20 Jahre Welttag der Suizidprävention: Zuhören hilft!

Tiroler Sozialeinrichtungen ziehen an einem Strang – Bischof Hermann Glettler und Univ. Prof. Christian Haring fördern Hilfsangebote.

Vor 20 Jahren haben die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Association for Suicide Prevention (IASP) erstmals den 10. September als Welt-Suizid-Präventionstag ausgerufen, um die Öffentlichkeit auf die weitgehend verdrängte Problematik der Suizidalität aufmerksam zu machen. Jährlich finden an diesem Tag weltweit Veranstaltungen statt, die vorwiegend von Organisationen aus dem Gesundheitsbereich, der Suizidprävention und Seelsorge organisiert werden. In Tirol sind unter anderem der Psychosoziale Krisendienst, die Telefonseelsorge und die Klinikseelsorge häufig mit dieser Thematik konfrontiert. Zuhören hilft!

 

Bischof Glettler: Tragik von Suizid verlangt nach verstärktem Netz von Aufmerksamkeit 

Suizid ist eine der häufigsten und am meisten tabuisierten Todesursachen weltweit. Mehr als doppelt so viele Menschen sterben österreichweit durch Selbsttötung als durch einen Verkehrsunfall. „Ein Suizid ist immer Ausdruck großer Verzweiflung. Auch in den Hinterbliebenen löst er Gefühle der Ohnmacht und des Versagens aus. Fragen und Wunden, die ein Leben lang bleiben“, erklärt Bischof Hermann Glettler zum Welttag der Suizidprävention.

Die Suizidprävention stehe wegen der Fülle belastender Krisen und den Spätfolgen der Pandemie vor neuen Herausforderungen. Besondere Anstrengung erfordert weiterhin der gemeinsame Kampf gegen die zunehmende Einsamkeit. Bischof Glettler verweist auch auf die Entwicklungen nach der Straffreistellung des assistierten Suizids. „Die Tragik der Selbsttötung verlangt in jedem Fall nach einem verstärkten Netz von Aufmerksamkeit und Hilfestellungen. Solidarische Verbundenheit ist gefragt.“ Am Welttag der Suizidprävention wird all jener Menschen gedacht, die durch Suizid verstorben sind. Zusätzlich sollen aber auch Hoffnungszeichen für jene gesetzt werden, die direkt oder indirekt davon betroffen sind. Der Innsbrucker Diözesanbischof verweist auf bestehende Hilfs-, Unterstützungs- und Beratungsangebote für Menschen in existenziellen Krisen, aber auch für sich sorgende und trauernde Angehörige, die jederzeit anonym in Anspruch genommen werden können.

 

Univ.-Prof. Haring: Enorme Erleichterung, wenn jemand zuhört 

Menschen in Krisen und in psychischen Ausnahmesituationen brauchen rasche Hilfe. „Angst und Verzweiflung stürzt viele Menschen in eine suizidale Krise. Wir wissen aber, dass es für suizidale Menschen eine enorme Erleichterung ist, über ihr Problem sprechen zu können. Wenn das Problem erkannt ist, gibt es eine Reihe von erfolgreichen Methoden, um die Krise zu überwinden und um in weiterer Folge zum Beispiel Depressionen oder Psychosen zu behandeln“, erklärt Univ. Prof. Christian Haring, Mitinitiator des Psychosoziale Krisendienst Tirol (PKT).

 

Telefonseelsorge und Klinikseelsorge: Zeit nehmen mit offenen Ohren und Herzen 

Seit 45 Jahren ist die Telefonseelsorge Innsbruck mit der Notrufnummer 142 Anlaufstelle für Menschen in seelischen Krisen. Rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr und seit 10 Jahren auch online per Mail und Chat. „Vor allem nachts kommen oftmals Anrufe von Menschen herein, die sich mit Suizidgedanken tragen“, so Astrid Höpperger, Leiterin der Telefonseelsorge Innsbruck. „Auffallend ist auch, dass in unserer Chatberatung das Thema Suizid häufig zur Sprache kommt“, so Höpperger.

Suizid erfolgt dann, wenn der seelische Schmerz zu groß ist und hat das Ziel, dem Schmerz ein Ende zu bereiten. Was hilft? Schmerzlinderung hilft, und diese ist durch persönliche Zuwendung möglich. Zuhören, das Problem erzählen lassen, die Suizidgedanken und – Absichten aussprechen lassen – nicht wertend und mit Empathie und Respekt.

Auch die Krankenhausseelsorge begegnet Suizidgedanken von Patientinnen und Patienten, von Angehörigen und Mitarbeitenden in allen Einsatzbereichen mit großer Offenheit und Sensibilität. Die Begleitung und das Da-und Mit-sein von Menschen in Krisensituationen, unabhängig ihrer ethnischen, kulturellen oder religiösen Zugehörigkeit, ist ein Hauptaufgabenbereich der Seelsorgenden in den Krankenhäusern. Von Jahr zu Jahr mehr wird gerade auch dieser Beitrag im interprofessionellen Zusammenarbeiten gewünscht und angefragt.

Ein Gespräch, eine Mail- oder Chatberatung kann eine „moralische Aufrichtung“ bewirken. Das geschieht dadurch, dass zunächst einmal einfach alle Emotionen – Sorge, Angst, Hoffnungslosigkeit – Platz haben können. Es geht nicht um eine Lösung aller Probleme, sondern darum, wieder den Blick zu weiten. Gerade dafür nimmt sich die Seelsorge mit offenen Ohren und Herzen Zeit.

 

Telefonseelsorge 

Telefonseelsorge 142 (ohne Vorwahl aus ganz Tirol)

Mail – und Chatberatung über www.telefonseelsorge.at

Für weitere Informationen steht zur Verfügung:

Mag. Astrid Höpperger, Leiterin der Telefonseelsorge Innsbruck

Mobil: 067687304550

 

Klinikseelsorge 

Wenn Sie in der Klinik und in den Krankenhäusern mit einer Seelsorgerin, mit einem Seelsorger sprechen möchten, teilen Sie es bitte dem Stationspersonal mit.
Ihr Wunsch wird an die Seelsorgenden weitergeleitet.
Für Informationen steht zur Verfügung:
MMaga. Drin. Hildegard Anegg, Leitung Kranken- und Notfallseelsorge der Diözese Innsbruck    

Hildegard.Anegg@tirol-kliniken.at 

 

Psychosozialer Krisendienst Tirol: Für Anrufer:innen wichtig, dass ihnen jemand zuhört 

Seit Oktober 2020 ist der PKT unter der Telefonnummer 0800 400 120 eine schnell erreichbare Anlaufstelle für Personen in akuten Krisen und psychischen Ausnahmesituationen. Im vergangenen Jahr verzeichnete der PKT über 4000 Anrufe.  „Bei jedem zehnten Anruf, der bei uns eingeht, werden Suizidabsichten oder Suizidgedanken geäußert. Für die Anrufer:innen ist es wichtig, dass in einer für sie ausweglos erscheinenden Situation jemand zuhört. Sie können gegenüber unseren Mitarbeiter:nnen ohne Angst über das sonst ‚Unaussprechliche‘ reden“, berichtet Manfred Deiser, Koordinator des PKT.

Der tägliche Telefondienst des PKT von 08:00 – 20:00 Uhr ist in Tirol eine wichtige erste Anlaufstelle für Betroffene und Angehörige. „Im Bedarfsfall bietet der PKT auch mobile und ambulante Krisenintervention an, um Personen zu stabilisieren, damit sie wieder Boden unter den Füßen bekommen“, sagt Leo Alber, einer der beiden Leiter des PKT.

Am 10. Septemebr ist Welttag der Suizidprävention. Bildnachweis: pixabay