Für die Befreiung Frankreichs zahlte Tiroler mit seinem Leben

Walter Krajnc wurde im Juli 1944 verraten, festgenommen, vor ein Nazi-Kriegsgericht gestellt und zum Tode verurteilt. Eine sehr persönliche Reise in die Geschichte eines Tirolers, der bis heute in Südfrankreich ein Held ist.
Von Hubert Berger für die Tiroler Krone

Sein letzter Blick galt sicherlich dem unvergleichlichen Licht, in dem die provenzalische Sonne den Schießplatz Plan de la Dame in Les Angles nahe Avignon an diesem Morgen des 29. Juli 1944 kontrastreiche tauchte. Ich glaube nicht, dass das Augenmerk meines an diesem Tag an einen Pfahl gefesselten Onkels Walter Krajnc auf die auf ihn gerichteten Gewehrläufe eines deutschen Erschießungskommandos gerichtet war. Dennoch brachte der zuvor tagelang von Feldgendarmerie und SS-Männern verhörte und gefolterte 28-jährige Jurist, bevor der Kommandant des Exekutionskommandos den Befehl „Feuer“ gab, noch den Mut auf „Es lebe Österreich, es lebe die Freiheit!“ laut hinauszurufen.

 

Ein kurzes Leben, das von Zivilcourage geprägt war. 

Damit endete das kurze Leben von Walter Kranjc, wobei seine Mörder jeglicher Trauerfeier verboten waren, sodass er laut den Worten des derzeitigen Bürgermeisters von Les Angles Paul Mély, „heimlich vom Totengräber der Stadt und einigen Bürgern in geweihter Erde begraben wurde“. 80 Jahre später, Anfang September 2024, im immer noch selben Licht der Sonne Südfrankreichs, stehe ich mit meinem ältesten Sohn Michael und Vertreter der Innsbrucker Studentenverbindung Vindelicia, der auch mein Onkel angehörte, an seiner mit einer französischen und einer österreichischen Flagge geschmückten schlichten letzten Ruhestätte auf dem alten Friedhof in Les Angles. Meinen Onkel lernte ich nie kennen, er war aber in meiner Familie, die unter den Nazis viel zu leiden hatte, irgendwie immer in Erzählungen und Gesprächen präsent. Wie gerne hätte ich ihn, der schon ab 1938 dem österreichischen Widerstand, der Kampfgruppe Tirol“ angehörte, kennengelernt. Obwohl er nach Abschluss seines Jura-Studiums – „für den NS-Staat untragbar“ – nicht zur Gerichtspraxis zugelassen wurde, war er für das „Tausendjährige Reich“ sehr wohl als etwaiges Kanonenfutter tragbar und wurde zur Wehrmacht einberufen.

 

Seine Berichte halfen mit, den Krieg zu verkürzen 

Somit kam er 1940 als einfacher Soldat einer Funkeinheit nach Frankreich, wo er in Dijon, Paris, Lyon und Avignon Krieg stationiert war. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in die Teile des bisher nicht besetzten Südens Frankreichs im November 1942 (diese waren bis dahin vom Vichy-Regime verwaltet worden) bekam mein Onkel die ersten Kontakte zur französischen Résistance und trat der Widerstandsbewegung mit der Mitgliedsnummer 1514 bei. Die Tiroler Historikerin Elisabeth Walder hat in den letzten Jahren sein Leben und Sterben akribisch auf einen aktuellen Stand gebracht. So fand sie unter anderem heraus, dass er in Avignon neben der Verbindung zur französischen Widerstandsbewegung Cotre/Résistance eine weitere, zur amerikanischen Armee und der Funkstelle „Ultra“ nahe London unterhielt. In einem bis heute erhaltenen Anerkennungsschreiben des Hauptquartiers von General Dwight D. Eisenhower an den französischen Widerstandskreis in Avignon werden seine nachrichtendienstlichen Lageberichte als äußerst wertvoll für die alliierten Kriegsstrategien gegen die Besatzer beschrieben.

 

Nur 14 Tage nach seinem Tod kam die Befreiung 

Bereits im Visier der Gestapo, wurde mein Verwandter am 17. Juli 1944 verhaftet. Er gab aber seinen Peinigern keinen Preis und verriet keine seiner Kameraden. Von den Nazis als Spion und Verräter deklariert, wurde er am 28. Juli 1944 zum Tode verurteilt. In seinem Abschiedsbrief an Eltern und Geschwister schrieb er unter anderem: „Wenn es Euch ein Trost sein kann, so wisst, dass keine Spur von Todesangst in mir ist […] und jetzt ist mir so leicht und frei, als ginge es auf eine Ferienreise. Lebt wohl, lebt alle wohl, ich rufe Euch zu: Auf Wiedersehen.“ Die Zukunftspläne meines Onkels sahen vor, nach dem Krieg in Frankreich zu leben und zu arbeiten. Walter Krajnc war mit einer Französin verlobt, die er heiraten wollte, wie ich aus einem der vielen Briefe, die er an meine Großen schrieb, weiß. Wer diese Frau war, ob sie die Gräuel dieser Zeit überlebte und wie sich ihr Leben danach gestaltete, konnte ich in der kurzen Zeit unseres Aufenthaltes in der Region, in der er bis heute ein nicht in Vergessenheit geratener Volksheld ist, nicht eruieren. Fakt ist aber: 14 Tage nach der Ermordung Walter Krajncs landeten die alliierten Streitkräfte an der Küste Südfrankreichs und besiegten die deutschen Besatzer.

 

Im Zuge dieses 80. feierlichen Gedenkens wurde von der Studentenverbindung Vindelicia eine Erinnerungstafel der Grabstätte aufgestellt, welche neben einem QR-Code, der per Smartphone zum Eintrag von Doktor Walter Krajnc auf der Internetseite „niemalswieder.at“ führt und zudem folgende Worte beinhaltet: „Fest im Glauben, vorbildlich in der Brüderlichkeit. Ein Leben, das für Freiheit und Menschlichkeit geopfert wurde. In ewiger Erinnerung und in brüderlicher Verbundenheit. Lang lebe Österreich! Es lebe die Freiheit!“

Für die Befreiung Frankreichs zahlte Tiroler mit seinem Leben
Fotos: Hubert Berger