Grußworte des designierten Bischofs

Mit einem Grußwort wendet sich Hermann Glettler unmittelbar nach seiner Ernennung zum Diözesanbischof von Innsbruck an die Menschen in Tirol.

Bevor ich Ihnen etwas von mir und meinem bisherigen Weg erzähle, möchte ich in dieser großen medialen Öffentlichkeit dem Diözesanadministrator Jakob Bürgler ganz herzlich danken. Er hat mit seinem Team in den letzten 21 Monaten die Diözese mit Feinfühligkeit und großem Engagement geleitet. Zusätzlich musste er der Erwartung standhalten, die von vielen Seiten in seine Person gelegt wurde. In dieser doppelten Anforderung noch innerlich frei zu bleiben und nun auch die Entscheidung, dass ein Nicht-Tiroler in seiner Diözese zum Bischof ernannt wurde, gelassen anzunehmen, zeigt von einer beeindruckenden menschlichen Größe und seiner tiefen geistlichen Verwurzelung. Vielen Dank, lieber Jakob!

Ebenso danken möchte ich meinen Vorgängern im bischöflichen Amt dieser Diözese, speziell dem Steirer Bischof em. Alois Kothgasser und dem aktuellen Bischof der Diözese Linz, Manfred Scheuer. Es berührt und überwältigt mich, dass ich in die Spur Eures apostolischen Wirkens in diesem wunderschönen Land Tirol eintreten darf. Ich bitte Euch um viel Gebet und auch Nachsicht mit dem jungen Kollegen!

Meine Freude auf die Begegnung mit den Menschen der immer noch jungen Diözese Innsbruck ist groß. Die Freude über das mir anvertraute Bischofsamt braucht noch etwas. Aber der erste Schrecken über die Ernennung ist zumindest überwunden. Ich hoffe und vertraue darauf, dass trotz aller menschlichen Aspekte, die in einer derartigen Personalentscheidung eine Rolle spielen, auch Gott seine Hände im Spiel hatte. Ich komme also zu Ihnen natürlich mit einem gewissen „Migrationshintergrund“. Es ist mir klar, dass ich mit dem Tirolerisch eine weitere Fremdsprache erlernen muss. Ich komme insgesamt als ein Lernender zu ihnen. Ich muss die Kultur dieses Landes, die Bräuche und Mentalitäten und vor allem die Geschichten und das Leben der Menschen hier „lernen“. Das wird etwas Zeit brauchen, aber ich bin sehr neugierig und interessiert. Bitte also um Geduld mit meinen ersten Sprech- und Gehversuchen.

Erst vor einer Woche habe ich von meiner Ernennung erfahren. Auf Einladung der Kongregation für die Bischöfe musste ich am Donnerstag nach Rom fahren. Weil es der Festtag des hl. Matthäus war, besuchte ich ganz bewusst die Kirche San Luigi dei Francesi. Ich wollte das Bild „Die Berufung des Matthäus“ von Caravaggio sehen. Jesus zeigt in eine Gruppe hinein und es ist nicht klar, wen er meint. Drei Stunden später fand die geplante Begegnung mit dem Vorsitzenden der Kongregation statt. Trotz einer gewissen Vorahnung war ich ziemlich überrascht, als mir Kardinal Marc Ouellet bereits das fertige Ernennungsdekret auf den Tisch legte. Nach dem ersten Schock und einigen Versuchen, ein paar Einwände geltend zu machen, hat sich jedoch ein innerer Friede eingestellt. Ich konnte „Ja“ sagen. In meinen Gedanken war ich beim Fingerzeig Jesu auf dem Caravaggio Bild: Jetzt zeigt der Herr auf mich! Er ruft mich als einen einfachen und meist sehr beschäftigen Menschen und er ruft mich, obwohl er meine Schwächen und Sünden kennt. Das ist Barmherzigkeit!

Unser Glaube ist immer eine Antwort auf einen Ruf. Der Ruf wird manchmal deutlicher zu hören sein, oft auch gefährdet, vom Lärm unserer Zeit übertönt zu werden. Aber Gott ruft. Er ist der Lebendige hinter und in allem, was wir sehen und erfassen können. Ich möchte alle ermutigen, die mich hier jetzt als jemanden erleben, der mit seinen bescheidenen Mitteln dem Ruf Gottes zu antworten versucht, sich auch selbst dem Ruf Gottes neu zu stellen. Sein Ruf kommt meist unerwartet. Obwohl Gott der in der Tiefe menschlicher Sehnsucht Erwartete ist, kommt er dennoch meist „unerwartet“, plötzlich, überraschend, störend, herausfordernd, tröstend, ermutigend …

Gerne möchte ich Ihnen noch ein wenig von meinem persönlichen Weg des Glaubens berichten. Auf dem elterlichen Bergbauernhof in Übelbach in der Steiermark bin ich zusammen mit vier Geschwistern aufgewachsen und habe einen sehr bodenständigen, einfachen Glauben kennengelernt. Tischgebet und Kirchengehen gehörten dazu. Arbeit gab es sehr viel. Meine Eltern haben den relativ großen Hof im Nebenerwerb betrieben. Ich durfte schon als Kind ordentlich mitarbeiten. Mein Vater hat mir viel zugetraut. Interessanterweise hat sich diese Erfahrung auch für meine Priesterberufung ausgewirkt: Gott traut mir was zu und braucht mich – und die Menschen ebenso. Meine Eltern nahmen Mitte der 70er Jahre an einem Cursillo teil. Das hat unsere familiäre Glaubenskultur positiv geprägt. Im Alter von 15 Jahren lernte ich bei einem Seminar der Charismatischen Erneuerung den leidenschaftli­chen Pfarrer Johann Koller von Wien-Hernals kennen. Wie er von Jesus sprach und welche Relevanz er für einen persönlichen Glauben aufzeigen konnte, hat mich tief beeindruckt. Ein persönlicher Weg des Glaubens, der Jesus-Freundschaft verbunden mit vielen Diskussionen in meinem Freundeskreis hat damit für mich begonnen. Nach der Matura begegnete ich auf einer Reise in die Burgund erstmals der Gemeinschaft Emmanuel. Es war bei einem Jugendtreffen in Paray Le Monial. Die Möglichkeit als Priester in einer Gemeinschaft zu leben und in einer zeitgemäßen Weise missionarisch zu sein, ist mir dort als Vision geschenkt worden.

Nur ein Jahr lang war ich Bischofsvikar für Caritas und Evangelisation in meiner Heimatdiözese Graz-Seckau. Beide Bereiche sind mir sehr ans Herz gewachsen. Das UND ist das Entscheidende. Eine wirkliche Verkündigung des Evangeliums lässt sich heute nicht leben ohne eine liebevolle Aufmerksamkeit für die Notleidenden unserer Zeit. Das gilt für In- und Ausländer. Es gibt leider in unserer Gesellschaft und weltweit genügend Schieflagen, die uns alle herausfordern. Es ist unser Auftrag aus dem Evangelium, Not zu lindern und Menschen zu einem selbstverantworte­ten Leben zu befähigen. Darüber hinaus jedoch müssen wir auch Anwälte sein für jene, die an den Rand gedrängt werden. Da brauchen wir als Kirche Feingefühl und Courage. Unsere Quelle aber ist und bleibt, dass wir selbst mit Gottes Frieden und Barmherzigkeit beschenkt wurden. Als lebendiges Volk Gottes nehmen wir ganz normal Teil an allem, was es an Freude und Gelingen, aber auch an seelischen Verwundungen in unserer Gesellschaft gibt. Wir sind als Kirche mittendrin und gelegentlich der Gesellschaft auch gegenüber.

Diese Spannung von „in, mit und gegenüber“ auszuhalten und fruchtbar zu machen, gehört zur Grundgrammatik christlichen Lebens. Auch mein Bischofsamt verstehe ich in diesem Verhältnis. Mitten im und getragen vom Volk Gottes will ich ein Hirte sein, der um das Leben der Menschen Bescheid weiß, der Hilfe, Erfahrungsaustausch und bestimmt gelegentlich auch eine Korrektur braucht. Dem lebendigen und mit den nötigen Gaben ausgestatteten Volk Gottes werde ich jedoch auch gleichzeitig ein Gegenüber sein. Ermutigend, vorangehend, gegebenenfalls kritisch korrigierend oder einfach mitgehend. Ich habe den Wunsch, dass die Kirche dieses Landes noch bewusster die ihr geschenkte Vielfalt wahrnimmt und schätzen lernt. Das bedeutet vielleicht auch ein Ringen um die Einheit, die wir nie aufgeben sollten. Wir ALLE sind Kirche! Mit Sicherheit möchte ich nicht einer Ortskirche vorstehen, die nur um sich selbst und ihre innerkirchlichen Themen kreist. Ich grüße in diesem Zusammenhang ganz besonders auch jene Menschen, die nie einen Bezug zur Kirche hatten, die aufgrund irgendwelcher Enttäuschungen auf Distanz gegangen sind oder für sich einen anderen Weg spiritueller Beheimatung gesucht haben. Über jede Form einer neuen Begegnung und einer darin gezeigten menschlichen Verbundenheit würde ich mich sehr freuen!

Die Einheit in der Vielfalt, die uns innerhalb der Kirche als ein kostbares, aber zerbrechliches Gut geschenkt ist, drängt uns auch zur Offenheit und geschwisterlichen Verbundenheit mit allen anderen christlichen Kirchen in diesem Land. Ökumene hat in Tirol Tradition. Gerne führe ich das weiter und grüße alle Schwestern und Brüder der anderen christlichen Konfessionen ganz herzlich. Wir gehen einen gemeinsamen Weg – im Hören auf das Wort Gottes, im Zeugnis für den einen Herrn Jesus Christus, im Einsatz für eine menschengerechte und solidarische Gesellschaft, in der Sorge um das „gemeinsame Haus“, das auch von den folgenden Generationen noch bewohnbar sein soll.  Von ganz großer Dringlichkeit ist die Erweiterung dieser christlichen Ökumene um den Dialog und die Gemeinschaft mit allen nichtchristlichen Religionen – unter ihnen möchte ich besonders die israelitische Kultusgemeinde und die Muslime grüßen, die in diesem Lande wohnen. Einen belastbaren gesellschaftlichen Frieden wird es in Zukunft nur geben, wenn wir uns als Teil einer großen Menschheit begreifen und das Wohl aller vor Augen haben.

Im neuen Amt, das mir heute formell und schließlich mit der Bischofsweihe am 2. Dezember definitiv übertragen wird, bitte ich Sie um Ihre Unterstützung. Es geht nicht um den Bischof, sondern um ein lebendiges Volk Gottes, das aus vielen Mitgliedern besteht. Es geht zuerst und zuletzt auch nicht um die Kirche, sondern um das Reich Gottes, um ein neues, geisterfülltes, solidarisches und von innerer Verbundenheit bestimmtes Leben.

Liebe Tiroler und Tirolerinnen der Diözese Innsbruck! Ich danke Ihnen für alle Zeichen des Willkommens, die mich schon erreicht haben, und für Ihr Gebet, das ich ihnen auch verspreche.

Designierter Bischof Hermann Glettler 

Grußworte des designierten Bischofs