Gesundheitsberufe brauchen Nähe und Selbstfürsorge

Kirche stellt am Welttag der Kranken das Gesundheitspersonal in den Fokus. Dieses steht hohen Erwartungshaltungen gegenüber, wie betroffene Tirolerinnen berichten.

Der Welttag der Kranken wird heuer am 11. Februar in der Katholischen Kirche zum 30. Mal begangen. Papst Johannes Paul II. hat ihn im Jahr 1993 eingeführt. Das Gesundheitspersonal ist in diesem Jahr Themenschwerpunkt.

 

Papst Franziskus ruft in seiner Botschaft zu diesem Tag zu beständiger menschlicher Nähe zu Patienten auf und dankt dem Gesundheitspersonal für seine Arbeit: „Liebes Gesundheitspersonal, Ihr Dienst an der Seite der Kranken, den Sie mit Liebe und Kompetenz ausüben, geht über die Grenzen Ihres Berufs hinaus und wird zu einer Mission“, schreibt der Papst. Dieses Engagement könne ein Zeichen göttlicher Barmherzigkeit sein. „Seid euch der großen Würde eures Berufes bewusst, aber auch der Verantwortung, die er mit sich bringt“, so Franziskus.

Das Gesundheitspersonal ist für die Pationen da. Bildnachweis: Gerhard Berger

Wie es betroffene Tirolerinnen sehen

Intensivpflegerin Vogetseder: Nächstenliebe brauche immer auch Selbstsorge

Für die Intensivpflegerin Sabine Vogetseder aus Innsbruck muss die päpstliche Botschaft auch als Mahnung gesehen werden: „Leider ist die Pflege oft mit einem besonders hohen Berufsethos verbunden. Das kann aber die Arbeit in der Logik des Wirtschaftssystems entwerten.“ Häufig werde von offiziellen Stellen ein (freiwilliger) Einsatz erwartet, der weit über das Berufliche hinausgehe. „Auch wir in den Gesundheitsberufen müssen auf uns achten“, setzt sie fort. Nächstenliebe brauche immer auch Selbstfürsorge.

 

Auch im ärztlichen Bereich bestätigt sich das, weiß Walpurga Weyrer, ärztliche Leiterin des Comprehensive Cancer Center Innsbruck: „Natürlich ist der Beruf auch Berufung – die ursprüngliche Motivation war für mich ja, Menschen zu helfen und zu heilen. Aber man muss sich auch um sich selbst kümmern, um sich dieser Aufgabe richtig widmen zu können.“

 

Palliativ-Ärztin Weyrer: Patienten sind wichtiger als Krankheiten, doch die Zeit ist oft zu kurz 

In seiner Botschaft schreibt der Papst: „Patienten sind immer wichtiger als ihre Krankheiten.“ Keine Therapie könne „davon absehen, dem Patienten zuzuhören, seiner Geschichte, seinen Ängsten und Sorgen“.

 

Gerade das komme aber leicht zu kurz, wenn für die Arbeit des Gesundheitspersonals „statistisch auswertbare Maßstäbe“ gelten, betont die Palliativ-Ärztin Weyrer: „Beispielsweise wenn vorgegeben wird, wie viel Zeit ein Patientengespräch höchstens dauern darf.“ Dabei ist nicht nur für sie der Umgang mit den Patienten etwas, das auch ihr viel zurückgibt: „Das erinnert mich daran, warum ich schon mit 16 Jahren Ärztin werden wollte.“

 

Vogetseder und Weyrer sehen beide eine große – oft überhöhende – Erwartungshaltung, die an die VertreterInnen der Gesundheitsberufe gerichtet ist. „Die Gesellschaft hat oft ein Rollenbild von uns – unverletzlich, unfehlbar. Die Realität ist aber, wir sind auch nur Menschen!“, betont Weyrer, Vogetseder bestätigt: „Wir sind keine SuperheldInnen, sondern Menschen, die ihre Arbeit nach ihren Möglichkeiten gewissenhaft machen!“

 

Gesundheitspersonal nicht allein lassen 

Für den Papst sollen die Sorge um Kranke und Sterbende, vor allem wenn sie einsam sind, keine ausschließliche Aufgabe für das Gesundheitspersonal sein: „Wie viele kranke und alte Menschen leben zu Hause und warten auf einen Besuch! Der Dienst des Trostes ist eine Aufgabe für jeden Getauften.“

 

Krankenhaus-SeelsorgerInnen sind dabei ebenfalls wichtige Ansprechpersonen für PatientInnen, Angehörige, aber auch Personal. Dabei ist es nicht wichtig, welcher Religion jemand angehört: „Auch wenn man einfach jemanden zum Reden braucht. Jeder kann sich Seelsorge wünschen, das braucht man nur dem Pflegepersonal mitteilen", betont Hildegard Anegg, die Leiterin der Krankenhausseelsorge der Tirol Kliniken.

 

Der Welttag der Kranken soll für mehr kirchliche und allgemein gesellschaftliche Aufmerksamkeit sowohl für kranke Menschen wie für das Gesundheitspersonal sorgen. Er steht 2022 unter dem Motto: „Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist. Auf dem Weg der Nächstenliebe an der Seite der Leidenden.“

Sabine Vogetseder – Bildnachweis: Vogetseder

Walpurga Weyrer – Bildnachweis: birgitkoell.at