Bischof Scheuer zieht Bilanz über den Besuch von 280 Pfarren

In seiner Zeit als Bischof der Diözese Innsbruck hat Manfred Scheuer nun alle 280 Pfarren und Seelsorgestellen im Diözesangebiet besucht. In Tristach in Osttirol zog er in einer Pressekonferenz Bilanz.

Seit Herbst 2003 ist Manfred Scheuer Diözesanbischof von Innsbruck. Pfarren sind Keimzellen des Glaubens. Den bischöflichen Visitationen schenkt Bischof Scheuer größte Aufmerksamkeit, sie gehören deshalb auch zu den regelmäßigen Fixterminen im Kalender des Bischofs. Tristach in Osttirol bildet nun den Abschluss der ersten kompletten "Tour durch die Diözese", die den Bischof in die 294 Pfarren und Seeslsorgestellen führte. Im Laufe der Jahre gewann Scheuer viele Eindrücke und sammelte viele Erfahrungen. Bei einer Pressekonferenz in Tristach in Osttirol zog der Bischof Bilanz und formulierte seine Einschätzungen zur Situation der Pfarren in der Diözese Innsbruck.

 

Wozu ist das Ganze gut?
Befragt nach netten Erlebnissen im Rahmen seiner Visitationen erzählte Bischof Manfred Scheuer: „Auf die Frage eines Volksschülers in Hall: ‚Was tust du den ganzen Tag?’ habe ich erklärt, was ich von 6 Uhr früh bis 11 Uhr am Abend mache und habe mir gedacht, jetzt wird er beeindruckt sein. Darauf hin hat er gefragt: ‚Arbeitest du auch etwas?’ Da habe ich ihm erklärt, was meine Arbeit ist. Darauf war seine Frage: „Und zu was ist das Ganze gut?’“ 

 

Beeindruckt von der Lebendigkeit der Gottesdienste.
Bischof Scheuer: „Es hat eine andere Qualität, wenn ich am Ort und in der Lebenswelt der Leute bin, als wenn die Menschen mich aufsuchen. Und es ist etwas anderes, ob ich zu einem Fest komme oder ob ich die Menschen im Alltag treffe. Ein bischöflicher Visitationstag ist meist sehr voll in vielfacher Hinsicht. Bischof Scheuer: „Ich durfte zu ebener Erde von eineinhalbjährigen Kindern bis zur 99jährigen Frau vielen Menschen begegnen und konnte z.B. in Völs von hoch oben von der Feuerwehrleiter einen Blick auf die Gemeinde tun. Es ging von früh bis spät, von der Krabbelstube am Morgen bis zum Beisammensein im Jugendraum nach 22 Uhr.“ 

Beeindruckt zeigte sich der Bischof von der Lebendigkeit der Gottesdienste, die kulturelle Vielfalt und Kreativität in den Gemeinden. „Gespürt habe ich eine große Sensibilität für soziale Probleme und Nöte. Es ist ein Bewusstsein für die weltkirchliche Verantwortung da. Vereine und politisch Verantwortliche tragen das Leben in der Pfarrgemeinde mit“, so der Bischof.

 

Pfarren bieten oft Beheimatung im Dorf oder Stadtviertel.
Bischof Scheuer erkennt einen Stolz der Menschen auf ihre Traditionen: die Katholische Jungschar mobilisiert Jahr für Jahr tausende SternsingerInnen, die Beteiligung an den Roraten ist extrem hoch, es gibt Tausende Krippenfreunde im Land, viele pilgern zu den Heiligen Gräbern und die Prozessionen sind tief verankert (Fronleichnam, Herz Jesu, Patrozinium, 15. August, Erntedank…) 

Es gibt starke Traditionen in Tirol, aber auch einen massiven Schub der Modernisierung, gerade auch in Tourismusorten. Im Tourismus ist Seelsorge aufgrund der Arbeitszeiten der Menschen relativ schwierig, aber da gibt es z.B. Wallfahrten am Ende der Saison. Manche Orte und Täler sind von Abwanderung bedroht. Was die Seelsorge betrifft, sind wir in manchen Bereichen gut vertreten, teilweise bei der Trauerbegleitung, Hospiz oder Arbeit mit Behinderten. Relativ stark präsent sind wir an den Knotenpunkten des Lebens, wie Geburt, Erstkommunion, Hochzeit, Trauer, Tod. Für die Beheimatung im Dorf oder – manchmal - in einem Stadtviertel sind die Pfarren von großer Bedeutung. Nicht selten ist die Pfarre der einzige Ort, wo sich die Leute treffen. Gerade heuer 2012 haben sich unterm dem Motto „Gut, dass es die Pfarre gibt“ wieder weit über 3000 Menschen für den Dienst als Pfarrgemeinderätinnen und Pfarrgemeinderäte zur Verfügung gestellt.

 

Große Identifikation mit Kirchenräumen.
„Meine Eindrücke sind in vielen Bereichen sehr positiv. Da werden Seelsorgeräume und die Zusammenarbeit von Priestern, Laien und Ehrenamtlichen als Bereicherung empfunden. Ich sehe aber auch jene Seelsorgeräume, wo dies nicht gelingt. Das ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen, weil es eben unterschiedliche Auffassungen über glauben, beten, leben und feiern gibt. „Exerzitien im Alltag“ z.B. laden zu einem persönlichen und gemeinschaftlichen Weg, des Gebetes und der Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben und Leben. 

Ich sehe eine große Identifikation der Tiroler mit den Kirchengebäuden und mit den Kapellen. In den vergangenen Jahren durfte ich nach abgeschlossenen Renovierungsarbeiten an Kirchen neu gestaltete und errichtete Altäre weihen. Kirchenrenovierungen sind getragen von einem großem Engagement, vielen helfenden Händen und großen Summen an Spenden. Sie sind auch ein tiefes Zeugnis des Glaubens“, so Scheuer.

 

Große Solidarität und Spendenbereitschaft der Tiroler
Beeindruckt zeigt sich der Innsbrucker Diözesanbischof von der Spendenbereitschaft der Tiroler: „Solidarität und Hilfsbereitschaft in unserem Land sind ungebrochen und lebendig und sind gelebte Caritas. Ein starkes Zeichen der internationalen Hilfsbereitschaft durften wir rund um die Hungerkatastrophe am Horn von Afrika erleben, ohne dass die TirolerInnen auf den Dauerauftrag im Westsahel vergessen hätten. Sie haben im Sommer und Herbst 2011 nahezu zwei Millionen Euro gespendet. „Bruder und Schwester in Not“ zeigt auf, welche Verankerung unsere Diözese in der Weltkirche und internationalen Solidargemeinschaft hat. Insgesamt begleitet und unterstützt die Diözese Innsbruck Projekte in über 10 Staaten weltweit. Ungebrochen ist auch die Hilfe im Inland. Die Haussammlung brachte wiederum ein beeindruckendes Ergebnis für die Notleidenden in unserem Land: nahezu 2500 Haussammlerinnen, „Laufkraftwerke der Caritas“ ermöglichen es, dass die Caritas ein „Umspannwerk der Nächstenliebe" ist. 3500 Ehrenamtliche unterstützen durch ihr „Zeitgeschenk“ die „Nahversorgung“ im Rahmen der (Pfarr)caritas: Besuchs- und Begleitdienste, finanzielle Hilfe in Krisensituationen, Entlastung pflegender Angehöriger, Lernhilfe und Flüchtlingsbetreuung.“ 

 

25.000 Ehrenamtliche in der Kirche von Tirol
Auf vielen Ebenen der Familien, der Gemeinschaften und Bewegungen, der Pfarrgemeinden und der Diözese sind unzählige Menschen ehrenamtlich tätig. „Das Evangelium und die Kirche bekommen ein menschliches Antlitz durch die Frauen und Männer, die in der Erstkommunion- und Firmvorbereitung tätig sind, die eine Kinder- oder Jugendgruppe leiten, die es ermöglichen, dass sich alte Menschen treffen oder die sich in den verschiedensten karitativen Aufgaben engagieren“, so Scheuer. Dreikönigsaktion, Ministrantenarbeit, Jugendarbeit, Pfarrgemeinderäte, Pfarrkirchenräte, Kirchenchöre und unzählige andere Dienste im kirchlichen Geschehen leben von Leuten, die aus Freude an der Tätigkeit Verantwortung übernehmen. 

„Wir dürfen ehrenamtliches Tun als Mitvollzug der göttlichen Gnade verstehen. Gnade ist ein Mittun-Dürfen am Werk der Erlösung (vgl. 1 Kor 3,9). Was in unserer Diözese, in unseren Pfarren und Gemeinschaften geleistet wird ist auch Ausdruck des Glaubens. Ehrenamtliche sind auch Glaubenszeugen, weil in vielfältigen Strukturen dieses Liebesdienstes unser Glaube zum Ausdruck kommt.“

„Die Kirche verfügt über so viele ehren- und hauptamtliche Personen wie keine andere zivilgesellschaftliche Einrichtung. In ihr engagieren sich Menschen, ‚die weniger Angst und dafür mehr belastbare Solidarität haben, auch mit den Anderen und den Fremden’. Vor diesem Hintergrund sei verständlich, dass in Österreich nach wie vor 51 Prozent der Aussage zustimmen: ‚Ohne die christlichen Kirchen wäre das Land sozial ärmer.’ Der Kirche geht es nicht so schlecht, wie sowohl die fanatischen Befürworter rechts und einige hämische Kritiker von links gerne hätten“, zitiert der Bischof Paul Michael Zulehner.

 

Sich über andere aufzuregen, kann über die eigene innere Leere hinwegtäuschen
Die Bilanz der „Tour durch die Diözese Innsbruck“ fällt für Bischof Scheuer fällt überwiegend positiv aus, auch wenn er sich der Nöte sehr wohl bewusst ist. 

„Ich frage eigentlich immer: Worauf seid ihr stolz? Was ist euch wichtig? Wie geht es euch mit den Grundvollzügen von Kirche und wo sind offene oder versteckte Nöte in der Pfarre? Es geht ehrlich zu, aber es wird nicht nur Dreckwäsche gewaschen. Es werden Spannungen und Konflikte angesprochen, auch wenn das nicht dominiert“, berichtet der Bischof.

„Das Bild von der Kirche als einer homogenen Herde ist eine Projektion von Leuten, die mit der Realität nichts zu tun haben. Dass es in Tirol eine große Vielfalt gibt, sind Reichtum und Chance. Es ist aber nicht so wie auf einer bunten Blumenwiese, wo jede Blume für sich steht. Das geht in der Kirche nicht. Es gibt Menschen mit Respekt und Wertschätzung für andere, es gibt aber auf linker und auf rechter Seite auch ein Potential für das ‚Wir sind Wir’, oder ‚Was Kirche ist, bestimme ich.’ Wichtig ist, dass wir unser Selbstbewusstsein im Glauben nicht daraus bestimmen, dass wir nicht ‚so blöd sind wie die Anderen’. Sich über andere aufzuregen, kann über die eigene innere Leere hinwegtäuschen“, so Scheuer.

 

Dank an alle „Säulen“ der Diözese Innsbruck, die dem Evangelium ein Gesicht geben„Ein Vergelt’s Gott allen, die das Leben in unserer Diözese und unseren Pfarrgemeinden tragen und gestalten. Sie alle sind wichtige Säulen der Kirche in Tirol. Wir brauchen Menschen die sich einbringen, mitdenken und mitarbeiten, wir brauchen mutige und verantwortungsvolle Menschen. Die Botschaft Jesu kann nicht nur weitergesagt, sondern muss auch gelebt werden. Ich freue mich, dass es viele Menschen gibt, die mit der Kirche etwas zu tun haben wollen, die mit anderen zusammen ihren Glauben, ihr Leben teilen“, schließt Bischof Scheuer ab.

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