Friedhöfe nicht zeitgemäß?

Tod und Begräbnis in christlicher Tradition sind mitten ins Leben gestellt, so P. Martin Riederer OPraem, der auf eine Meinungsäußerung zum Thema "Friedhöfe nicht zeitgemäß" in der TT vom Allerheiligentag reagiert.

Auf die Meinungsäußerung von Frau Pernlochner-Kügler an herausragender Stelle der Allerheiligen-Ausgabe der TT hier ein Statement von P. Martin Riederer OPraem: 

Tod und Begräbnis sind in christlicher Tradition mitten ins Leben hinein gestellt. 

Die Hochachtung und Ehrfurcht vor der Leiblichkeit des Menschen hat geschichtsträchtige Bauten und Friedhöfe entstehen lassen. Dass Verstorbene daheim im Bett und am offenen Sarg betend geehrt und verabschiedet wurden, in unseren Dörfern eigene Abholrituale vom Haus zur Kirche und spezielle letzte Wege durch die Gemeinde entstanden, war fester Bestandteil des dörflichen Miteinanders. Dabei wurde die Trauer der Familie zur gemeinsamen „Sache“. Das war einmal.
Nun macht uns Tirols unternehmungsfreudigste Bestatterin in einem Gastbeitrag der TT deutlich, dass längst schon modernere Formen des Totenkultes gefragt sind.
Die rigide Gesetzgebung beklagend, spricht sich Frau Pernlochner-Kügler für mehr Friedwald, Streuwiesen und indirekt für eine weitere Privatisierung des Bestattungswesens aus. In einer entchristlichten, postmodernen Welt würden eine kirchliche Argumentation oder gar ein Glaubensdiskurs schnell mit Lächeln und Abwinken bedacht. Allerdings ist es doch bemerkenswert, dass der Kommentar der unkonventionellen Fachfrau direkt nach einer Doppelseite über zunehmende Einsamkeit im Land folgte.
Das veränderte Verhältnis zu Tod und Bestattung hat auch etwas mit der Vereinzelung und der Angst in unserer Gesellschaft zu tun. Der Angst nämlich – auch über den Tod noch irgendjemand  „lästig“ zu sein. Das Verstreuen von Asche an den schönsten Plätzen, aber anonym mag einen eventhaft, himmlischen Charakter haben. Verloren gehen dabei Name und Geschichte, Erzählung, Wertschätzung  und Andacht (im Sinn von Bedenken) dem Toten gegenüber -  an einem Grab oder Gedenkstein.
Die Kirche hat in diesem Bereich ihre jahrhundertelange Kompetenz aufs Spiel gesetzt und der säkulare Sturm auf dieses Betätigungsfeld ist längst eröffnet – nicht nur aus humanitären, sondern auch und gerade aus kommerziellen Gründen. Frau Pernlochner-Kügler will also in brillanter Formulierung die Tore für Neues aufstoßen: Ich werde den Eindruck nicht los, dass es dabei nicht allein um Achtsamkeit, Respekt und Anerkennung der Toten, sondern auch und gerade um eine geschickte, eigene Werbestrategie rund ums Geschäft mit dem Tod geht.
Andenken, Geschichtsbewusstsein und Gemeinschaftsdenken bleiben hinten oder fallen völlig weg.
So geraten wir in die eigenartige Spannung, dass wir einerseits namenlosen Verfolgten, Getöteten und Verbrannten  - aus düsteren Tagen der Geschichte -  Stolpersteine mit ihren Lebensdaten wider das Vergessen setzen, aber andererseits die Asche eines toten Meeresfreaks– wunschgemäß – anonym im Ozean versenken und damit Leben ins Nichts verschwinden lassen. 
Da verrückt doch etwas in unserer Gesellschaft. Da ist Gespräch  und Bewusstsein gefragt. Da müssen wir miteinander behutsam achten, wes Geistes Kind, die Verfechter der „Modernisierung“ von neuen Abschiedsformen sind und wohin die Reise geht…
P. Martin Frank Riederer OPraem 

Respekt vor den Toten oder Geschäft mit dem Tod?