Ansätze zur Stärkung von Religion und Kirche in der Gesellschaft

Die gesellschaftspolitische Wirksamkeit von Religion und Kirche schwindet. Der bekannte Wiener Religionssoziologe und Pastoraltheologe Paul M. Zulehner ist dennoch überzeugt, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen wieder wachsen kann. Das betonte ...

Die gesellschaftspolitische Wirksamkeit von Religion und Kirche schwindet. Der bekannte Wiener Religionssoziologe und Pastoraltheologe Paul M. Zulehner ist dennoch überzeugt, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen wieder wachsen kann

Zulehner war Hauptreferent auf dem Herbstsymposium, das traditionell zum Auftakt des Schuljahres in der Diözese Innsbruck stattfindet. Es stand heuer unter dem Thema „Zukunftsbiotop Religion – die gesellschaftspolitische Relevanz des Religionsunterrichts und der pastoralen Arbeit“. Rund 200 Religionslehrerinnen und –lehrer und MitarbeiterInnen in der Seelsorge nahmen heute, 10. September, am Symposium im Haus der Begegnung in Innsbruck teil. Hauptveranstalter war das Institut für Religionspädagogische Bildung der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Edith Stein.

Bischof dankt und ermuntert 

Zum Auftakt der Tagung dankte Innsbrucks Diözesanbischof Manfred Scheuer den Religionslehrerinnen und –lehrern und MitarbeiterInnen in der Seelsorge und ermunterte sie in ihrem Bemühen. Ihr Einsatz sei notwendig, auch und gerade weil christlicher Glaube und Kirche an Einfluss verloren hätten. Viele Menschen seien der Meinung, dass die Gesellschaft auch ohne Religion funktioniere, der Kirche werde verstärkt gesellschaftspolitische Kompetenz abgesprochen. Die Kirche könne in dieser Situation vielleicht eine "kreative Minderheit" sein.

Vernützlichung „tödlich“ für Religion 

Nachdrücklich plädierte Zulehner, alles daran zu setzen, die „Vernützlichung“ von Religion insgesamt, speziell aber jene der christlichen Religion im überwiegenden Teil der Gesellschaft aufzubrechen. Diese Vernützlichung mache die Religion lediglich zu einem Instrument für Moral und Ethik oder zu einem Instrument zur Erreichung politischer Ziele. Das aber sei für Religion letztlich „tödlich“.

Das verhüllte Woher und Wohin enthüllen 

Es gelte, so Zulehner, im genauen Hinschauen auf das gegenwärtige Leben und die Nöte der Menschen und auf die gesellschaftlichen Zustände ein Umdenken einzuleiten. In Religion und Kirche habe in erster Linie die Frage nach Gott als dem Woher und Wohin des Menschen und der Welt im Mittelpunktzu stehen. „Mission“ der Kirche sei es, dieses „verhüllte Woher und Wohin“ zu „enthüllen“ und Gott als die „Liebe“ schlechthin aufzuzeigen, wie sie in Jesus Christus sichtbar geworden sei. Und es gelte klar zu machen, dass diese Liebe die Liebe des Menschen zu allen, wirklich allen Mitmenschen erfordere. „Moralisierendes religiöses Reden“ sei in diesem Zusammenhang mehr hinderlich als förderlich.

Warnung vor Illusionen 

Zulehner warnte davor, sich im Wahrnehmen dieser zentralen Aufgabe der Kirche Illusionen zu machen. Die Zahl der „Alltagspragmatiker“ nehme zu. Sie klammerten die Frage nach Gott aus ihrem Leben aus und gäben sich zufrieden, wenn in ihrem Leben „Liebe und Arbeit funktionieren“. Ebenso gebe es viele „Kulturchristen“ und verstärkt einen „aggressiven Atheismus“. Parallel sei aber auch bei vielen Menschen ein spiritueller Hunger festzustellen.

Kirche „Asyl“ für „angstgetriebe Menschen“ 

Um die gesellschaftliche Relevanz von Glaube und Kirche zu stärken, sei es notwendig, in erster Linie auf „glaubwürdiges Tun“ zu setzen, betonte Zulehner. Er ortet in der Gesellschaft viel „Dunkles“, z. B. Gier, Gewalt, Lüge, und ebenso viel „Angst“. Beides behindere den Weg zum „Heil des Menschen“. Es sei daher notwendig, neu zu entdecken, dass im christlichen Glauben eine große „Kraft des Heilens“, eine „therapeutische Kraft“ steckt. Die Kirche solle ein „Asyl für angstgetriebene Menschen sein“. Wenn mit der Angst der Menschen Politik gemacht wird, gelte esfür die Kirche, sich diesem Treiben deutlich entgegen zu stellen.

Plädoyer für Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit und Solidarität 

Als wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe der Kirche nannte Zulehner auch das verstärkte Bemühen, die Menschen für Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit und Solidarität zu sensibilisieren und sie zugleich zu ermutigen, ihre Freiheit zu nützen. Die Zahl jener, die ihre Freiheit als Last empfinden und sie zugunsten von Sicherheit und Geborgenheit „wieder los werden wollen“, nehme speziell bei jungen Menschen erschreckend zu.

Zulehner plädierte Zulehner für „Aufwertung der Feier der Eucharistie“ im kirchlichen Leben. In ihr komme zentral die Erlösung durch Jesus Christus zum Ausdruck: Gewalt wandle sich in Liebe, der Tod in Leben. Und das nicht nur für den einzelnen Menschen, sondern für alle Menschen und die ganze Schöpfung.

Auszüge aus dem Vortrag von Prof. Zulehner auf Video 

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