Von Juba bis Innsbruck: Weltmissionssonntag verbindet

Am Sonntag ist Weltmissionssonntag – Abbé Alexis Ndindabahizi aus Ruanda besucht Tirol aus diesem Anlass.

Am kommenden Sonntag, 19. Oktober, begehen katholische Pfarren weltweit den Weltmissionssonntag – die größte Solidaritätsaktion der katholischen Kirche. In Österreich ruft Missio zur Unterstützung der ärmsten Diözesen auf, heuer mit besonderem Fokus auf den Südsudan. Dort leiden Millionen Menschen unter Hunger, Vertreibung und fehlender Bildung. Die Spenden fließen unter anderem in Projekte für unterernährte Kinder und Geflüchtete in der Hauptstadt Juba.

 

Auch Tirol erhält in diesen Tagen besonderen Besuch: Abbé Alexis Ndindabahizi aus Rwanda ist auf Einladung von Missio Österreich zu Gast. Der 1982 geborene Priester wurde 2011 geweiht und durch eine Priesterpatenschaft von Missio unterstützt. Nach Studien in Belgien kehrte er nach Rwanda zurück, wo er heute das Kleine Priesterseminar Jean Paul II leitet und als Seelsorger im Flüchtlingslager Kigeme wirkt – einem Camp mit rund 26.000 Geflüchteten, darunter viele Kinder und Jugendliche. Am Freitag traf Abbé Alexis Bischof Hermann Glettler zu einem persönlichen Austausch.

 

Begleitet wird der Weltmissionssonntag von der beliebten Jugendaktion: In vielen Pfarren werden Schokopralinen und Chips verkauft, deren Erlös direkt den Hilfsprojekten zugutekommt. Auch Gebetsinitiativen und Informationsmaterialien sollen das Bewusstsein für die weltweite Verantwortung der Kirche stärken.

 

Weitere Informationen und Spendenmöglichkeit: www.missio.at/wms 

Von Juba bis Innsbruck: Weltmissionssonntag verbindet
Abbé Alexis Ndindabahizi besuchte am Freitag Bischof Hermann Glettler. Foto: Hausmann/dibk.at

Interview Abbé Alexis Ndindabahizi

1. Abbé Alexis, Sie wurden durch eine Priesterpatenschaft von Missio-Österreich unterstützt. Was bedeutet es für Sie, nun als Gast in Tirol zu sein?

Zunächst möchte ich mich für die Unterstützung meiner priesterlichen Ausbildung durch eine Priesterpatenschaft von Missio Österreich bedanken.

Die Priesterausbildung ist kostspielig, und unsere Diözesen können nicht alle Kosten übernehmen, die für die Ausbildung der zukünftigen Priester erforderlich sind. Ein gut ausgebildeter Priester ist ein Seelsorger für die ganze Kirche.

Die Einladung nach Tirol ist ein sichtbares Zeichen dafür, wie Missio Österreich die Spenden der Wohltäter verwendet. Einen durch eine Patenschaft unterstützten Priester zu sehen, ist eine Motivation für die Christen in Tirol, die mit ihren Mitteln weiterhin zum Werke der Evangelisierung der Weltkirche beitragen.

Ich komme auch, um allen Priesterpaten hier in Tirol für ihre Bemühungen und für andere Werke der Solidarität und des Gebets für die Weltkirche zu danken.

 

2. Sie sind Rektor eines Priesterseminars und begleiten junge Menschen auf ihrem Weg. Welche Herausforderungen sehen Sie heute für die Berufungspastoral – in Ruanda und weltweit? 

In Ruanda haben wir eine große Zahl von Berufungen unter jungen Menschen. Die große Herausforderung besteht jedoch darin, dass es an einer angemessenen Ausbildung mangelt, um auf die Bedürfnisse der Menschen in der heutigen Welt angemessen reagieren zu können.

In den Ausbildungsstätten gibt es die Tradition, denselben Ausbildungsstil wie vor vielen Jahren fortzuführen: In der heutigen Welt braucht es Hirten, die für die Bedürfnisse der Menschen von heute sensibel sind. Deshalb braucht es auch gut ausgebildete und erfahrene Ausbilder, die ihrer Aufgabe gewachsen sind.

Eine weitere Herausforderung ist der Mangel an der notwendigen Infrastruktur und Ausstattung aufgrund der knappen Mittel der Diözesen und Familien. In unserem kleinen Seminar St. Johannes Paul II. in Gikongoro haben wir beispielsweise 389 Priesterstudenten, die alle im Haus wohnen, aber nur 200 von ihnen können die Schulgebühren von 100 Euro pro Trimester aufbringen, die für den Betrieb des Seminars notwendig sind. Deshalb appellieren wir an Wohltäter in Ruanda und anderen Ländern, all diese jungen Priesterstudenten aus armen Familien zu unterstützen.

 

3. Als Flüchtlingsseelsorger im Camp Kigeme betreuen Sie über 26.000 Menschen. Was können wir in Tirol von Ihrer Arbeit mit Geflüchteten lernen – besonders im Blick auf Offenheit und Solidarität? 

Zu den schlimmsten Schicksalsschlägen, die einem im Leben widerfahren können, gehört es, Flüchtling zu werden. Man verlässt sein Land, verliert alles, was man hatte, und wird von allen sozialen Beziehungen abgeschnitten. In dieser Situation ist man auf

die Gastfreundschaft einer anderen Gesellschaft angewiesen, die sich um eine gute Integration bemüht. Als Seelsorger im Flüchtlingslager habe ich mit Freude die Offenheit und Solidarität erlebt, die die lokale Bevölkerung den Flüchtlingen entgegengebracht hat. Dies zeigte sich in Gebetsaktivitäten, Kooperativen, Schulen für Jugendliche und sogar im sozialen Leben. So haben wir beispielsweise eine Nähwerkstatt und einen Friseursalon eröffnet, in denen junge Flüchtlinge und junge Einheimische mit Freude und großem Erfolg zusammenarbeiten.

Diese Erfahrungen könnten die Tiroler Bevölkerung dazu inspirieren, Migranten, die vor Bedrohungen in ihren Ländern fliehen, um eine bessere Zukunft für sich und ihre Familien zu suchen, herzlich willkommen zu heißen. Man muss damit beginnen, den Jugendlichen zuzuhören und sie zu integrieren, die tolle Ideen haben und sich ihren Mitmenschen gegenüber offen zeigen.

 

4. Ihre Doktorarbeit widmet sich der Rolle der Familie in schwierigen Lebenssituationen. Welche Impulse kann die Kirche geben, um Familien in Krisen zu stärken – auch hier in Europa? 

Seit langem hat die Kirche den Familien in ihrer Seelsorge einen sehr wichtigen Platz eingeräumt. Das Bestreben war jedoch, eine ideale Familie zu schaffen, die es im konkreten Leben nicht gibt, woraus sich ein verurteilender Blick auf Familien in irregulären Situationen entwickelte. Die Kirche in Europa wie auch überall auf der Welt ist aufgerufen, alle Familien ohne Unterschied auf ihrem Weg des Wachstums mit Barmherzigkeit und festem Vertrauen in das Wirken der göttlichen Gnade zu begleiten. Aus meiner Erfahrung als Seelsorger weiß ich, dass ich mich nicht wie ein Richter über Familien in einer „“Zöllnerkirche““ verhalten darf, die nur nach einer einzigen Norm urteilt, sondern dass ich das Leiden von Familien in Krisensituationen verstehen muss. Ihnen gegenüber geben wir Zeugnis vom Bild einer „Kirche als Werkzeug” der Gnade, die innerhalb der weiten Grenzen des menschlichen Lebens wirkt, um das erreichbare Gute zu verwirklichen.

 

5. Der Weltmissionssonntag steht für weltweite Verbundenheit im Glauben. Wie erleben Sie diese Gemeinschaft konkret – zwischen Ruanda und Tirol, zwischen Ihrer Heimat und der Kirche hier? 

Der Weltmissionssonntag erinnert uns daran, dass wir eine einzige Kirche bilden, die dazu berufen ist, Solidarität zu bezeugen. Da die Gemeinden weltweit nicht über die gleichen Mittel und Bedürfnisse verfügen, vereinen wir uns im Gebet und sammeln nach unseren Möglichkeiten Spenden, um die Missionsarbeit der Kirche überall auf der Welt zu unterstützen. In meinem Land, Ruanda, feiern wir derzeit das 125-jährige Jubiläum des Christentums in Ruanda. Dies ist ein guter Zeitpunkt, um all die Wohltaten zu betrachten, die wir von anderen Kirchen in der Welt, darunter auch der Kirche in Tirol, erfahren haben. Dies wird uns helfen, unsere Gläubigen dafür zu sensibilisieren, dass sie mit ihren Gebeten und ihren materiellen Mitteln dazu beitragen, die verschiedenen Bedürfnisse der Weltkirche in ihrer Mission der Evangelisierung zu unterstützen.

 

6. Ihr priesterliches Motto lautet „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit!“ – Wie gelingt es Ihnen, diese Freude auch in schwierigen Situationen weiterzugeben? 

Mein Primizspruch „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit!“ (Philipper 4,4) spiegelt meine Motivation wider, Priester zu werden. Als Kind hatte ich schon immer ein Herz für die Armen und Niedrigen. Als ich einmal im Alter von 12 Jahren mit meiner Mutter in der Messe war, hörte ich das Evangelium, in dem Jesus sagte, dass er gekommen sei, um den Armen die frohe Botschaft zu bringen. Da ich viele Arme sah, die in die Pfarrei kamen, um die Priester um etwas zum Leben zu bitten, verspürte ich in mir den Wunsch, ebenfalls Priester zu werden, um diesen Armen zu helfen und ihnen wieder Freude zu schenken. Auf meinem Weg zum Priestertum begegnete ich vielen Gesichtern, die Not widerspiegelten. Durch diese Gesichter wurde mir schnell klar, dass es meine Aufgabe als Priester ist, auf diese Menschen zuzugehen, ihnen zuzuhören und ihnen zu helfen, ihr Leben zu verbessern. Nach meiner Priesterweihe im Jahr 2011 wurde ich zum diözesanen Jugendseelsorger ernannt und 2012 auch zum Seelsorger des Flüchtlingslagers, in dem mehr als 50 % der Bewohner junge Menschen sind, die in Armut leben, nachdem sie durch den Krieg alles verloren haben. Seit 2024 bin ich Rektor des Kleinen Seminars St. Johannes Paul II., wo die Mehrheit der Schüler aus armen Familien stammt. Mit all diesen Erfahrungen habe ich als Seelsorger erkannt, dass die Nähe zu diesen Jugendlichen trotz ihrer schwierigen Situation eine Quelle großer Freude ist. Armut ist nicht nur materieller Natur, sondern hat viele Formen. Wir sind aufgefordert, Brücken zu bauen, die uns einander näherbringen, damit wir die wenigen Mittel, die wir haben, miteinander teilen können, anstatt Mauern zu errichten, die uns voneinander trennen.

 

7. Was wünschen Sie sich von den Christinnen und Christen in Tirol – im Blick auf die weltkirchliche Verantwortung und die Unterstützung von Projekten wie Ihrem? 

Der Weltmissionssonntag ist ein wichtiger Moment, um allen Christen weltweit, einschließlich denen in Tirol, den Blick für eine große Solidarität zu öffnen. Diese Solidarität fordert uns zu einer großen Verantwortung in der Mission auf, die Freude des Evangeliums in der ganzen Welt zu verkünden und sie zu bezeugen. Die Christen in Tirol werden durch ihr Gebet und ihre materiellen Mittel zu den verschiedenen Bedürfnissen und Projekten der Weltkirche beitragen. In diesem Sinne konnte unser kleines Seminar St. Johannes Paul II. in Gikongoro dank der Spenden der Wohltäter von Missio Österreich 2017 seine Türen öffnen. Und wir hoffen, dass die Christen in Tirol weiterhin großzügig die Arbeit von Missio Österreich unterstützen , um die verschiedenen Nöte der Weltkirche zu lindern.

Interview Abbé Alexis Ndindabahizi

Abbé Alexis Ndindabahizi mit Kindern im Flüchtlingscamp - Foto: Jean Luc Habimana

Interview Abbé Alexis Ndindabahizi

Foto: Jean Luc Habimana