50 Jahre, ein Versprechen

Caritas startet zum 50. Mal Spendenaktion gegen den Hunger

„Bei einem kurzen Zwischenaufenthalt in Innsbruck übergab der Tiroler Caritasdirektor dem sehr sympathischen Bischof der westafrikanischen Diözese Ouahigouya als bescheidenes Zeichen christlicher Solidarität und als Souvenir von Tirol einen Scheck im Wert von S 17.000. Dr. Fill erklärte dem freudig überraschten afrikanischen Bischof, diese Soforthilfe sei ein Versprechen weiterer Hilfe.“ (Titelseite Kirchenblatt für Tirol, August 1973)

Dieses Versprechen hat die Caritas mit Hilfe der Tiroler Spenderinnen und Spender gehalten, und zwar über 50 Jahre. „Wir sehen uns nach wie vor in der Verantwortung, gegen den Hunger in der Welt zu kämpfen“, so die jetzige Caritas-Direktorin Elisabeth Rathgeb anknüpfend an das beherzte Engagement ihrer Vorgänger.

 

Beginn der Caritas-Auslandshilfe unter Sepp Fill 

Sepp Fill war Anfang der 70er Jahre der Pionier der Auslandshilfe der Caritas in Tirol und Österreich. Auslöser war die Dürrekatastrophe im Sahel-Gebiet. Dem Aufruf des Papstes folgend, initiierte die Caritas Tirol unter Fill eine Kirchensammlung am 15. August und bat Zeitungen, einen Zahlschein beizulegen. Die Spendeneinnahmen waren mit ca. 3,6 Millionen Schilling unerwartet hoch. Ziel der Aktion war der konzentrierte Einsatz der Mittel, um wirksame und leicht überprüfbare Hilfe zu leisten. Neben dem Kauf von Lebensmitteln wie Hirse und Milchpulver sowie der Finanzierung von Geflügel-, Ziegen- und Schafzuchtfarmen floss das Geld vor allem auch in den Bau von Brunnen. Im August 1974 wurde der erste Brunnen in Senegal fertiggestellt und erhielt den Namen „Wattens“, benannt nach einem großzügigen Spender aus dem Kristallort. 

„Dass so eine langjährige und intensive Zusammenarbeit daraus entsteht, hätten wohl die wenigsten vermutet“, blickt Rathgeb stolz auf rund 15,6 Millionen €, die seitdem für die Tiroler Caritas-Projekte in Afrika im Rahmen der Sommersammlung gespendet wurden, und mehrere hundert gebaute Brunnen. Für diese großartige und ausdauernde Unterstützung dankt Rathgeb den Tirolerinnen und Tirolern von Herzen.

 

Wenn plötzlich die Ernte ausfällt. Und die danach.  

Werde ich in den nächsten Tagen zu essen haben? Woher bekomme ich Lebensmittel für meine Familie? Wie kann ich verhindern, dass meine Kinder hungern müssen? Diese Gedanken sind für Millionen von Menschen auch heute bittere Realität. 828 Millionen Menschen, also jede*r Zehnte leidet weltweit an Hunger. Im Jahr 2023 ist die Zahl der Hungernden so hoch wie nie zuvor. Voraussichtlich 345 Millionen Menschen werden von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen sein - mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2020.

„Österreichs Entwicklungshilfeleistungen lagen 2022 bei 0,39 % des Bruttonationaleinkommens. Das ist zwar ein begrüßenswertes Plus gegenüber 2021, aber das im Regierungsprogramm verankerte Ziel von 0,7 % bleibt weiterhin verfehlt. Und auch bei der Unterstützung von Maßnahmen zur Klimawandel-Anpassung bleiben die Zahlungen der internationalen Gemeinschaft weit hinter den versprochenen Mitteln zurück. Hier braucht es dringend Nachbesserungsbedarf“, fordert Rathgeb. Denn: „Der Hunger steigt wieder dramatisch und das hat mehrere Gründe: die Nachwirkungen der Pandemie, die Preissteigerungen und Lieferprobleme durch den Ukraine-Krieg sowie regionale, gewaltvolle Konflikte. Doch allen voran gibt es einen Treiber, der die weltweite Hungersnot verschärft: die Klimakrise und die Umweltkatastrophen, die sie mit sich bringt. Die Klimakrise trifft uns alle. Auch in Österreich spüren wir die Hitze und extreme Wetterereignisse. Im globalen Süden sind die Auswirkungen aber schon viel dramatischer.“

In Mali und Burkina Faso, den afrikanischen Partnerländern der Caritas Tirol, lebt der Großteil der Bevölkerung von der Landwirtschaft. Hier ist das Anbauen von Getreide, Gemüse und Obst ohnehin schwierig, weil es immer wieder lange Dürreperioden gibt. Durch die Klimakrise werden diese nun länger und der Regen seltener. Die Felder vertrocknen. Die Ernte fällt aus. Die Böden werden unfruchtbar. Lebensmittelpreise explodieren. Die ohnehin geringen Wasserreserven werden aufgebraucht. Nutztiere sterben.

 

Unser Beitrag kann Leben retten. Und Hoffnung schenken. 

„Eine globale Gerechtigkeit wird es vermutlich niemals geben. Dennoch dürfen wir dieses Ziel nicht aus den Augen verlieren. Gleichgültigkeit darf keine Alternative sein. Mit einem ehrlichen und herzhaften Engagement für mehr Ernährungssicherheit lassen sich auch die weltweiten Fluchtströme verlangsamen.“ Mit diesen Worten appelliert Bischof Hermann Glettler zu gemeinsamen Lösungen in der globalen Armutsbekämpfung als auch in der Klima- und Migrationsfrage. „Not ist ein verheerender Nährboden für Gewalt und Ausbeutung“, zeigt sich der Innsbrucker Bischof besorgt. Das betrifft lebensgefährliche Fluchtwege ebenso wie das Söldnerwesen, Waffen- und Menschenhandel. Und er ist überzeugt: „Dem grauenvollen Schicksal und dem Geschäft mit der Not von Geflüchteten können wir nur mit einem Einsatz für mehr globale Gerechtigkeit entgegentreten. Und dazu ist jede noch so kleine Hilfe ein wichtiger Beitrag, um Leben zu retten.“

Seinen Dank richtete Bischof Glettler an all jene, die sich für die Sicherung und Schaffung von Existenzgrundlagen in den ärmsten Ländern der Welt wie Mali und Burkina Faso einsetzen und an alle, die dieses Engagement in den vergangenen 50 Jahren mit ihren großzügigen Spenden ermöglicht haben und bis heute ermöglichen. Auch den Medien, die die Sommersammlung in den vergangenen 5 Jahrzehnten stets wohlwollend mitgetragen haben, dankt Bischof Hermann Glettler und bittet weiterhin alle Tirolerinnen und Tiroler um Unterstützung. Die kirchlichen Hilfsprojekte in Afrika leisten konkrete Überlebenshilfe, fördern ganzheitliche Bildung und den Aufbau nachhaltiger Erwerbsmöglichkeiten. „Nur gemeinsam können wir auch in Zukunft denen, die sonst keine Stimme haben, Gehör und Hoffnung schenken. Gemeinsam können wir Leben retten!“ Österreichweit werden auch heuer wieder am Freitag, den 28. Juli, um 15 Uhr die Kirchenglocken 5 Minuten lang läuten, um den Schrei der Hungernden zu verstärken. In den Pfarren wird am 14./15. August für die Menschen in Mali und Burkina Faso gesammelt. Weiters lädt Bischof Hermann Glettler zum „Konzert für Afrika“ der Militärmusik Tirol am Abend des 7. Juli auf den Domplatz ein.

 

So hilft die Caritas. Mit Ihrer Hilfe seit 50 Jahren! 

Lebensgrundlagen vor Ort schaffen – das ist das Ziel der langfristigen Entwicklungszusammenarbeit gemeinsam mit den erfahrenen Partnern vor Ort. „Die Lage ist dramatisch, aber nicht hoffnungslos. Aus unseren Projekten wissen wir: Es gibt Wege, um Menschen jetzt vor dem Hunger zu bewahren“, so Sylvie Schumann-Cormier, Projektreferentin in der Caritas-Tirol-Auslandshilfe und gerade erst zurück von einem Besuch in Burkina Faso.

Die angespannte politische Lage und die prekäre Sicherheitslage verschärfen die Situation zusehends, aber: „Ich konnte mich in den vergangenen zwei Wochen selbst davon überzeugen, dass sowohl die Überweisung der Unterstützungsgelder als auch die Projektarbeit derzeit dank der zuverlässigen und engagierten Mitarbeiter*innen vor Ort funktioniert. Die Caritas Burkina Faso ist als Nicht-Regierungsorganisation relativ unabhängig von staatlichen Strukturen und Machtverhältnissen. Gerade jetzt ist unsere Arbeit für die Zivilbevölkerung von enormer Wichtigkeit.“

Die Caritas Tirol engagiert sich mit den lokalen Partner*innen in Mali und Burkina Faso unter anderem, aber nicht nur in der Nothilfe, im Bereich der Wasser- und Ernährungssicherheit, baut Brunnen, unterhält Ernährungszentren für Mütter und unterernährte Kinder und unterstützt Landwirt*innen mit Gerät, Saatgut und Beratung durch lokale Landwirtschaftsexpert*innen. In speziellen Programmen für Kinder werden sportliche Aktivitäten geboten, der Zugang zu Schulbildung gesichert, auf die Überwindung von Traumata gesetzt und Verpflegung und Unterkünfte bereitgestellt. Vor allem auch die Autonomie und Sicherheit von Frauen und Mädchen ist der Caritas Tirol ein Anliegen.

 

Wasser ist Leben – Ein Beispiel 

Im Südosten von Mali sind die Böden vom jahrelangen, einseitigen Baumwollanbau ausgelaugt. Durch Projekte der Caritas konnten gezielte Gegenmaßnahmen zur Regeneration des Bodens umgesetzt werden. Der Bau von Brunnen zur Bewässerung sowie die Errichtung von Zäunen, um weidende Tiere fernzuhalten, geben der Bevölkerung neue Perspektiven. Tomaten, Gurken und anderes Gemüse wird angebaut. „Seit Wasser dauerhaft verfügbar ist, kann ich das ganze Jahr über mehr Salat produzieren und verkaufen und so mein Einkommen verbessern. Von diesem Einkommen kaufte ich zwei Ziegen und fünf Hühner. Ein Teil der Produktion wird während der gesamten Saison für die Ernährung unserer Familie verwendet. Die neuen Rahmenbedingungen haben es mir ermöglicht, mein Einkommen zu stabilisieren“, so Hawa Diakité aus Saint Isidore, Kayes.

Aktuell werden zwei Brunnen in der Region Kayes in Mali mit finanzieller Unterstützung der Caritas-Spender*innen aus Tirol geplant. Ein Name muss erst noch gefunden werden.

Weitere Informationen: www.caritas-tirol.at/hunger
Zahlen & Fakten 

  • 828 Millionen Menschen, also jede*r Zehnte, leidet an chronischem Hunger.
  • 345 Millionen Menschen sind von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen, doppelt so viele wie im Jahr 2020.
  • Rund zwei Milliarden Menschen weltweit haben keinen regelmäßigen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Alle 10 Sekunden stirbt ein Kind an den Folgen von Durst und Hunger.
  • Der direkte Wasserverbrauch pro Kopf und Tag liegt in Österreich bei ca. 130 Liter. Im Westsahel müssen die Menschen mit nur 15 Liter täglich auskommen.
  • Die CO2-Emission pro Person und Jahr liegen in Burkina Faso und Mali bei ca. 0,2 t, in Österreich bei über 7 t.
  • Seit 1973 ist die Caritas Tirol in Mali und Burkina Faso aktiv.
  • Mehrere hundert Brunnen, die Hunderttausenden Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser ermöglichen, wurden seither errichtet. Rund 15,6 Millionen € an Spenden sind seither im Rahmen der Sommersammlung eingegangen.
  • Mit 1.347.700 Euro unterstützten wir im letzten Jahr Projekte in Westafrika – ein großer Teil konnte aus Spendenmitteln der Tirolerinnen und Tiroler finanziert werden.
  • Je nach geologischen Umständen kostet der Bau eines Trinkwasserbrunnens zwischen 10.000 und 13.000 €.

 

Spendenbeispiele 

  • Mit 10 Euro stellen Sie Aufbaunahrung für ein unterernährtes Baby oder Vitamine für eine Schwangere zur Verfügung.
  • Für 15 Euro schenken Sie Bäuerinnen in Mali 10 Setzlinge für Moringa-Bäume und unterstützen damit deren Ernährungssicherheit.
  • Mit 40 Euro kann sich eine Familie in Burkina Faso einen Monat lang mit Lebensmitteln versorgen.
  • Mit 100 Euro können fünf Familien ein Jahr lang mit Trinkwasser versorgt werden.

 

Onlinespenden unter: www.caritas-tirol.at/online-spenden

 

Bildbeschriftungen: 

Foto 1
Bildunterschrift: Caritasdirektor Sepp Fill übergibt 1973 am Bahnhof Innsbruck einen ersten Scheck an Bischof Denis Tapsoba aus Obervolta (heute Burkina Faso) und begründet damit die Caritas Auslandshilfe in Tirol.
©Archivaufnahme_Caritas Tirol 

Foto 2
Bildunterschrift: Die Anfänge eines langjähirgen Austauschs: Sepp Fill mit Bischof Denis Tapsoba aus Obervolta (heute Burkina Faso) 1975.
©Archivaufnahme_Caritas Tirol 

Foto 3
Bildunterschrift: v.l.n.r.: Caritas-Direktorin Elisabeth Rathgeb begeht gemeinsam mit Caritas-Projektreferentin Sylvie Schumann-Cormier, Bischof Hermann Glettler und der Leiterin der Caritas-Auslandshilfe Julia Stabentheiner den Auftakt zur „Hungerkampagne 2023“.
©Caritas Tirol 

Foto 4
Bildunterschrift: David Kassogue von der Caritas Segou in Mali vor einem neu gebauten Brunnen.
©Caritas Tirol/John Kalapo 

Foto 5
Bildunterschrift: Djènèba Coulibaly, Mahira Diallo, Fatoumata Sow und Mama Bah holen Wasser am neuen Brunnen.
©Caritas Tirol/John Kalapo 

Foto 6
Bildunterschrift: Oumou Cissé sitzt im Hof vor ihrem Haus und bereitet Essen zu.
©Caritas Tirol/John Kalapo 

Caritasdirektor Sepp Fill übergab 1973 den ersten Scheck an Bischof Denis Tapsoba aus Obervolta. Foto: Archivaufnahme_Caritas Tirol