Auf den Spuren der Märtyrer nach Rom
Freitagmittag: Voller Vorfreude – und auch ein wenig aufgeregt – treffen sich die über zwanzig äußerst unterschiedliche Menschen am Innsbrucker Bahnhof. Jugendliche, Priesterseminaristen, kirchliche Mitarbeitende, Priester und Leitungsverantwortliche bis hin zu Bischof Hermann Glettler. Sie eint ein Ziel. Sie wollen der Heiligsprechung von P. Engelbert Kolland am Weltmissionssonntag, 20. Oktober 2024, persönlich am Petersplatz beiwohnen. Der Franziskaner aus dem Zillertal wurde bei einem Massaker gegen Christen am 10. Juli 1860 in Damaskus umgebracht. Bewusst ist ihre Fahrt aber nicht als Reise, sondern als Pilgerfahrt geplant. Eine Fahrt, auf der sie sich nicht nur gegenseitig, sondern im besten Fall auch selbst neu kennenlernen werden.
Engelbert Kolland, wurde am 21. September 1827 in Ramsau am Ziller, mit dem Namen Michael geboren. Seine Familie waren Geheimprotestanten. Er besuchte dennoch das erzbischöfliche Gymnasium Rupertinum in Salzburg. 1847 trat er in den Franziskanerorden eintrat. Hier erhielt er den Ordensnamen Engelbert. Nach seiner Priesterweihe 1851 studierte Kolland mehrere Jahre in Bozen, wo er auch Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und Arabisch lernte. Im Jahr 1855 kam er als Missionar ins Heilige Land und bald darauf nach Damaskus. Er unterrichtete, trat als Streitschlichter auf und galt als Helfer der Armen, Kranken und Sterbenden. Aufgrund seiner Hilfsbereitschaft erhielt er den Beinamen "Abuna Malak" (Vater Engel)
Nach langer Zugfahrt mit Umstieg in Verona kommt die schon etwas müde werdende Gruppe in einem verregneten Rom an. Ein Hupkonzert empfängt sie – die normale Geräuschkulisse in der ewigen Stadt. Noch am späten Abend marschiert ein großer Teil der Gruppe durch den Regen auf den Petersplatz und sieht sich dort ein erstes Mal um. Es sollte bei weitem nicht zum letzten Mal sein.

Schon am frühen Samstagmorgen ist dieser zentrale Platz für die katholische Kirche erneut das Ziel der Gruppe. Überlebensgroße Banner, die die Heiligzusprechenden zeigen, sind an der Fassade des Petersdoms zu sehen. Die Gruppe der Märtyrer von Damaskus, zu der P. Engelbert gehörte, zwei Ordensgründerinnen und ein Ordensgründer.
Im Zuge von Ausschreitungen gegen Christen, bei denen in wenigen Tagen etwa 8.000 Christen ermordet wurden, wurde in der Nacht auf den 10. Juli 1860 auch das Paulus-Kloster in Damaskus überfallen. Mit Engelbert Kolland erlitten damals sieben andere Franziskaner aus Spanien, die mit ihm im Kloster lebten, sowie drei Gläubige der Maronitenkirche das Martyrium, die nun gemeinsam heiliggesprochen werden. Bereits 1926 sprach Papst Pius XI. Kolland selig. Er ist zweiter Patron der Franziskaner-Provinz Austria und Südtirol und wird in der Volksfrömmigkeit schon bisher als Fürbitter in Angelegenheiten wie Nerven-, Hals-, Ohren- und Augenleiden sowie auch bei Gerichtsangelegenheiten und Schulprüfungen angerufen.
Den Petersdom aufzusuchen, braucht entweder ähnliche Geduld, wie sie der Taxifahrer am Vortag aufbrachte, wenn es darum ging, die Hand von der Hupe zu lösen – schon um 8 Uhr ist die Schlange der Touristen ausgesprochen lang – oder überzeugende Argumente, dass man den Dom nicht als Besucher, sondern als Pilger aufsuchen will. Als sich neben Bischof Hermann und dem Neupriester Johannes sich auch noch der Kalpuziner Br. Erich dafür stark machen, darf die Innsbrucker Gruppe den schnelleren Weg nehmen. Und selbstverständlich wurde dann auch wirklich in der wohl wichtigsten Kirche der Welt gebetet. Die soliden Informationen, die Bischof Hermann über den Dom beisteuert, dienten rein zur richtigen Einordnung und sind in keinster Weise eine Führung!
Der Petersdom bleibt nicht das einzige Grab von Märtyrern, das an diesem Tag besucht wird. Es geht weiter in die Calixtus-Katakombe. An eine bereits eindrucksvolle Führung – unter anderem durch die Krypta der Päpste und das Grab der Hl. Cäcilia – schließt ein gemeinsamer Gottesdienst für die Pilgergruppe in einer der vielen weiteren Krypten. Die erste von drei Eucharistiefeiern in drei Tagen – ein Triduum zu Ehren der Heiligsprechung gewissermaßen.
Nach dem Essen in der Nähe des Colosseums führt Generalvikar Roland die Gruppe durch die ewige Stadt. Am Ende des Tages sollen die Schrittzähler teilweise mehr als 21 Kilometer – die Halbmarathondistanz – erreichen.
Nach einem typisch römischen Abendessen geht es wohin? Natürlich auf den Petersplatz! Zu Ehren der Heiligsprechung findet hier eine Rosenkranzprozession statt. Gemeinsam ziehen tausende Betende mit Kerzen dreimal rund um den großen Obelisken. Von diesem heißt es, dass in ihm ein Stück des Kreuzes Christi eingearbeitet sein soll. Ein beeindruckender Vorgang am Vorabend.


Für eine öffentliche Papstmesse heißt es früh aufstehen. Denn die Warteschlangen werden schnell so lange, dass man Gefahr läuft, nicht rechtzeitig auf den abgesperrten Petersplatz zu kommen. Und es heißt zusammenbleiben. Kein leichtes Unterfangen für die Gruppenleiterinnen und Mitarbeitenden des Landes Tirol, etwa 300 Menschen aus Tirol gemeinsam bis zu den Schleusen zu bringen. Aber nur so kommen alle zu den bereits vorreservierten Plätzen. Dafür spielt an diesem Sonntag zumindest das Wetter mit.
Nach über drei Stunden des Wartens – immer wieder werden religiöse Lieder und Musikstücke eingespielt – geht dann ein Raunen durch die Menge. Unter tosendem Applaus und begeisterten Rufen wird der Heilige Vater im Rollstuhl gebracht. Die offizielle Tiroler Vertretung hat den wohl besten Platz des Tages zugewiesen bekommen: Näher als Landesrat Geisler sitzt wohl kein Laie zum Papst. Er durfte bereits vor dem Gottesdienst einige Worte mit Franziskus wechseln. Bischof Hermanns Platz ist bei den mitzelebrierenden Bischöfen.
Der Gottesdienst beginnt. Recht bald kommen die Heiligsprechungen. Ein fast schon unauffälliger Ritus, wenn man die großen Erlebnisse des Vortags betrachtet. Vereinfacht gesagt, stellt Papst Franziskus in kurzen Worten fest, dass diese vorgetragenen Menschen Heilige sind. Und damit sind sie es ab sofort - wieder brandet Applaus auf.
Nach der Eucharistiefeier treffen sich die Tirolerinnen und Tiroler noch an einem Sammelort für ein Foto, bevor sie alle zu einem gemeinsamen Mittagessen aufbrechen. Vom hohen Klerus, über die vor allem Zillertaler Verwandschaft des Heiligen bis zu den einzelnen Pilgernden genießen sie die römische Küche. Dass damit ein anstrengender Tag enden könnte, das gibt es für die Pilgergruppe nicht. Nochmals besichtigen sie mit Generalvikar Roland wichtige Orte Roms. Darunter die Tiberinsel mit San Bartolomeo all’Isola - DIE Zentralkirche für die Märtyrer der Neuzeit. Wieder soll es eine späte Rückkehr ins Pilgerquartier werden.


Eine dritte Messfeier soll am Montag das Triduum vervollständigen. Es ist eine Dankmesse in der Papstbasilika Santa Maria Maggiore. Gemeinsam mit Erzbischof Franz Lackner, Bischof Hermann Glettler und Weihbischof Hansjörg Hofer feiert ein Großteil der 300 Personen, die aus Tirol angereist sind, den Abschluss ihrer Pilgerreise. Der Innsbrucker Bischof würdigt den heiligen Engelbert Kolland in seiner Predigt als “eine Lichtfigur für eine unerschrockene Glaubenstreue und gelebte Gewaltfreiheit".
Zur Mittagszeit beginnt dann die abenteuerliche gemeinsame Rückfahrt der Pilgergruppe – mehrere Zugverspätungen und ein Schaden an der Lokomotive inklusive. Dennoch: So bleibt nochmal Zeit, sich über all das in den vergangenen Tagen erlebte auszutauschen. Die “Holy Kollands” – so nannten sie ihre gemeinsame WhatsApp-Gruppe – blicken zurück auf einen neuen, wichtigen Punkt in ihrem Leben. Eine Station, die sie nun alle miteinander teilen. Was sie daraus machen, dafür sind sie nun aber alle wieder selbst verantwortlich.

