Glettler: Einen Weg der Zuversicht gehen

In einem neuen "Perspektivenpapier" präsentiert die Diözese Innsbruck zentrale Themen, denen sie sich in den kommenden Jahren verstärkt zuwenden will.

Das Diözesanjubiläum 2014 war Anlass für einen breit angelegten Nachdenk- und Erneuerungsprozess. An den Überlegungen zur Herkunft und Zukunft der Diözese Innsbruck haben sich viele beteiligt. Mehr als 100 Gruppen haben das Projekt „Die Zeichen der Zeit erkennen" mitgetragen und gemeinsam Perspektiven für die Diözese erarbeitet.

 

Glettler: Perspektivenpapier wird Wirkung zeigen  

„Das Perspektivenpapier mit dem Titel ‚Kirche ist Weggemeinschaft‘ ist ein internes Instrumentarium, das allerdings Auswirkung auf die Gesellschaft hat“, so Bischof Hermann Glettler bei der Präsentation. „Wir wollen mit der Kirche in Innsbruck einen zuversichtlichen Weg gehen mit Christus in der Mitte – auch wenn die Großwetterlage für Kirche und Gesellschaft derzeit wenig erfrischend ist“, sagte der Bischof. Kirche in Tirol hätte einen bedeutenden Stellenwert mit großem Engagement, so Glettler. Kirche sei in einem Umbruch, stelle sich einigen Veränderungsprozessen und hat zugleich ein buntes Erscheinungsbild. „Vieles blüht, doch müssen wir uns überlegen, was wir loslassen." Das Perspektivenpapier sei nicht bloße Theorie, sondern zeige die vielen Gesichter von Kirche. Das nun vorliegende Papier beansprucht ein gutes Maß an Verbindlichkeit für alle, die den Weg der Kirche mitgestalten und mitverantworten. Dennoch sind Perspektiven keine unverrückbaren Festschreibungen. „Wir müssen uns auch eine gewisse Flexibilität bewahren, um sich verändernden Anforderungen an Seelsorge und Pastoral gerecht werden zu können", so Bischof Hermann Glettler.

Mit dem Perspektivenpapier habe man – bildlich gesprochen - eine Landkarte neu gezeichnet, aber nicht neu erfunden. Der Bischof will die ausgearbeiteten Perspektiven als Werkzeug der Orientierung sehen. "Wichtiger als das Papier ist das Leben."

Bischof Hermann Glettler präsentierte heute im Haus der Begegnung zusammen mit vier kirchlichen MitarbeiterInnen das Perspektivenpapier der Diözese Innsbruck. Foto: Diözese Innsbruck/Hölbling

Klaudia Kluckner - Ökonomin

Es braucht Menschen in Eigenverantwortung

Als Ökonomin ist Klaudia Kluckner seit vielen Jahren ehrenamtlich für die wirtschaftlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten der Pfarre Reith bei Seefeld verantwortlich. Sie sieht sich als Verwalterin und Organisatorin. In diesen Tätigkeiten, aber auch im sozialen Engagement hat sie ihre Heimat in der Kirche gefunden. „Es braucht Menschen, die in den Pfarren in Eigenverantwortung arbeiten und dadurch den Priester entlasten“, so Kluckner. 

Im Perspektivenpapier heißt es dazu: Das Berufsprofil des Pfarrers wird von den Aufgaben entlastet, die nicht zum Kern seiner priesterlichen Berufung gehört. Der Einsatz von PfarrkuratorInnen, PfarrkoordinatorInnen und ÖkonomInnen wird mit Nachdruck gefördert.

Paul Kneußl - Pfarrer in Innsbruck

Seelsorge geschieht vor allem im Team

Pfarrer Paul Kneußl, Leiter des Seelsorgeraumes St. Paulus – St. Pirmin in Innsbruck, sieht die Pfarre als Kirche vor Ort. Seelsorge müsse nahe bei den Menschen sein. Das Perspektivenpapier geht auf eine Stärkung der Selbstverantwortung der Pfarren explizit ein. „Immer stärker geschieht Seelsorge im Team“, so Kneußl.

Ziel ist es, dass der Bischof in jeder Pfarre eine haupt- oder ehrenamtliche Person beauftragt, gemeinsam mit dem Pfarrer, dem Pfarrgemeinderat und Pfarrkirchenrat die organisatorische und pastorale Leitung vor Ort wahrzunehmen, heißt es bei den diözesanen Perspektiven.

Als Leiter eines Seelsorgeraumes mit zwei Pfarren unterstreicht Kneußl wichtige Punkte des Papiers: „Wir müssen über den Tellerrand hinausschauen. „Nicht jede Pfarre muss alles anbieten, es gilt Synergien zu nutzen und Schwerpunktpfarren zu schaffen“, so Kneußl. Die Eigenständigkeit der einzelnen Pfarren wird dadurch nicht in Frage gestellt, so der Wortlaut im Perspektivenpapier.

Sr. Christina Blätterbinder - Steyler Missionsschwester

Orden müssen sich weiter öffnen

Sr. Christina Blätterbinder SSpS, Dienerin des Hl. Geistes (Steyler Missionsschwester), sieht trotz mancher Schwierigkeiten viele Herausforderungen im Ordensleben. Ihre Gemeinschaft, bestehend aus fünf Schwestern aus vier Nationen, arbeitet in der Pfarre Dreiheiligen in Innsbruck mit und engagiere sich sehr in der Öffentlichkeit. Teile aus dem Perspektivenpapier sieht die Missionsschwester in Arbeit: „Wir müssen mehr hinausgehen, verkünden und den Glauben bezeugen“, so Sr. Christina. Entscheidend sei für sie ein Weitergehen und lernend bleiben. „Wir können auch von kirchenfernen Menschen viel lernen."

Orden müssten sich weiter öffnen, so Sr. Christina. Seit dem Diözesanjubiläum 2014 hat sich die Vernetzung der in Tirol ansässigen Orden verbessert, junge Ordensleute treffen sich zudem zweimal jährlich zu einem Austausch. Auch regt die Ordensfrau das Nachdenken über neue Formen der Nachfolge an.

Roman Sillaber - Katholische Jugend

Kinder und Jugendliche sind die Gegenwart

Roman Sillaber, Geschäftsführer der Katholischen Jugend Innsbruck, begrüßt, dass Kinder und Jugendliche im Perspektivenpapier nicht als Zielgruppe, sondern als lebendige Glieder der Kirche bezeichnet sind. „Jugend ist nicht nur Zukunft in der Kirche, sondern Gegenwart“, so Sillaber.

Aus einer Befragung bei der Tournee14 im Jahr des Diözesanjubiläums seien viele Fragen erörtert worden. Daraus ist ein Prozess in den Pfarren entstanden, der Jugend neue Gestaltungsmöglichkeiten in der Kirche einräumen will. Bischof Hermann Glettler ergänzte, dass er sich noch mehr Jugendliche in verantwortungsvollen Aufgaben erhoffe.

Energie für Neues

Jakob Bürgler, Bischofsvikar für missionarische Pastoral, gibt im Tiroler Sonntag-Interview Einblicke in das neue Perspektivenpapier der Diözese Innsbruck, wichtige Ziele und Herausforderungen und spricht über seinen ganz persönlichen Traum von Kirche.

Skandale überschatten seit Jahren die Kirche. Die Diözese hat gerade ein optimistisches Perspektivenpapier vorgestellt. Wie geht das zusammen?  

Jakob Bürgler: Wir haben uns bewusst entschieden, einen Teil unserer Energie für eine positive Zukunftsgestaltung einzusetzen. Wir schauen nicht nur auf das Bedrängende, die Defizite, das Aufzuarbeitende – so wichtig dies ist, gar keine Frage – sondern wir schauen bewusst auch nach vorn. Wir versuchen, gut auf die Zeichen der Zeit zu reagieren, neue Brücken zu den Menschen zu bauen und Schwerpunkte unseres Engagements zu definieren. Es geht darum, die Botschaft des Evangeliums und der Kirche mit der heutigen Gesellschaft konkret zu vernetzen. Dies ist für mich eine logische Konsequenz aus unserem Glauben an die Menschwerdung Jesu. Gott hat sich ganz auf uns eingelassen. Deshalb muss sich auch die Kirche ganz einlassen auf unser Leben heute.  

Wer hat an der Entstehung des Perspektivenpapiers mitgewirkt?  

Bürgler: Entstanden ist es in einem sehr breit aufgestellten Prozess. Ausgangspunkt war eine von Bischof Manfred Scheuer gegründete „Nachdenkgruppe“. Der dabei entstandene Basistext wurde intensiv mit Pfarren, Dekanaten, Ordensgemeinschaften, Einrichtungen und MitarbeiterInnen weiterentwickelt. Seit seinem Amtsantritt hat natürlich auch Bischof Hermann seine Anliegen eingebracht, insbesondere mit Projekten der missionarischen Pastoral z.B. den Weggemeinschaften oder dem Projekt „Neu beginnen“, und den Text akzentuiert.

Im Dokument ist viel von Auf- und Ausbau die Rede. Wie soll das in Zeiten des Priestermangels und abnehmender Kirchenverbundenheit funktionieren? 
Bürgler: Vorweg: Das Papier ist zunächst auf drei Jahre beschlossen, bis dahin soll es uns leiten und wird dann neu überprüft. Aber natürlich ist die Frage nach der Umsetzung berechtigt. Für mich ist zunächst die Frage, wer für bestimmte Aufgaben aus dem Perspektivenpapier verantwortlich ist. In einigen Bereichen, z.B. der Öffentlichkeitsarbeit, ist das eindeutig. Anderes, wie die Neubelebung der Beichte, ist grundsätzlicher. Hier möchten wir einladen, gemeinsam Ideen zu erarbeiten. Vieles ist noch offen. Die zweite Frage ist: Trauen wir uns, etwas aufzugeben? Ich habe eher den Eindruck, dass wir mit begrenzten Kräften überall genauso stark wirken wollen wie bisher. Das geht nicht mehr. Wenn wir neue Dinge mit voller Kraft beginnen, müssen wir andere Dinge mit weniger Kraft tun oder auch loslassen. Hier heißt es, gemeinsam einen guten Weg zu finden.    

Wie ist Ihr persönlicher Traum von Kirche – ganz konkret hier vor Ort, in zehn Jahren?   

Bürgler: Mein Traum ist, dass wir wieder mehr als positiver Faktor in der Gesellschaft wahrgenommen werden, als Gemeinschaft, die Leben positiv, lebensfroh und -fördernd begleitet. Dass wir an bekannten und neuen Orten gute und heilsame Vernetzungspunkte schaffen. Ich wünsche mir, dass wir für diese Aufgaben Freiräume finden. Und dass es uns gelingt, unseren Glaubensschatz wieder mehr zum Gesprächsthema zu machen – nicht zuletzt, indem wir eine zeitgemäße und ansprechende Form finden, um darüber zu sprechen. 

Interview und Bild: Lydia Kaltenhauser