Bischof Glettler verarbeitet Lesbos-Besuch mit Fotoserie

Ausstellung der "Wasted Lives" betitelten Bilder von 18. Februar bis 6. März in Galerie Artdepot Innsbruck - Glettler fordert bei "Ermutigungsmarsch für mehr Menschlichkeit" neue Asylpolitik: Nicht hinter Floskeln, oberflächlichen Erklärungen, scheinbaren Sachzwängen oder gesellschaftlichen Stimmungen verstecken.

Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler hat seinen Besuch auf der wegen ihrer Flüchtlingslager berüchtigten griechischen Insel Lesbos mit einer beeindruckenden Fotoserie kreativ verarbeitet. Zu sehen sind die Bilder in einer Ausstellung mit dem Titel "Wasted Lives" von Aschermittwoch, 18. Februar, bis 6. März in der Galerie Artdepot Innsbruck. Glettler war im vergangenen Dezember für "ein bewusstes Hinschauen auf einen der größten humanitären Katastrophenschauplätze Europas" nach Griechenland aufgebrochen und hatte danach mehrfach an die Bundesregierung appelliert, es nicht bei einer vielfach unwirksamen Hilfe vor Ort zu belassen, sondern 100 Flüchtlingsfamilien in Österreich aufzunehmen.

Abseits vom Lager fand Glettler ein weiteres Zeugnis für die verhängnisvollen Tragödien, die sich hinter den abstrakten Begriffen wie Migrationsbewegungen und Flüchtlingsströmen abspielen. Er entdeckte einen abgelegenen Friedhof im freien Feld, der von spontaner Verabschiedungskultur, einigen privaten Grabbauten, aber auch von einer offenkundigen Verwahrlosung geprägt ist. "Ein Feld der Verworfenen", wie es der Bischof nannte. Glettler ist in der Bischofskonferenz unter anderem für die Bereiche Familie und Lebensschutz sowie für die Friedensbewegung "Pax Christi" zuständig. Mit der Ausstellung als Frucht persönlicher Betroffenheit knüpft er an seine Ausbildung als Kunsthistoriker und an seine eigene frühere künstlerische Tätigkeit an.

Der Titel "Wasted Lives" beziehe sich auf ein wichtiges Buch des polnischen Soziologen Zygmunt Bauman (1925-2017), der darin die strukturelle Ausgrenzung von Menschen in unterschiedlichsten Armutssituationen und von Menschen auf der Flucht nachzeichnete, teilte Glettler mit. Von bestimmten Menschen wolle man nichts wissen, ja sie würden wie "Abfall" behandelt. "Wir alle sind Teil dieser Desensibilisierung, die eine schleichende Werteverschiebung bewirkt", so der Bischof. Er hielte eine menschliche Wahrnehmung für heilsam, "die weder einer politisch motivierten Verharmlosung noch einem unstillbaren Voyeurismus des Elends verfällt". Die vom Künstler auf dem Innsbrucker Bischofsstuhl bearbeiteten und am Beginn der Fastenzeit erstmals präsentierten Fotos "sind einer solchen Wahrnehmung verpflichtet", heißt es in der Ankündigung der Ausstellung.

"Es ist Zeit für neue Asylpolitik"
"Es ist Zeit, mit neuer Entschlossenheit eine grundsätzliche Reform der europäischen Asyl- und Flüchtlingspolitik voranzutreiben." Mit diesen Worten äußerte sich Bischof Glettler auch zu den vielfach kirchlich unterstützten "Moria-Wochenenden", mit denen auch die österreichische Bundesregierung dazu bewegt werden sollen, von ihrem bisherigen "Hilfe-nur-vor-Ort"-Kurs abzurücken. In mehreren österreichischen Städten - und auch in Innsbruck - wurden in den vergangenen Wochen Solidaritätscamps errichtet, die diesem Ziel verpflichtet waren.
In seinem Kathpress vorliegenden Statement beim Innsbrucker "Ermutigungsmarsch für mehr Menschlichkeit" wies Glettler am Wochenende darauf hin, dass angesichts des Winters mit Minusgraden Kinder, Jugendliche, Erwachsene auf Lesbos nach wie vor unter den Bedingungen im Lager litten, "sie sind nicht nur am Ende ihrer physischen Kräfte, sondern auch am Ende ihrer psychischen Belastbarkeit". Die Lage auf der Balkanroute sei "vielleicht noch erschütternder". 

Der Innsbrucker Bischof berichtete von einem Grab, das er auf Lesbos außerhalb des offiziellen orthodoxen Friedhofs sah. Die Aufschrift auf der Grabtafel "ADAM ADAM" erinnere an einen jungen Somalier, der auf seiner Flucht ums Leben kam, aber auch an die Frage Gottes im verloren gegangenen Paradies: "Adam, wo bist Du?" Gott fordere damit Verantwortung ein, die jeder Mensch angesichts von der Not des Nächsten habe, und Gott frage damit auch: "Warum versteckst Du Dich hinter Floskeln, hinter oberflächlichen Erklärungen, hinter scheinbaren politischen Sachzwängen oder gesellschaftlichen Stimmungen?" Jeder von uns sei gefragt, betonte Glettler.

Auch in Österreich brauche es einen Nachdenkprozess über den Umgang mit Flüchtlingen auf breiter Basis. Der Bischof regte dazu eine politische Enquete im Parlament an. "Alle Fakten und positiven Lösungsstrategien gehören auf den Tisch - über alle Parteigrenzen hinweg." Für notwendige Akuthilfe erneuerte Glettler seinen Appell an die Politik, 100 Familien aufzunehmen, die bereits einen positiven Asylbescheid haben.

Eine Meldung von www.kathpress.at