Mit Religion dem wachsenden Populismus widerstehen

"Pax Christi Österreich"-Präsident Palaver in Zeitschrift "Quart": Als Teil der Zivilgesellschaft könnten Religionsgemeinschaften Geschwisterlichkeit und damit die Demokratie so stärken, dass politischer Wettstreit "nicht in Feindschaft abgleitet"

Die monotheistischen Weltreligionen bergen für ihre Gläubigen das Potenzial, den wachsenden Formen des Populismus zu widerstehen. Darauf hat der Innsbrucker Sozialethiker und Präsident der katholischen Friedensbewegung "Pax Christi Österreich", Wolfgang Palaver, hingewiesen. Da im Bereich des Politischen "eine Neigung zum Freund-Feind-Denken" vorherrsche, brauche es im Bereich des "Vorpolitischen", der politischen Kultur, ein umso stärkeres Bemühen um Einheit und Zusammenhalt, schrieb Palaver in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Quart" vom Forum Kunst-Wissenschaft-Medien der Katholischen Aktion. Als Teil der Zivilgesellschaft könnten die Religionsgemeinschaften Geschwisterlichkeit und damit die Demokratie so stärken, dass politischer Wettstreit "nicht in Feindschaft abgleitet".

 

Der emeritierte Innsbrucker Theologieprofessor setzt dabei auf die spirituelle Dimension der Religionen. Diese halte Distanz zu Dogmatismus, Intoleranz und Gewalt, die oft mit Glaubensüberzeugungen einhergingen. Palaver berief sich auf den französischen Ethnologen Claude Levi-Strauss (1908-2009), demzufolge die großen und religiösen Systeme der Menschheit "den Ethnozentrismus archaischer Kulturen aufgebrochen" hätten.

 

Für das Christentum erinnerte der Theologe an die Konzilserklärung "Nostra aetate", die 1965 festhielt, "dass die Kirche nichts von alledem ablehnt, was in den anderen Religionen 'wahr und heilig' ist". Und auch in der Sure 5 des Koran sei von den vielen Wegen die Rede, die Gott den verschiedenen Religionen eröffne - laut Palaver ein Hinweis auf einen "monotheistischen Pluralismus", der religiöse Sicherheit mit Offenheit gegenüber anderen Zugängen ermögliche.

 

Tendenz zu "Angstgesellschaften"
In seinem Beitrag unter dem Titel "Populismus und Religion angesichts einer Politik der Angst" beschreibt Palaver eine in westlichen Demokratien beobachtbare bedenkliche Entwicklung hin zu "Angstgesellschaften" mit der politisch geschürten Tendenz zu Pluralismus-Ablehnung, Sündenbockmechanismen und Polarisierung. Dabei würden religiöse Traditionen instrumentalisiert, "um Nationalismen oder andere Formen der kulturellen Abgrenzung zu verstärken". Dass Ängste - z.B. im Zuge von Fluchtbewegungen - von Populisten gezielt geschürt werden, veranschaulichte der Sozialethiker mit dem Ausspruch der früheren AfD-Bundessprecherin Frauke Petri, "dass wir die Ängstlichen brauchen, um Mehrheiten zu bewegen". 

 

Die Frage nach den Ursachen der gestiegenen Angst beantwortete Palaver mit dem schwindenden Glauben an das Wohlstandsversprechen, an den "Kult des Individualismus", der Einsamkeit mehre und den Blick auf Wahrheiten abseits der eigenen verstelle, aber auch mit der oft verdrängten Angst vor dem eigenen Tod. So werde bei der rechtspopulistischen Warnung vor einer "Umvolkung" diese Angst mit der fiktiven Angst vor dem Tod eines fiktiven "Wir" gekoppelt.

 

Doch es gebe "Auswege aus den Sackgassen der Angst", gab Palaver einen hoffnungsvollen Ausblick. Als Beispiel dafür, dass ethnische Konflikte innerhalb von Jahrzehnten oder sogar Jahren gelöst oder zumindest abgeschwächt werden können, nannte der Theologe das Zusammenleben von Muslimen, Christen und Juden vor einem Jahrtausend im damals muslimisch geprägten Südspanien - und das sogar zu einer Zeit, "als der erste Kreuzzug im Nahen Osten aus Christen und Muslimen erbitterte Feinde machte".

 

Eine Meldung von www.kathpress.at 

Foto: Cincelli/dibk.at