Synodalität: "Niemand diktiert von oben oder unten"
Der Salzburger Erzbischof Franz Lackner hat bei einer Predigt in Rom eine prägnante Definition des Grundprinzips von Synodalität vorgelegt. Diese sei "ein wunderbares Zusammenspiel von oben und unten" mit einer bestimmten Eigenart: "Niemand diktiert von oben und von unten auch nicht", erklärte der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz laut Meldung des Online-Portals "Vatican News" am Sonntag in der Kirche Santa Maria dell'Anima der deutschsprachigen katholischen "Pfarrgemeinde" in Rom.
Lackner, der an der vierwöchigen Synode über Synodalität im Vatikan teilnimmt, zog eine Parallele zur Entwicklung des Glaubens in säkularisierten westlichen Gesellschaften und griff zu einem Bild aus der Botanik. Er habe gelernt, dass Bäume nicht nur von der Wurzel her leben, sondern auch vom sogenannten Terminaltrieb, der in die Höhe wächst. Die Wurzeln und das Streben nach oben, "dieses himmlisch-irdische Zusammenspiel ist das Grundprinzip des Lebens und des Glaubens", sagte der Erzbischof. "Was vom Himmel kommt, möchte von der Erde wachsen. Und das ist auch das Grundprinzip von Synodalität."
In den Debatten über gemeinsame kirchliche Entscheidungsprozesse von Geweihten und Laien habe sich eine Unterscheidung zwischen "decision making" und "decision taking" herauskristallisiert, sagte Lackner in der Predigt , wie das vatikanische Nachrichtenportal berichtete. Es gehe darum, Entscheidungen zunächst vorzubereiten und so die Basis dafür zu schaffen, dass "Entscheidungen auch getroffen werden können von den zuständigen Verantwortlichen". Im Glaubensleben "Entscheidungen wachsen" und nicht einfach so getroffen werden, so der Bischofskonferenz-Vorsitzende.
Im Gespräch mit Radio Vatikan hatte der Erzbischof vor wenigen Tagen von einem offenen Ausgang der Weltsynode gesprochen. Die Brechungen des Themas Synodalität in der Kirchenversammlung sind nach Lackners Angaben vielfältig bis konfus. "Ich glaube, die Gestalt, die diese Synode irgendwann in der kirchlichen Form annehmen wird, zeichnet sich noch nicht so ab. Ich glaube nicht, dass diese Synode das bis zum Ende leisten kann."
Doch im synodalen Prozess habe er das Hoffen neu gelernt, so Lackner. Bis vor kurzem hätten ihm von den drei Grundbausteinen des Christentums nur Glaube und Liebe etwas gesagt; Hoffnung habe er "nicht so gern" gehabt. "Aber jetzt, durch diese synodale Beschäftigung, habe ich die Hoffnung entdecken dürfen. Hoffnung als ein Glaube, der nicht sieht und nicht weiß. Das berührt mich."
Eine Meldung von www.kathpress.at
Bei der Weltsynode wächst der Wunsch nach konkreten Beschlüssen
"Das Vortragen theologischer Allgemeinplätze ist seltener geworden. Man kommt rascher auf den Punkt!" Mit diesen Worten fasst eine Synodenteilnehmerin den Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Vollversammlung der Weltsynode der katholischen Kirche zusammen, die seit 2. Oktober im Vatikan tagt. Aber werden die rund 320 Männer und 50 Frauen anders als im Oktober 2023 diesmal zu konkreten Beschlüssen kommen?
Die Journalistenfrage löst herzliches Lachen aus: "Natürlich werden wir das. Oder meinen Sie, wir könnten heimreisen und berichten, dass es schön war, vier Wochen miteinander gesprochen und gebetet zu haben?" Der Weg, wie es zu diesen Beschlüssen kommt und was am Ende in die "Vorschlagsliste" der Synode an den Papst aufgenommen wird, ist jedoch nicht nur für Außenstehende unübersichtlich und streckenweise rätselhaft.
Keine Debatten wie im Parlament
Medienbeobachter erfahren nur indirekt, wie die Sitzungen in der mit mehr als 30 runden Tischen zur Synodenaula umgebauten Audienzhalle im Vatikan verlaufen. Es handelt sich dabei, soviel ist sicher, nicht um Debatten wie im anglikanischen Kirchenparlament oder beim "Synodalen Weg" in Deutschland.
Bei den "Generalversammlungen" tragen fünf Redner das vor, was sie für wichtig halten, danach wird meditiert, dann geht es weiter. Manchmal gelingt durch klug abgesprochene Redeabfolgen eine thematische Fokussierung. Und dann unterstreicht die Zahl der Redebeiträge zu bestimmten Themen deren Dringlichkeit. Das gilt unter anderem für die Frage der Frauenämter in der Kirche und für den Umgang mit sexuellen Minderheiten - aber auch für das offizielle Thema der Synode, die "Beteiligung des Volkes Gottes an Entscheidungsprozessen."
Die Gespräche an den Tischen laufen anders. Zwar gelten auch hier die Regeln des respektvollen Zuhörens, doch berichten Teilnehmer von gelegentlich "sehr deutlichen" Erwiderungen. Die Tische sind nach Sprachen zusammengesetzt - wobei Deutsch inzwischen keine offizielle Konferenzsprache im Vatikan mehr ist.
Deutschsprachige im Nachteil
Das bringt für einige Teilnehmer aus dem deutschen Sprachraum, die weder Italienisch noch Spanisch sprechen können, Nachteile. Wenn sie im Plenum auf Englisch zu reden versuchen, ist es eher unwahrscheinlich, dass der wenig sprachenbegabte Papst ihnen folgen kann. Er lauscht fast nie der Simultanübersetzung und nimmt daher vermutlich nur jene Beiträge wirklich wahr, die in einer seiner Muttersprachen vorgetragen werden. Immerhin ist das Synodensekretariat polyglott aufgestellt, sodass nicht nur die in romanischen Sprachen vorgetragenen Ideen den Weg ins Abschlussdokument finden können.
Neben den Sprachen sorgen Kulturen und kirchenpolitische Neigungen für die Bildung von Blöcken. Anders als früher träten die oft konservativen Teilnehmer aus Osteuropa weniger abwehrend auf und zeigten mehr Bereitschaft, auch liberalere Meinungen stehen zu lassen, die sie vor einem Jahr noch als "häretisch" bekämpft hätten, heißt es. Auch sei der Umgang mit den in italienischen Medien als "ultraliberal" bezeichneten Deutschen unverkrampfter.
Zurückgegangen sei der Druck von "Pressure-Groups" am rechten Rand, die früher die Brieffächer der Teilnehmer mit Zettelbotschaften geflutet hätten. Und bei den Veranstaltungen am Rand der Synode dominieren diesmal klar die Reformer.
Selbstbewusste Afrikaner
Im Plenum treten, so wird berichtet, die Bischöfe aus Afrika sehr selbstbewusst auf. Sie haben mit ihrem Aufstand gegen das Homo-Segnungspapier "Fiducia supplicans" im Dezember 2023 Maßstäbe gesetzt. Selbst Synodale, die in der Sache nicht mit diesem "konservativen" Aufstand übereinstimmen, geben den Afrikanern im Verfahren recht. "Die Zeit einsamer Entscheidungen eines Glaubenspräfekten sind vorbei. Und als Kardinal Fernandez das jetzt mit seiner Ablehnung des Frauendiakonats wieder versuchte, hat die Synode ihm das nicht durchgehen lassen", fasst ein Synodenteilnehmer die Ereignisse der erste Woche rund um den "Fernandez-Bericht" zur Frauenfrage zusammen.
Für den 18. Oktober wurde daher eine neue Aussprache angesetzt. An diesem Tag sollten die eigentlich aus der Synode ausgelagerten Arbeitsgruppen zu zehn Spezialthemen (darunter heiße Eisen wie die Frauenfrage oder das Zölibat) den Synodalen Rede und Antwort stehen.
Die Geister, die Franziskus rief
Inzwischen fordern manche, dass es eine ähnliche Debatte über diese Themen auch im Juni 2025 geben müsse, wenn die Arbeitsgruppen ihre Endergebnisse vorlegen. Eigentlich müssten sie diese allein dem Papst vortragen. Doch der von Franziskus angemahnte "Mut zu mehr Synodalität auf allen Ebenen" scheint inzwischen ein Geist zu sein, den er rief und nicht mehr loswird.
"Es ist erstaunlich, dass ausgerechnet ein zu einsamen Entscheidungen neigender Papst wie Franziskus das Prinzip Mitbestimmung losgetreten hat und es nicht mehr bremsen kann", sagen Synodenteilnehmer. Ob der Papst sich damit wohlfühlt, ist nicht sicher. Es heißt, er habe im Plenum noch seltener das Wort ergriffen als im Jahr zuvor.