Gedenken an Gründer der Emmaus-Gemeinschaften

Am 5. August wäre Abbe Pierre 100 Jahre alt geworden. Auch in Innsbruck gibt es eine Emmaus-Gemeinschaft für arbeits- und wohnungslose Menschen, die auf den französischen Ordensmann zurückgeht

Am 5. August wäre der französische Ordensmann Abbe Pierre 100 Jahre alt geworden. Auf den "Vater der Obdachlosen" gehen die Emmaus-Gemeinschaften zurück, die sich obdachloser und arbeitsloser Menschen annehmen. Eine dieser weltweit 400 Gemeinschaften besteht in Innsbruck: Der Caritas-Verein Emmaus, der wohnungs- und arbeitslosen eine Unterkunft und eine Beschäftigung bietet. 

Als im Jänner 2007 die Nachricht vom Tod des "Vaters der Obdachlosen" Abbé Pierre die Öffentlichkeit erreichte, machte sich in Frankreich eine Trauerstimmung breit wie lange zuvor nicht mehr. Der Tod des Ordensmannes war ein nationales Ereignis. Der damalige Staatspräsident Jacques Chirac wurde in aller Frühe geweckt, um die Todesnachricht von 5.25 Uhr zu erfahren. In frostiger Kälte warteten in den Folgetagen Tausende Menschen, um Abbé Pierre am aufgebahrten Sarg die letzte Ehre zu erweisen.
Wie kein anderer hatte der alte Mann mit der Baskenmütze und dem Stock, der am kommenden Sonntag 100 Jahre alt geworden wäre, Obdachlosigkeit, Wohnungsnot und miserable Zustände in mancher Siedlung in Frankreich bekämpft. Die hagere Gestalt mit weißem Vollbart und dicker Hornbrille kannte jeder Franzose. Abbé Pierre
gehörte bis zuletzt zu den beliebtesten Persönlichkeiten des Landes: Regelmäßig wurde er bei Umfragen an die Spitze der populärsten Franzosen gewählt, noch vor dem Meeresforscher Jacques Cousteau und dem Schauspieler Jean-Paul Belmondo.
1949 kaufte der Pater vor den Toren von Paris ein Gebäude, das er obdachlosen Familien zur Verfügung stellte. Weitere Grundstücke wurden besetzt, Häuser errichtet. Es folgte die Gründung der Emmaus-Gemeinschaften zur Hilfe für Ausgestoßene. Legendär wurde der
Hilfsappell, mit dem Abbé Pierre im Winter 1953/54 für die Obdachlosen eintrat - und eine beispiellose Spendenwelle in Gang setzte.
Inzwischen kümmern sich Emmaus-Gemeinschaften in mehr als 30 Ländern der Welt um Kranke, Arme, Einsame und Strafentlassene. In Österreich wurde die erste vor genau 30 Jahren, am 1. August 1982, in St. Pölten gegründet. 1997 wurde die Emmaus-Wohngemeinschaft in Innsbruck gegründet. 2008 kam eine Wohngemeinschaft für Frauen in Völs dazu und eine zweite Wohngemeinschaft für Männer in Innsbruck.
Bis ins hohe Alter bemüht um Randgruppen
Abbé Pierre kämpfte bis ins hohe Alter für die Ausgeschlossenen der Gesellschaft. In den 1960er Jahren warb er um Verständnis für die Kriegsdienstverweigerer der Kolonialkriege. Später unterstützte er Befreiungstheologen in Lateinamerika, kümmerte sich in Frankreich um Aids-Kranke - wobei er das kirchliche Kondom-Verbot ablehnte. 1984 rief er die Franzosen noch einmal zu einer großen Hilfsanstrengung für die "neuen Armen" auf, stellte sich vor Hausbesetzer und klagte Politiker der unterlassenen Hilfeleistung an. 1995 bereiste er die belagerte bosnische Hauptstadt Sarajevo. Anschließend plädierte er für einen Nato-Einsatz zur Beendigung des Krieges, weil "Feigheit schlimmer als Gewalt" sei.
Innerkirchlich stand Abbé Pierre häufig im Widerspruch zur  Lehrmeinung. Er trat ein für die Aufhebung des Zölibats und für eine liberalere Haltung bei der Empfängnisverhütung. Er geriet in die Schlagzeilen, als er 2005 in einem Buch eigene "flüchtige" sexuelle Begegnungen einräumte und gesellschaftliche Anerkennung für homosexuelle Paare forderte.
250 Organisationen in Frankreich führen Erbe fort
250 Organisationen in ganz Frankreich arbeiten in seinem Namen weiter. Es gibt Gemeinschaften, in denen Obdachlose zusammenleben und sich durch ihre eigene Arbeit finanzieren. Es gibt Wiedereingliederung durch Arbeit in Emmaus-Läden, wo vor allem
Gebrauchtmöbel hergerichtet und verkauft werden. Und es gibt die Abbé-Pierre-Stiftung, die sich um die Förderung sozialen Wohnungsbaus, die Renovierung heruntergekommener Wohnungen und Obdachlosenasyle kümmert.
"Wenn ich morgen sterbe, ist alles organisiert, damit es ohne Sorge weitergehen kann. Ich bin nicht beunruhigt", zitierten die Organisationen nach seinem Tod einen Ausspruch des Ordensmanns. Die Ahnung des Abbé Pierre scheint zu stimmen. Sowohl bei der Abbé-Pierre-Stiftung als auch bei der Zentrale der Emmaus-Gemeinschaften in Paris heißt es, von einem Rückgang bei Spenden oder Ehrenamtlichen sei auch fünf Jahre nach dem Tod ihres Initiators nichts zu spüren. "Die Emmaus-Gemeinschaften sind dynamischer denn je", sagt eine Mitarbeiterin. "Abbé Pierre hat ein Erbe hinterlassen, das wie eine Flamme ist, die nicht erlischt". 

www.emmaus-innsbruck.at 

c KATHPRESS 2012

 

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