Ehejubilare feierten in Stift Stams

Am Sonntag, 5. September, feierten Ehepaare gemeinsam mit Bischof Hermann Glettler im Stift Stams ihr Ehejubiläum. Wir dokumentieren die Predigt des Bischofs im Wortlaut und zeigen die schönsten Bilder von der Feier.

Neue Worte finden – Ehe aufleben lassen!

Predigt von Bischof Hermann Glettler bei der Ehejubiläums-Feier 2021 in Stams, 5. September 2021. 

Liebe jubilierende Eheleute! Wir befinden uns im „Jahr der Familie“ – in Erinnerung an „Amoris laetitia“, dem Schreiben von Papst Franziskus über die „Freude der Liebe“, das 2016 erschienen ist. Zugleich blicken wir voraus auf das Welt-Familientreffen im Juni 2022 in Rom. In Ihren Gesichtern sehe ich, dass Sie viele Geschichten, Anekdoten und Lebenserfahrungen über die „Freude der Liebe“ erzählen könnten. Sie haben Vieles gewagt und geschafft, bestimmt unzählige Momente von Glück erlebt – vielleicht aber manchmal auch unter Sprachlosigkeit gelitten. Wer kennt denn nicht die Phasen einer Beziehung, in der ein gegenseitiges Verstehen mühsam wird? Das heutige Evangelium schildert uns das Wunder der Heilung eines Taubstummen. Diese Befreiung einer Person mit einer unheilvollen kommunikativen Beeinträchtigung zum „richtigen Hören und Sprechen“ ist eine heilsame Botschaft – gerade auch für Eheleute. Eine gute Kommunikation ist doch das Herzstück jeder ehelichen Lebensgemeinschaft und jeder menschlichen Beziehung.

Beziehung ist Kommunikation – was sonst! 

Leben ist Beziehung und Beziehung ist Kommunikation. Kostbar und zerbrechlich zugleich. Dass wir überhaupt existieren, verdanken wir der Zuwendung und Ansprache liebender Menschen. Wir haben „verstanden“, dass wir gemeint und geliebt sind. Mit den entsprechenden Sinnesorganen sowie mit Geist und Seele ausgestattet wurden wir befähigt, uns selbst in verlässliche Beziehungen zu investieren. Hören- und Sich-Mitteilen-Können ist ja nicht selbstverständlich – viele kämpfen mit angeborenen oder altersbedingten Beeinträchtigungen, besonders hart der Verlust von Sprachfähigkeit durch einen Schlaganfall. Kommunikation ist natürlich nicht nur der erfolgreiche Austausch von Informationen, zu dem es gesunde Hör- und Sprechorgane braucht. Der ganze Mensch „spricht“ oder verstummt, teilt sich mit oder verweigert sich. Wesentlich ist ein hörendes und kommunikationsbereites Herz – es ist die eigentliche Kommunikationszentrale. Aber was tun, wenn sie durch Geschwätz überlastet oder durch Störungen lahm gelegt ist?

Jesus nahm den Taubstummen zur Seite – weg vom nervösen Lärm einer sensationslüsternen Öffentlichkeit. Wir haben unendlich viele technische Hilfen, um noch schneller und intensiver zu kommunizieren, aber was nützen sie, wenn wir nicht die Ruhe aufbringen, zu sortieren und nachzudenken, was wir wirklich „von uns“ geben wollen. Kommunikation braucht einen geschützten Raum. Wenn wir uns nicht „zur Seite nehmen lassen“, werden wir selbst zu Produzenten und geistlosen Multiplikatoren von aufgebauschten News oder Belanglosigkeiten. Die Fähigkeit, gut zu kommunizieren kann nur in der Stille reifen, in der heilsamen Berührung mit Gott. Ein Vorschlag? Als Paar eine gemeinsame Auszeit nehmen. Vielleicht pro Woche einen bewussten „Ehe-Abend“ – frei von beruflichen Themen, Kinderbetreuung und Handy. Ehepaare erzählen mir, dass sie viel davon profitieren. Und warum nicht auch ein gemeinsames Gebet in der Familie wieder versuchen! Mutter Teresa, die Heilige des heutigen Tages, sagte: „Eine Familie, die betet, bleibt zusammen.“

Neue Worte finden – trotz allem? 

„Effata!“ Öffne dich! Das energische Wort hat Ohren und Zunge des beeinträchtigten Menschen von einer Fessel befreit. Welch ein Durchbruch! Die Leute staunten und waren ergriffen: „Jesus hat alles gut gemacht!“ Wieviel Leid spielt sich in Familien, Ehen und Partnerschaften ab, wo eine lebensnotwendige Kommunikation nicht mehr möglich ist – nicht zuletzt leiden auch Kinder extrem darunter. Jesus bietet uns seine heilsame Nähe und Hilfe an. Nützen wir sie! Vielleicht ist es heute Zeit, ein neues Wort zu wagen und nicht stumm zu bleiben, wenn sich über eine gewisse Zeit Unverständnis und Verbitterung eingenistet haben, wenn erlittene Kränkungen nachwirken und scheinbar jedes Wort in Frage stellen – oder wenn der Mut gefehlt hat, einen Konflikt zu benennen. Vielleicht ist es manchmal nötig, eine aufgestaute Emotion rauszulassen, um neu beginnen zu können. Bleiben wir gerade dann nicht mehr stumm, wenn das erste Wort „Sorry!“ oder „Entschuldige bitte!“ lauten soll. Wunder der Versöhnung sind möglich! Beziehungen werden heil.

Ich erinnere mich an einen Mann, der sehr schwer an Parkinson erkrankt ist. Als ich ihn im Krankenhaus besuchte, antwortete er auf die Frage, wie es ihm denn gehe, dass er „nichts zu klagen habe“. Seine Begründung: „Ich habe ein wunderbare Frau. Bin unendlich dankbar.“ Bleiben wir doch nicht stumm, wenn es darum geht, „Danke“ zu sagen, auch dann, wenn es doch scheinbar nur um Alltägliches und Selbstverständliches geht. Es ist das heilsame Wort, mit dem ein Miteinander-Leben an gegenseitiger Achtsamkeit gewinnt. Und bleiben wir bitte nicht stumm, wenn es darum geht, einander etwas Schönes zu sagen, etwas überraschend Positives. Auch nach Jahren wichtig zu hören: „Du bist mein Schatz!“ „Ich liebe Dich - immer noch und jetzt erst so richtig!“ Das sind die neuen Worte, die zum Aufleben einer Beziehung beitragen. Wenn die Blockade zu groß erscheint, bitten wir doch um den Geist Jesu – zärtlich und energisch zugleich ist er die verlässliche Kommunikations-Hilfe.

Die „Sprachen der Liebe“ neu erlernen – jetzt! 

Ich habe bewusst den Plural gewählt, weil es viele Sprachen der Liebe gibt – immer herausfordernd, wieder eine neu erlernen zu dürfen. Zuerst die Sprache des Verstandes, das logische Erklären, die präzise Argumentation – zweckdienlich bei komplexen Sachverhalten, aber wenig effektiv, wenn es auf der Beziehungsebene nicht stimmt. Dann die Sprache des Handelns, das praktische Zugreifen – meist von Männern als ihre vertrauteste „Sprache der Liebe“ eingesetzt, ob im Garten, bei Arbeiten im Keller oder immer öfter auch im Haushalt. Mindestens so wichtig ist die Sprache des Herzens – die unendlich vielen Zeichen und Gesten, die kleinen und größeren Aufmerksamkeiten, die letztlich alles schön machen. Ohne emotionale Geschmacksverstärker würde jede partnerschaftliche Kommunikation austrocknen. Und welch ein Geschenk, wenn Ehepaare auch nach einigen Ehe-Jahrzehnten die Sprache der körperlichen, sexuellen Liebe nicht verlernt haben.

Ich schließe mit dem Hinweis auf eine Wörtertabelle, die ich bei einem Treffen mit Ehepaaren der Bewegung Marriage Encounter bekommen habe – es sind Listen von alternativen Ausdrücken, die das miteinander Kommunizieren beleben sollen. Für das Wort „Freude“ finden sich mehr als 50 Ausdrücke, sie reichen von „angetrieben“ und „aufgeregt“ bis zu „zufriedengestellt“ und „zuversichtlich“. Also: Kreativität und Lust zum Lernen der vielen Sprachen der Liebe sind gefragt. Das heutige Evangelium motiviert dazu. Liebe jubilierende Eheleute! Ihre Lebensgemeinschaft, Ihre tägliche Mühe um das tägliche Hinhören und Sich-Mitteilen ist für unsere Zeit unendlich wichtig! Als Eheleute sind Sie ein verständliches und ermutigendes Zeichen für Gott, der jeden Menschen persönlich meint und niemanden von seiner Zuwendung ausschließt. Miteinander gut und heilsam zu kommunizieren wird für viele zum Segen. Auf Lateinisch: Bene dicere!

Bilder von der Ehejubiläumsfeier: http://tiroler-cloud.info4u.at/index.php/s/ZadzLHVvsyJohIC