Bischof Glettler: Von Herzen – fest versprochen


Herz-Jesu-Gelöbnisfeier mit Landesgelöbnisgottesdienst - LH Mattle und LT-Präs. Ledl-Rossmann: „24 Stunden im Zeichen dankbaren Miteinanders“ - Tag der Herzlichkeit unter dem Motto „Herz ist Trumpf“

Freitag, der 16. Juni 2023 ist nicht nur der Tag, an dem das Herz-Jesu-Gelöbnis feierlich erneuert wird, sondern auch der „Tag der Herzlichkeit“. Ausgerufen wurde dieser im Rahmen der Initiative „Offene Herzen“ des Bischof-Stecher-Gedächtnisvereins im Jahr 2016. Die vom Land Tirol und der Diözese Innsbruck unterstützte Initiative findet bereits zum achten Mal statt. Ihr Ziel ist es, die in Tirol gelebte Solidarität und den Zusammenhalt in den Mittelpunkt zu stellen.

Die Herz-Jesu-Gelöbnisfeier fand Freitagabend in der Jesuitenkirche in Innsbruck statt. Das Herz-Jesu-Gelöbnis wurde im Anschluss bei der heiligen Messe mit Bischof Hermann Glettler von LT-Präs. Sonja Ledl-Rossmann feierlich erneuert. Dieses Gelöbnis geht auf das Jahr 1796 zurück, als der Stamser Abt Sebastian Stöckl dem Ausschuss der Tiroler Landstände vorschlug, das Land Tirol angesichts der erhöhten Kriegsgefahr nach der Französischen Revolution dem „Heiligsten Herzen Jesu“ zu weihen.

 

Bischof Hermann Glettler: Das Gute an neuer Entschiedenheit in das Gelöbnis hineinlegen 

Zu einem kollektiven Versprechen, „mehr Menschlichkeit und Sicherheit ins Netz zu bringen“, rief Bischof Hermann Glettler in seiner Predigt auf. Ein derartiges Gelöbnis sei vonnöten, um Hate-Speech, Cyber-Mobbing und sonstiger „Unkultur im Netz“ nicht das letzte Wort zu belassen.

Zugleich ermutigte Bischof Hermann Glettler, dass es an der Zeit sei, „unser Herz-Jesu-Gelöbnis zu erneuern – und in dieses feierliche Versprechen alles hineinzulegen, was es heute an neuer Entschiedenheit für das Gute braucht.“ Ein Gelöbnis habe grundsätzlich zwei Richtungen, so der Bischof, nach innen gerichtet sei es eine Vergewisserung, ein tieferes Verwurzeln einer Überzeugung und nach außen gerichtet sei es eine öffentliche Bekundung, eine kollektive Selbstverpflichtung.

Für eine „neue Entschlossenheit“ benannt Bischof Hermann drei Bereiche: Offenheit für die Entwicklung neuer Ausbildungsmodelle in der Pflege, mehr Sorgsamkeit im Umgang mit Klima, Lebensmitteln und Mobilitätsverhalten sowie ein Entgegenwirken zur Radikalisierung im politischen Diskurs durch Vernunft, Respekt und Wertschätzung für alle Menschen.

Die gesamte Predigt können Sie untenstehend nachlesen. 

  

Land Tirol: Verbindung von Herz-Jesu-Gelöbnis und Tag der Herzlichkeit 

An den Feierlichkeiten teilgenommen haben LH Anton Mattle, Landtagspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann sowie weitere Mitglieder der Tiroler Landesregierung und des Tiroler Landtags. Für einen würdigen Rahmen mit Landesüblichem Empfang sorgten die Schützenkompanie Amras, die Musikkapelle Amras-Innsbruck sowie Abordnungen der Tiroler Traditionsverbände.

„‘Etwas mehr Herzlichkeit ist die schönste Form der Herz-Jesu-Verehrung‘, brachte einst Bischof Reinhold Stecher den tieferen Sinn des Herz-Jesu-Gelöbnisses auf den Punkt. Der Tag der Herzlichkeit und die Herz-Jesu-Gelöbnisfeier haben daher wohl eines gemein: Jenen Menschen, die Hilfe brauchen oder denen es durch widrige Lebensumstände nicht gut geht, zu helfen und Herz zu zeigen – sei es durch ein liebes Wort, eine nette Geste oder eine hilfsbereite Tat. Einen Trumpf, den die Tirolerinnen und Tiroler in der Hand haben, ist ihr großes Herz und ihre Hilfsbereitschaft, beispielsweise in der Nachbarschaftshilfe, der Aufnahme von Menschen in Not oder bei ehrenamtlichen Einsätzen. Die Tiroler Landesregierung und der Tiroler Landtag nehmen den heutigen Tag zum Anlass, ihnen allen herzlich und aufrichtig dafür zu danken“, sagt LH Mattle.

„Die vergangenen und aktuellen Herausforderungen haben gezeigt, dass wir miteinander viel mehr erreichen können als jede und jeder für sich allein. Wir alle haben ein Herz, das für uns, aber auch für andere schlägt und uns – wenn wir darauf hören – zu mehr Menschlichkeit in unserer Gesellschaft leiten wird. Also: Herz zeigen, heute und an jedem Tag im Jahr!“ ergänzt LT-Präs. Ledl-Rossmann.

Eine Meldung von Diözese Innsbruck und Land Tirol. 

 

Die Predigt von Bischof Hermann Glettler anlässlich der Herz Jesu Gelöbnisfeier 2023 in der Jesuitenkirche Innsbruck im Wortlaut: 

Von Herzen – fest versprochen! 

Wozu ein Gelöbnis – und die jährlich wiederkehrende Erneuerung? Ist das Herz-Jesu-Gelöbnis nur ein lästiges Stück unserer Tiroler Tradition, ein „frommes Versprechen“, irgendwie aus der Zeit gefallen in pluraler Gesellschaft? Diese Nach-Fragen sind wichtig.
Ein Gelöbnis hat grundsätzlich zwei Richtungen – nach innen gerichtet ist es eine Vergewisserung, ein tieferes Verwurzeln einer Überzeugung und nach außen gerichtet ist es eine öffentliche Bekundung, eine kollektive Selbstverpflichtung. Wir wissen von der historischen Bedeutung des Gelöbnisses, das am 3. Juni 1796 in Bozen erstmals feierlich eingelöst wurde. Und es hat die erwünschte Wirkung gezeigt. Mit innerer Entschlossenheit konnten die Feinde abgewehrt werden. Aber worum geht es heute? Was kann ein Gelöbnis bewirken – und was wollen wir heute von Herzen offiziell geloben? 

Wir leben vom Versprechen Gottes, von seinem „Gelöbnis“ 

Längst bevor wir fähig sind, unser Wollen, unser „Gelöbnis“ zu formulieren, hat sich Gott selbst schon festgelegt. Wir leben, weil sich Gott für seine Schöpfung und für jedes seiner Geschöpfe entschieden hat. Uneingeschränkt zuvorkommend – durch nichts gedeckt, was wir als Gegenleistung anbieten könnten. Wir leben, weil wir vom Ursprung her geliebt sind, nicht Produkte eines Zufalls. Gottes Ja ermöglicht das Leben in seiner Vielfalt und Schönheit. Im Versprechen eines immer gültigen Bundes lässt uns Gott seinen Herzschlag spüren, der allen Menschen gilt. Unser Glaube ist der Versuch einer Antwort. Sollten wir nicht mit Begeisterung Dankbarkeit geloben für die Fülle von Lebens-, Arbeits-, Bildungs- und Erholungsmöglichkeiten, die uns in unserem Land zur Verfügung stehen?

Gestern hatte ich in Graz eine Begegnung mit Hakim, dem Verantwortlichen der Caritas in Juba, im Südsudan. Seit 2017 sind wir bekannt, als ich ihn mit einer kleinen Delegation vor Ort besuchen konnte. Seit mittlerweile 10 Jahren wird der junge Staat Südsudan durch Stammeskonflikte und die dramatischen Auswirkungen der Klimaveränderungen heimgesucht. Unzählige Binnenflüchtlinge im ganzen Land, Gewaltexzesse und viel Grund zum Verzweifeln. Aber Nein! Wir konnten eine große Anzahl höchst kreativer Sozialprojekte besichtigen. Hakim, sein Caritas-Team und die Vinzenz-Gemeinschaften haben sich verpflichtet, auf den Herzschlag Gottes zu hören. Ihr Gelöbnis ist es, den Menschen im Geist Jesu zu dienen – unabhängig von Stammeszugehörigkeit oder Vorgeschichte.

Im Herz-Jesu-Evangelium (Mt 11,25-30) hören wir den zweiten Teil von Gottes Versprechen – aus dem Mund Jesu: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken.“ Das ist kein billiges Versprechen. Es ist das feierliche Gelöbnis dessen, der am Kreuz seine Arme für alle Menschen ausgebreitet hat und dessen Herz mit Gewalt aufgestoßen wurde. Vor zwei Tagen sind wieder hunderte Geflüchtete im Mittelmeer ums Leben gekommen. Trauer ist angesagt – und eine ehrliche europäische Politik ist vonnöten. Ja, kommen wir zum Herrn der Geschichte, dessen Herz offensteht – beladen mit Schuld und der Ohnmacht angesichts von Katastrophen dieser Art. Wir benötigen den Geist vom Bundes-Versprechen Gottes, seine Sorge für das Heil aller Menschen.

Orientierung und Halt in nervöser Zeit – macht ein Gelöbnis Sinn? 

In Zeit der Zerstreuung und des Social-Media-Kampfes um unsere Aufmerksamkeit könnte ein ehrliches Versprechen Kräfte sammeln und Orientierung geben. Erlauben sie mir einen unschuldigen Witz, die Geschichte von einer Maus, die sich im Vorratskeller an Käse und Speck ergötzt, aber in ihrem Übermut ins Most-Fass fällt und panisch um Hilfe schreit. Ein Kater kommt ihr zu Hilfe und rettet sie – allerdings mit dem Versprechen, dass er sie daraufhin verspeisen dürfte. Als das kleine Luder aus der ärgsten Not befreit war, verschwand es sofort im Mauseloch. Als der offensichtlich betrogene Kater lautstark einfordert, dass die Maus nun endlich ihr Versprechen einlösen sollte, hört er aus dem bergenden Loch nur die freche Bemerkung: „Weißt du, im Rausch versprochen man Viel!“

Im ekstatischen Zustand sieht die Welt anders aus. Doch welches Versprechen, welches Gelöbnis hält? Geloben kommt begrifflich von Loben, In-Ehre-halten und bedeutet auch Sich-Anvertrauen, Sich-Engagieren – also gerade nicht in sicherer Distanz verharren. Leute, die frustriert oder besserwisserisch den Lauf der Welt nur kommentieren, gibt es genug. Wer ist bereit, sein Herz zu investieren? Nur mit dieser Entschiedenheit macht ein Gelöbnis Sinn. Wir haben heute am „Tag der Herzlichkeit“ wieder unzählige Beispiele von echtem Herzens-Engagement vor den Vorhang geholt. Herzlichkeit ist Ausdruck für ein grundsätzliches Wohlwollen in jeder alltäglichen Begegnung – und auch dafür braucht es eine innere Bereitschaft, eine Entschlossenheit. Ja, ein Gelöbnis.

Herzlichkeit steht für ein unaufdringliches, aber interessiertes Aufeinander-Zugehen, aktives Zuhören und miteinander geduldig im Gespräch zu sein. Zur Herzlichkeit gehört heute auch eine Sorgfalt, wie wir uns im weiten Kommunikationsfeld des digitalen Netzes verhalten. Eine „digitale Herzensbildung“ ist gefragt, nicht nur eine technische Fertigkeit, um noch schneller, auffälliger und effektiver im Netz zu agieren. „Mehr Herz ins Netz“ hieß die erste Staffel einer wichtigen Veranstaltungsreihe vom Haus der Begegnung in Innsbruck. Hate-Speech, Cyber-Mobbing und vieles mehr, was sich als Unkultur im Netz etabliert hat, darf doch nicht das letzte Wort haben. Es braucht ein kollektives Versprechen, ein Gelöbnis, mehr Menschlichkeit und Sicherheit ins Netz zu bringen – mehr Herz!

Was heute feierlich geloben? 

Mir scheint, dass die Zeit für eine neue Entschlossenheit gekommen ist. Ich nenne drei Bereiche:
Um der Katastrophe zigtausend fehlender Pflegekräfte jetzt schon entgegen zu wirken, sollten wir unbedingt geloben: Ernsthaftigkeit im Dranbleiben an den zu lösenden Aufgaben, Offenheit für das Entwickeln neuer Ausbildungsmodelle, Ausdauer beim Verhandeln realistischer Rahmenbedingungen, Barmherzigkeit in der Gestaltung der Arbeits- und Betreuungsbeziehungen – und trotz aller Überhitzung der Debatten ein wohlwollendes gemeinsames Ringen um gute Lösungen. Einverstanden – wir geloben? Freigespielt vom Kleinkrieg parteilicher Interessen? 

Ebenso ernsthaft ist die ökologische Großbaustelle: Wie viele Felsblöcke müssen denn abstürzen, wie viele Flüsse austrocknen und Gletscher abschmelzen? Wie viele verheerendere Hurrikans und Waldbrände muss es denn noch geben, die ganze Regionen bedrohen und verwüsten, bis wir aufwachen? Jetzt schon unzählige Millionen Hungernde und Flüchtende aufgrund der fortschreitenden Klimakatastrophe. Sollten wir uns nicht längst schon ohne Ausreden an dieses Thema „kleben“ – damit die Aktivisten es auf der Straße nicht mehr tun müssen? Ein radikaler Wandel im Lebensstil, wesentlich mehr Sorgsamkeit im Umgang mit Lebensmitteln, das Mobilitätsverhalten verändern – all das ist nicht aufschiebbar. Können wir es geloben?

Und bräuchten wir nicht längst ein ernsthaftes Gelöbnis, um der Radikalisierung im politischen Diskurs Vernunft, Respekt und Wertschätzung für alle Menschen entgegenzuhalten? Es kann doch nicht sein, dass sich immer selbstverständlicher die je größere Unverschämtheit durchsetzt, wenn es um ein pauschales Verächtlichmachen von Asylsuchenden geht, wenn Stimmung gemacht wird, wer unseren Wohlstand, unsere Heimat, Identität und unsere soziale Sicherheit bedroht? Ein Herz-Versprechen für eine Politik, die sich für Integration, Lebensschutz und größtmögliche Partizipation aller Mitglieder unserer Gesellschaft einsetzt? Geloben wir?

Es ist Zeit, unser Herz-Jesu-Gelöbnis zu erneuern – und in dieses feierliche Versprechen alles hineinzulegen, was es heute an neuer Entschiedenheit für das Gute braucht. Wir leben aus der Quelle von Gottes Herzensenergie, mit der wir unsere Versprechen auch halten können.

Die Predigt von Bischof Hermann Glettler im Wortlaut 

Fotos von der Gelöbnisfeier 

Gelöbnisgottesdienst zum Herz Jesu-Fest in der Jesuitenkirche Innsbruck. Foto: Land Tirol/Sidon