Forschungsprojekt zu kirchlichen Heimen in Tirol nach 1945

Mitarbeiter des Innsbrucker Instituts für Zeitgeschichte untersuchen Missbrauchsfälle ab 1945.

Seit Juni 2020 untersucht ein am Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck angesiedeltes Forschungsprojekt die Missbrauchsvorkommnisse in kirchlichen Heimen in Tirol ab 1945. Das Projekt der Universität Innsbruck wird von der Dreierkommission begleitet, die in Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Vorkommnisse im Mädchenheim Martinsbühel von der Diözese Innsbruck und der Tiroler Landesregierung eingesetzt wurde.

 

Die Forscher suchen nun nach ehemaligen Heimkindern, Verwandten oder Mitarbeitern, die über den Alltag in den Heimen berichten können. Untersucht werden die Heime Martinsbühel, Scharnitz, das Josefinum/Volders, die Bubenburg/Fügen, St. Josef/Mils, Thurnfeld/Hall und das Elisabethinum/Axams. Das Forschungsprojekt erforscht die Heimstrukturen und Lebensbedingungen der dort untergebrachten Kinder und Jugendlichen. Gleichzeitig werden die Arbeitsbedingungen des Personals, Einweisungswege und die beteiligten Zuständigen wie Fürsorge, Schulen, ÄrztInnen und Familien einer wissenschaftlichen Betrachtung unterzogen.

 

Wir stellen in unserer Forschungsarbeit die Frage nach Aufsichtspflichten und von wem diese wahrgenommen wurden. Gleichzeitig versuchen wir zu rekonstruieren, wie der Alltag der Betroffenen unter kirchlicher Betreuung aussah“, erläutern die Projektverantwortlichen Friedrich Stepanek (Universität Innsbruck) und Ina Friedmann (Wissenschaftsbüro Innsbruck). Dabei gehe es um den emotionalen und körperlichen Umgang mit den Betroffenen, um Schulunterricht und Ausbildung, Arbeit und hygienische Verhältnisse. „Um einen möglichst umfangreichen Einblick in das Leben in den kirchlichen Heimen in Tirol nach 1945 zu erhalten, beleuchten wir auch die Ausbildung, Tätigkeitsbereiche und Aufgabengebiete des Personals“, sagt Stepanek.

 

ZeitzeugInnen liefern wertvollen Einblick 

Dafür wurde umfassendes Aktenmaterial aus kirchlichen Archiven und Landesarchiven gesammelt, gesichtet und wissenschaftlich eingeordnet. „Eine wichtige Perspektive liefern aber auch Berichte von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Aus diesem Grund suchen wir Personen, die in einem dieser Heime untergebracht waren und über ihre Erfahrungen berichten möchten. Auch Berichte von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die in einer dieser Einrichtungen gearbeitet haben oder beruflich damit zu tun hatten, sind für ein umfassendes Bild der Situation sehr wertvoll“, betont Friedmann. So tragen auch die Erinnerungen von MitarbeiterInnen der Schuldirektion (ehemalige Bezirks- und Landesschulräte) oder der damaligen Fürsorgebehörden, aber auch von Personen, die auf anderem Weg mit den Heimen in Berührung gekommen sind, beispielsweise Verwandte von früher dort lebenden Kindern, wesentlich zur wissenschaftlichen Analyse bei.

 

Interviews werden vertraulich behandelt 

„Ob Sie das erste Mal von Ihren persönlichen Erfahrungen erzählen möchten oder bereits darüber berichtet haben: Jede Kontaktaufnahme ist herzlich willkommen!“, rufen Stepanek und Friedmann alle ZeitzeugInnen auf, sich zu melden – ob per E-Mail, Brief oder telefonisch. Alle Informationen werden streng vertraulich behandelt. Die Interviews werden zur wissenschaftlichen Aufarbeitung verwendet, die entsprechenden Datenschutzbestimmungen werden selbstverständlich eingehalten. Auch können ZeitzeugInnen ihre eigenen Angaben nachträglich überprüfen und ergänzen oder korrigieren.

 

Fragen des Opferschutzes und von Entschädigungsansprüchen sind nicht Teil des Forschungsprojekts, eine Vermittlung an die zuständigen Stellen ist aber möglich.

 

Kontakt: 

Forschungsprojekt konfessionelle Heime Tirol
Institut für Zeitgeschichte
Universität Innsbruck
Innrain 52d
6020 Innsbruck 

Telefon: +43 512 507 44 016
Montag bis Freitag von 9 bis 11Uhr
Dienstag und Donnerstag auch von 15 bis 16 Uhr. 

E-Mail: ina.friedmann@uibk.ac.at und friedrich.stepanek@uibk.ac.at

Symbolbild: Ag Ku/Pixabay