftlicher Gruppen, wie jeglicher menschlichen Gewalt".

In religiösen Angelegenheiten dürfe niemand gezwungen werden, gegen sein Gewissen zu handeln, noch daran gehindert werden, "privat und öffentlich, als einzelner oder in Verbindung mit anderen - innerhalb der gebührenden Grenzen - nach seinem Gewissen zu handeln". Der Versöhnungsgedanke müsse daher Priorität haben, Leiden und Gewalt dürften nicht mehr zum "Wachstumshormon von Ressentiment, Rachegelüsten und Revanchismus" werden, forderte Scheuer.

Dass im Bezug auf die Täufer nicht nur die römisch katholische Kirche ein schweres Erbe hat, sondern auch die lutherischen Kirchen, unterstrich die evangelische Landessuperintendentin Luise Müller: "Die Täufer sind auch ein dunkles Kapitel unserer evangelischen Kirchengeschichte und es ist diesbezüglich viel Unrecht gesehen. Die Täufer sind auch von uns verfolgt worden und lutherische Reformatoren haben diese Verfolgung theologisch unterstützt."

Hier sei aus heutiger Sicht viel Bedauernswertes und aus täuferischer Sicht viel Schmerzliches geschehen. "Unrecht, das geschehen ist, muss auch als solches benannt und bedauert werden. Diese Buße ist unverzichtbar und wir hoffen auf Versöhnung."
Sie halte dieses notwendige Aufarbeiten einer unseligen Vergangenheit gleichzeitig auch für einen Anstoß, heute sensibel und respektvoll miteinander umzugehen, betonte die Landessuperintendentin. Auch wenn heute niemand mehr wegen seines Glaubens verbrannt wird, gebe es Ausgrenzung und Vorurteile - ebenso wie damals. 

Jakob Hutter, der aus St. Lorenzen im Pustertal stammte, war einer der bedeutendsten Gemeindevorsteher der Täuferbewegung, die auf Grund der damaligen sozialen, politischen und kirchlichen Missstände radikale Reformen einmahnte und deshalb brutal verfolgt wurde. Deren Anhänger übten statt der Kindertaufe die Taufe des vom Glauben
überzeugten Erwachsenen aus. Sie wurden daher auch als "Wiedertäufer" bezeichnet. Sie verweigerten Eidesleistung und Kriegsdienst und strebten nach dem Beispiel der Jerusalemer Urgemeinde statt des Privateigentums ein Leben in Gütergemeinschaft
an. Ihre Unbotmäßigkeit gegenüber weltlicher und kirchlicher Obrigkeit führte zu jahrzehntelanger grausamer Verfolgung mit Folter und vielen Hinrichtungen, Trennung der Kinder und Einziehung von Eigentum. 

Da unter diesen Umständen ein Gemeindeaufbau in Tirol nicht möglich war, organisierte Hutter, der 1526 zu den Täufern kam, ab 1529 von Tirol aus die Flucht Hunderter Familien nach Mähren. Dort wurde er ihr Gemeindeleiter. 1535 kam er zurück, wurde in Klausen verhaftet und nach zehn Wochen Verhör und harter Folter in Innsbruck am 25. Februar 1536 vor dem "Goldenen Dachl" als Ketzer und Staatsfeind verbrannt.

Die Nachfahren seiner Gemeinde flohen Jahrhunderte lang immer wieder vor dem Zwang zum Kriegsdienst und der Gegenreformation durch viele Länder Europas und erreichten schließlich Nordamerika. Heute leben
die Hutterer in Kanada und den USA auf 265 Bruderhöfen nach wie vor in Gütergemeinschaft und Ablehnung von Kriegsdienst. 

Die Gedenkveranstaltung am Dienstagabend wurde vom "Hutterer Arbeitskreis Tirol & Südtirol" sowie vom Tiroler Zweig der katholischen Friedensbewegung "Pax Christi" organisiert.

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Hutterer-Gedenken in Innsbrucks Altsstadt