Bischof Hermann gegen "populistische Abschiebedebatten"
Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler kritisiert die Diskussion um eine umgehende Rückkehr syrischer Flüchtlinge nach dem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad. "Mich stört der übertriebene Eifer, die syrischen Flüchtlinge nun auf der Stelle loswerden zu wollen. Treiben wir damit nicht genau jene, die bei uns zu Recht Asyl und Schutz bekommen haben, erneut in lebensgefährliche Situationen?", fragte Glettler in seiner Dreikönigs-Predigt am Montag.
Auch nach dem Sturz der verbrecherischen Assad-Herrschaft liege die Infrastruktur des Landes danieder, erinnerte der Bischof, der selbst 2018 Homs und Aleppo besucht hatte. Die Sicherheitslage sei brüchig und konkrete Lebensperspektiven kaum vorhanden - "geschweige denn gibt es Arbeitsmöglichkeiten, ausreichend Schulen und medizinische Versorgung".
Statt "populistischer Abschiebedebatten" bräuchte es von Österreich und der internationalen Gemeinschaft viel mehr Hilfe zum Wiederaufbau und zur Stabilisierung Syriens, forderte Glettler. Dann würden die Syrerinnen und Syrer "gerne und freiwillig in ihr Land zurückkehren".
Eine Meldung von www.kathpress.at
Eine Karawane der Hoffnung
Einleitung: Wir sind im Heiligen Jahr 2025 mit der Weltkirche aufgebrochen zu einer „Pilgerschaft der Hoffnung“. Heute hören wir von Pilgern aus dem Osten – Weise, Gelehrte, die uns als Könige dargestellt werden – auf der Suche nach dem neugeborenen König. Ich habe den Eindruck, dass wir an dieser orientalischen Karawane sehen können, was Pilgerschaft im geistlichen Sinn bedeutet: Aufbruch, Ankommen und Zurückkehren. Eigentlich vertraute Schritte, aber dennoch – alles andere als selbstverständlich. Die biblische Erzählung ist außerdem keine idyllische Story: Es geht um Unsicherheit, Fehleinschätzungen, Verrat und Täuschung, Angst um Machtverlust, enorme Strapazen und alle Herausforderungen, die eine menschliche Karawane mit sich bringt. Gehen wir die wesentlichen Schritte mit!
1. Aufbruch – in bunter Gesellschaft
Es gibt immer Gründe, in der eigenen Komfortzone zu verweilen. Die Weisen sind aufgebrochen. Sie hatten genügend Energie im Herzen, Hoffnung und Sehnsucht, um sich auf eine mühsame Reise zu begeben. Wir wissen nicht, wer sich in ihrer Karawane befand. Vermutlich war es eine bunte Schar – später wurden daraus Vertreter aller bekannten Erdteile. So ähnlich wie die Nachbarschaft heute im Olympischen Dorf in Innsbruck. Menschen unterschiedlichster sozialer Milieus, Herkunftskulturen und Religion, stark Belastete und Gutsituierte nebeneinander. Und mittendrin leben einige, die zur Kirche gehören. Eine Weggemeinschaft – in einer Buntheit, die wir uns nicht ausgesucht haben. An uns liegt es, Ja zu dieser Karawane zu sagen. Wir sind gemeinsam unterwegs! Die Weisen waren auch nicht zu stolz, um Auskunft zu bitten. Sie waren unsicher, hatten eine Gewissheit im Herzen und wurden zugleich von Zweifeln begleitet. Sie haben nicht aufgegeben, obwohl sie mindestens einmal falsch abgebogen sind.
Beispielhaft möchte ich von einer „Karawane der Jugend“ erzählen, von der ich im Februar 2019 bei einer Projektreise nach Burkina Faso erfuhr. Das westafrikanische Land, zu dem wir mit unserer Caritas seit über 45 Jahren Kontakte haben, zählt zu den ärmsten der Welt. Ca. 75 % der Bevölkerung sind muslimisch, ungefähr 15% christlich, der Rest gehört animistischen Religionen an. Muslimische und christliche Jugendvertreter machen sich jährlich im Sommer als „Karawane der Jugend“ zwei Wochen lang auf den Weg – mit einem Bus von Dorf zu Dorf. Wenn sie in ein Dorf kommen, gibt es Begrüßungszeremonien, Reden, Theaterstücke, Gebete und Diskussionen zu aktuellen Themen. Nach einer Zeit für persönliche Begegnungen findet Abends jeweils ein großes Fest statt, bei dem alle mitwirken. Spätestens bei dieser „Dorfparty“ wird allen Beteiligten klar, dass ein Miteinander möglich ist – eine echte Weggemeinschaft in Vielfalt!
2. Ankommen – und Jesus entdecken
Die eindeutige Mitte der Epiphanie-Erzählung ist das Ankommen im Haus (!) – es nicht die Rede vom Stall oder einer Höhle. Wichtig: Menschen aus der Fremde können ankommen, heimkommen – nach all dem, was sie an Enttäuschungen erlebt haben. Im Haus Gottes kann jeder Mensch ankommen. Und die Weisen sahen den ersehnten Heilsbringer. Ganz anders war sein „Erscheinen“ im Vergleich mit den irdischen Heilsbringern – klein, verletzlich, auf Zuwendung angewiesen. Aber seine Gegenwart ist Licht. Die Pilger begegnen ihm – im Jesus-Kind dem lebendigen Gott. Dass die Herrschaften niederknien, huldigen und sofort ihre Geschenke auspacken, ist ein starkes Zeichen. Wovor Menschen niederknien, ist genau das, worauf sie ihre Hoffnung setzen. Ein eindeutiges Bekenntnis. Jesus, Grund unserer Hoffnung. Im Heiligen Jahr müssen wir dieses Niederknien vor Jesus wieder lernen – und damit seine Art, Menschen zu empfangen, Vergebung zu schenken und aufzurichten. Gott so nahe – Quelle von Licht und Versöhnung für alle, die in der Karawane mitziehen. Einfach zum Niederknien!
Auch in unseren Tagen gibt es diese Erfahrung: In Frankreich wurden 2024 zu Ostern 7135 Erwachsene getauft. Hinzu kamen über 5000 Jugendliche aus Oberstufenschulen, was die Gesamtzahl der österlichen Täuflinge auf über 12.000 erhöht hat. Ein Drittel davon machten die 18- bis 25-Jährigen aus, überwiegend Studierende. Diese Zahlen lassen staunen – und können auch durch ähnliche Trends in anderen Ländern bestätigt werden. Es sind nicht ausschließlich Asylwerber, die sich für den christlichen Glauben entscheiden. Mindestens die Hälfte der 2024 ca. 300 in Österreich im Erwachsenenalter Getauften waren österreichische Staatsbürger. Ich schlage deshalb vor, im Heiligen Jahr 2025 noch bewusster Erwachsene zur Taufe und Firmung einzuladen. Die Zahl derer, die sich nach einer verlässlichen Hoffnung sehnen, ist viel größer als wir denken. Christus berührt die Herzen der Menschen. Gehen wir ihnen entgegen!
3. Zurückkehren – mit neuer Erfahrung
Nach der herrlichen Begegnung mit dem „heruntergekommenen Gott“ kehren die Weisen nach Hause zurück. Sie tun dies „anders“, auf einem anderen Weg – vermutlich wird damit umschrieben, dass „ihr Herz geweitet wurde und von strahlender Geistkraft erfüllt war“, wie es im Text des Jesaja heißt. Ja, „Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen, denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen“ (Röm 5,5). Die Weisen waren fähig, sich sogar im Traum von Gott führen zu lassen – und fähig, die List des Bösen zu durchschauen. Zumindest sind sie dem Herodes nicht ein zweites Mal auf den Leim gegangen. Der Weg zurück in den Alltag ist so wichtig wie der Aufbruch. Mit dem Auto geht es meist zu schnell, zurück von einem besonderen, heiligen Ort. Es braucht Zeit, damit das Licht Gottes in den Tiefenschichten des Herzens ankommen kann. Und ebenso Geduld – inmitten der solidarischen „Karawane der Hoffnung“.
Aber nicht alle können nach Hause zurückkehren. Seit meiner Reise nach Homs und Aleppo im Jahr 2018 weiß ich ein wenig über das Ausmaß der Zerstörung in Syrien Bescheid. Auch nach dem Sturz der verbrecherischen Assad-Herrschaft liegt die Infrastruktur des Landes danieder, die Sicherheitslage ist brüchig und konkrete Lebensperspektiven kaum vorhanden. Geschweige denn gibt es Arbeitsmöglichkeiten, ausreichend Schulen und medizinische Versorgung. Mich stört der übertriebene Eifer, die syrischen Flüchtlinge nun auf der Stelle loswerden zu wollen. Treiben wir damit nicht genau jene, die bei uns zu Recht Asyl und Schutz bekommen haben, erneut in lebensgefährliche Situationen? Es gibt auch hier einen „anderen Weg“: Anstelle populistischer Abschiebedebatten bräuchte es von Österreich und der internationalen Gemeinschaft viel mehr Hilfe zum Wiederaufbau und zur Stabilisierung Syriens. Dann werden die Syrerinnen und Syrer gerne und freiwillig in ihr Land zurückkehren. Mit guter Erfahrung.
Abschluss: Die Weggeschichte der Weisen aus dem Morgenland ist eine heilige Erzählung, keine romantische Story. Es geht um Aufbruch aus der Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit – und es geht um ernsthafte Schritte des Vertrauens. Mit Gott sind wir unterwegs – inmitten der vielen bunten Karawanen unserer Zeit. Jesus ist unsere Mitte, Freude und Hoffnungskraft. Ihn von Neuem zu entdecken, wünsche ich mir für das Heilige Jahr 2025. Und mit ihm verbunden können wir viele solidarische Karawanen bilden.