Versöhnung nach einer zerbrochenen Beziehung (Alfred Natterer)

Der Standesbeamte meiner Heimatgemeinde meinte bei unserer Hochzeit im Mai 1992: „Nur der Tod und das Gesetz kann Ihre Ehe trennen, aber was kann Ihnen schon passieren, sie sind ja beide Theologen.“ Im April 2016 war es dann soweit: der Staat hat unsere Ehe geschieden.

Mich persönlich hat die Trennungsphase sehr demütig gemacht. Die Erkenntnis: es ist nicht alles machbar, vieles ist Gnade. Für viele war die Trennung zunächst auch nicht nachvollziehbar, die meisten sahen in uns geradezu ein Idealbild einer christlich orientierten Familie. Beide sind wir Theologen mit einer psychotherapeutischen Ausbildung und „Fachleute“ für Paarkommunikation, wir hatten gemeinsam gebetet, Zeit füreinander und zugleich Raum für persönliche Entwicklung gelassen. Die Kinder (16 und 19) sind prächtige Menschen, wir waren beide in der Erziehungsverantwortung. Und trotzdem war da etwas, das einen weiteren gemeinsamen Weg verhinderte. Ein „garstig tiefer Graben“, der trotz wechselseitig größten Bemühen nicht überwunden wurde, bis dann Monika 2014 sagte, sie müsse mich und die Familie verlassen. Beides würde ihr Leben abschneiden. Und mich anflehte: „Bitte lass mich frei.“

Mittlerweile sind wir nach langem Ringen geschieden. Und in diesem Ringen geht es um mehr als um faire Aufteilung des wenigen Hab und Gutes und der weiteren auch finanziellen Verantwortung für die Kinder – obwohl das auch sehr wichtig ist. Nein, in diesen Auseinandersetzungen leben Subthemen: Wie viel habe ich schon emotional eingezahlt, was steht mir nun endlich zu, wo musste ich mich immer wieder zurückstellen, wie wird endlich Verantwortung übernommen…

Was positiv ist: wir können uns heute in die Augen schauen, nehmen die Verantwortung wahr für die Kinder, die seit der Trennung bei mir leben, wir besprechen gemeinsam kinderbezogene Themen und können uns an ihren Entwicklungen freuen - sei es bei Gesangsabenden am Konservatorium oder beim Maturaball.

Der Weg der Versöhnung 

Versöhnung ist ein langer Prozess und betrifft vieles: die eigenen Enttäuschungen, die Schmerzen und Ungerechtigkeiten, die sich natürlich ergeben, das Gefühl der aus dem Lot geratenen Balance, der Boden, der unter den Füßen weggezogen wurde… -

Mir hat geholfen, dass wir uns Zeit ließen: geredet und gestritten haben, versucht haben, einander zuzuhören und zu verstehen. Das ging mal besser, mal weniger gut. Mit all den Themen, die in den Gesprächen zu Tage kamen in Bewegung zu kommen und nicht sitzen zu bleiben. Ich ging endlos viel spazieren. Mal allein, mal mit Freunden. Was ich meist tat: ich hab halt in einer Kapelle gemacht. Immer mit ähnlichen Gedanken: Wie du willst, soll es geschehen. Herr, lass mich den richtigen Weg finden zwischen Fordern und Lassen. Gib mir Vertrauen in die Zukunft.

Später, direkt nach der Scheidung haben wir ja fast etwas Paradoxes gemacht. Wir waren gemeinsam in der Krypta des Domes und haben inne gehalten für eine kurze Andacht: Mit Dank für das, was gut war, mit der Bitte um Verzeihung für die Schmerzen, die wir uns zugefügt haben und mit der Bitte nach Segen für einen guten Weg von jedem von uns und die Kinder. Dazu haben wir dann Kerzen angezündet und uns gegenseitig gesegnet.

Der Schmerz war deshalb nicht einfach verschwunden, aber es war mir leichter ums Herz.