Missionsärztliche Schwestern: 100 Jahre im Dienste der Menschlichkeit
Die Ordensgemeinschaft, gegründet 1925 von der aus Steeg stammenden Ärztin und Ordensfrau Anna Dengel, blickt auf ein Jahrhundert medizinischen, sozialen und spirituellen Engagements weltweit zurück. In diesen Tagen wurde das Wirken der Ordensgründerin in besonderer Weise gewürdigt – mit Pilgertagen, persönlichen Begegnungen, gemeinsamen Gebeten und einem intensiven Austausch über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Ordens. Der Leitgedanke, der über der Jubiläumswoche stand, lautete „Mit dem Erbe von Anna Dengel auf dem Weg in eine gemeinsame Zukunft“.
Festveranstaltung als Höhepunkt
Die Feierlichkeiten am Samstag, dem 10. Mai, begannen um 14.00 Uhr mit einer feierlichen Eucharistiefeier in der Pfarrkirche, zelebriert von Pfarrer Otto Walch und Dekan Franz Neuner. Zu der Feier waren neben der Pfarrgemeinde auch Ordensfrauen aus der ganzen Welt gekommen, darunter Schwestern aus Pakistan, Indien, Südamerika und Afrika. Der Gottesdienst stand ganz im Zeichen des Lebenswerkes von Anna Dengel und der Dankbarkeit für 100 Jahre Wachstum und Leben, angetrieben durch die Liebe. Die Vision einer medizinischen Versorgung für alle, besonders für Frauen und Kinder in benachteiligten Regionen, ist bis heute richtungsweisend.
Anschließend lud die Gemeinde Steeg in den Gemeindesaal, wo bei Kaffee und Kuchen ein ebenso informatives wie herzliches Programm geboten wurde. „Wir sind stolz, dass Anna Dengel eine Steegerin ist“, versicherte der Steeger Bürgermeister Günther Walch zu Beginn der Veranstaltung und hieß die Ordensfrauen herzlich in seiner Gemeinde willkommen. Es folgten zahlreiche Grußworte und kurze Statements, die die Vielfalt und weltweite Verbundenheit der Gemeinschaft sichtbar machten.
Agnes Lanfermann, Koordinatorin der internationalen Gemeinschaft, würdigte das globale Wirken der Missionsärztlichen Schwestern und betonte, was Anna Dengel seinerzeit motivierte, unbeirrbar ihren Weg zu gehen: „Sie war Feuer und Flamme, als sie Gott in den Leidenden entdeckte.“
Weitere bewegende Worte kamen von Reinhard Heiserer, Vertreter der Initiative „Freunde Anna Dengel“, der sich für die Bekanntmachung des Lebens und der Werte Dengels engagiert. Er begegnete den Missionsärztlichen Schwestern 2007 während einer Projektreise in Ghana – ein Erlebnis, das ihn nachhaltig prägte. Angetan vom Einsatz der Ordensfrauen und inspiriert von der gemeinsamen Herkunft mit Ordensgründerin Anna Dengel aus dem Tiroler Außerfern, rief er 2012 den gleichnamigen Verein ins Leben, der das Vermächtnis der bedeutenden Tirolerin stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken möchte.
Auch Schwester Ilsemarie Weiffen, die Ordensreferentin der Diözese Innsbruck, richtete Grußworte an die Anwesenden und würdigte die Ordensgründerin: „Anna Dengel war eine Pionierin, die Unmögliches möglich gemacht hat“ und: „Ich bin davon überzeugt, dass man das nur mit einer tief verwurzelten Gottesbeziehung schaffen kann.“
Das Feuer ihrer Mission brennt weiter
Ein besonderer Moment war die Präsentation eines Films über das Leben und Wirken Anna Dengels von Filmemacher Christof Wolf SJ, der eindrucksvoll das mutige, visionäre und tief spirituelle Leben dieser außergewöhnlichen Frau nachzeichnete.
Die Jubiläumsfeier war geprägt von tiefer Dankbarkeit, lebendiger Erinnerung und gemeinsamer Hoffnung. Im Sinne Anna Dengels wurde spürbar: Das Feuer ihrer Mission brennt weiter – in den Herzen all jener, die sich weltweit für eine gerechtere, gesündere und menschlichere Welt einsetzen.
Erfahrungsaustausch mit Bischof Hermann
Bereits am vergangenen Dienstag war Bischof Hermann Glettler nach Steeg gekommen, um sich mit den Ordensfrauen zu treffen, die aus aller Welt ins Tiroler Außerfern gereist waren. Bei dem intensiven Erfahrungsaustausch mit dem Tiroler Diözesanbischof berichteten die Schwestern eindrucksvoll von ihrer Arbeit in Konfliktzonen, ihrem Einsatz für Menschenrechte und ihrem Leben unter schwierigen politischen Verhältnissen. Ein zentrales Thema war die Zusammenarbeit mit den nichtchristlichen Religionen. Stellvertretend berichteten die Vertreterinnen aus Pakistan und Indien, die eng mit Muslimen, Hindus und anderen Glaubensgemeinschaften arbeiten, dass ihr Leben und Arbeiten permanent durch den Blasphemie- und verdeckten Missionierungsvorwurf belastet ist.
In seiner Predigt beim gemeinsamen Gottesdienst betonte der Bischof die bedeutende Rolle der Schwestern als lebendige Zeuginnen der Hoffnung: „An den vielen Orten, wo ihr vor allem mit weiblicher Armut, medizinischer Unterversorgung und diversen Unrechtssituationen konfrontiert seid, begegnet ihr der bedrängenden Hoffnungslosigkeit mit eurem solidarischen Dasein. Davon ausgehend wirkt ihr in beeindruckender Weise für die körperliche Gesundheit und ein ganzheitliches Heilwerden der Menschen.“
Bischof Glettler wies wertschätzend auch auf die multikulturelle Zusammensetzung der Missionsärztlichen Schwestern hin: „Ihr gebt uns das Zeugnis einer globalen Geschwisterlichkeit, die gerade angesichts der aggressiver werdenden Nationalismen und diverser Ideologien von unschätzbarem Wert ist.“
Wie alles begann
„Ich war Feuer und Flamme, eine Missionarin zu sein, mit einem festen Ziel vor Augen. Ich war entschlossen, Missionsärztin zu werden und etwas zu tun, das nur Frauen für notleidende Frauen tun können.“ Getragen von dieser Vision, gründete die Tiroler Ärztin Anna Dengel vor exakt 100 Jahren die Gemeinschaft der Missionsärztlichen Schwestern, die Medical Mission Sisters.
„Mutter Anna Dengel“ kümmerte sich in fernen Ländern um die Ärmsten der Armen. Die ausgebildete Ärztin setzte sich für den Bau von Spitälern und Geburtsstationen ein und bildete Hebammen aus.
Späte Anerkennung durch die Kirche
Die Kirche sah diese Aktivitäten zunächst gar nicht gerne, da es Ordensfrauen damals untersagt war, ärztlich tätig zu werden. Doch Anna Dengel setzte sich schlussendlich durch, 1936 wurde das Verbot aufgehoben und ihr Orden anerkannt. Inzwischen ist der Orden der Missionsärztlichen Schwestern in fast allen Kontinenten vertreten und setzt sich sowohl für Frauen und Kinder in armen Ländern als auch für Menschen am Rande der Gesellschaft ein. Am 17. April 1980 verstarb die couragierte Ordensgründerin in Rom, doch ihr Erbe lebt bis heute weiter.
Großes Erbe mit globaler Wirkung
„Die Arbeit, die Anna Dengel und ihre Schwestern in Indien vollbrachten, ist das größte Geschenk an dieses Land. Denn bis zu ihrer Zeit haben sich Ordensfrauen niemals auf rein medizinische Aufgabengebiete konzentriert“, streute Mutter Teresa der österreichischen Ärztin, Ordensfrau und Missionarin Rosen. Doch die medizinische Versorgung war nur ein Teil ihres Wirkens. Anna Dengel sah in der Heilung des Körpers immer auch einen Weg, den Menschen Gottes Liebe und Mitgefühl näherzubringen.
Dieser Ansatz spiegelt sich auch in der Entwicklung der von ihr gegründeten Ordensgemeinschaft wider: Während die Ordensfrauen bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil primär einen medizinischen Ansatz verfolgten, erweiterte sich ihr Wirkungsbereich zusehends. Heute arbeiten die rund 500 Schwestern und 100 assoziierten Mitglieder nicht nur als Ärztinnen, Psychotherapeutinnen und Sozialarbeiterinnen, sondern engagieren sich auch in der Seelsorge für Obdachlose, Migrant:innen und Arme.
„Seid optimistisch, egal was kommt. Wir brauchen nicht ängstlich zu sein, wir sind in Gottes Hand.“ Getragen von diesem Zitat ihrer Ordensgründerin, gehen die Missionsärztlichen Schwestern voller Zuversicht in das zweite Jahrhundert ihres Bestehens.
