Bischöfe Scheuer und Koch: 'Priestertum ist kein Auslaufmodell'

Ein Plädoyer für die bleibende, auch gesellschaftliche Relevanz des Priesteramtes haben der Innsbrucker Diözesanbischof Manfred Scheuer und der Baseler Bischof Kurt Koch gehalten. Das Priestertum sei "kein Auslaufmodell" betonten die Bischöfe bei ein...

Ein Plädoyer für die bleibende, auch gesellschaftliche Relevanz des Priesteramtes haben der Innsbrucker Diözesanbischof Manfred Scheuer und der Baseler Bischof Kurt Koch gehalten. Das Priestertum sei "kein Auslaufmodell" betonten die Bischöfe bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Innsbruck aus Anlass des zeitgleich stattfindenden "Dies academicus" und des Diözesantages der Diözese Innsbruck am 27. April. Bischof Koch hatte am Vormittag als Hauptredner den "Dies academicus" unter dem Titel "Priester in priesterarmer Zeit: Profil - Konflikt - Miteinander - Chancen" eröffnet.

Bischof Scheuer unterstrich bei der Pressekonferenz, dass es sich beim Priesterberuf "nicht um eine Sonderkaste in der Kirche" oder um eine bloße "Berufsgruppe" handle, sondern um einen "wichtigen Dienst an der Versöhnung, der Einheit und für den Menschen". Entgegen anderslautender Stimmen spüre er selbst immer wieder eine "bleibende Sehnsucht der Menschen" nach Segenspendern aber auch nach Schutz und Zuspruch. Diese "Schutzengelfunktion" des Priesters dürfe nicht kleingeredet werden, da sie einem menschlichen Grundbedürfnis entspringe, so Scheuer.

Weiters zeigte sich Bischof Scheuer auf die Frage eines Journalisten hin überzeugt, dass eine bloße Änderung der Zulassungsbedingungen zum Priesteramt als Lösungsansatz für den Priestermangel zu kurz greife. Im Gegenteil, so Scheuer, zeuge gerade diese Haltung von einem "Klerikalismus, den wir eigentlich mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil überwunden haben". So hänge der Verkündigungsdienst nicht allein am Priester: "Ich weiß etwa die
Arbeit der Religionslehrer sehr zu schätzen - wenn diese geweiht würden, würde es aber nicht besser gehen", so Scheuer. 

Im Zentrum jeder Suche nach Auswegen aus der Krise können nicht allein der Priester stehen, sondern die Frage, wie es gelingen könne, die Relevanz des Evangeliums für die Gesellschaft heute wiederzuentdecken und zu erschließen.

Zur aktuellen Missbrauchsdebatte sagte Scheuer, er habe die Debatten der vergangenen Wochen "wie ein Ventil für zahlreiche Enttäuschungen" erfahren. Hinter der Debatte über sexuellen Missbrauch und Gewalt stehe nicht selten auch eine Debatte über das Priesterbild der vergangenen fünfzig bis sechzig Jahre und über die Art, wie Macht und Autorität gelebt wurden, so Scheuer. In diesem Zusammenhang begrüßte Scheuer die gestern vorgestellte Klasnic-Kommission ausdrücklich.

"Keine 'KmbH'
Der Baseler Bischof Kurt Koch betonte bei der Pressekonferenz die Bedeutung des Priesters als "Zeuge des Evangeliums". Die Lehre bleibe trocken ohne die "personale Zeugenschaft" einzelner, so Koch. Dies entspreche bereits dem urchristlichen Verständnis des priesterlichen Dienstes. Zugleich agiere der Priester jedoch immer auch eingebunden in die Gemeinschaft. "Die Kirche ist keine 'KmbH', keine 'Kirche mit beschränkter Haftung' - alle Getauften sind
gerufen, Zeugnis abzulegen", erinnerte Bischof Koch. 

Der Priester bleibe dabei stets auch der Vermittler zwischen Orts- und Universalkirche, zwischen Einheit und Vielfalt, so Koch. Es werde diesem komplexen Geflecht daher nicht gerecht, den Mangel an Priestern einfach auf eine "Zölibats-Krise" zurückzuführen. "Wenn wir von einer Zölibats-Krise sprechen, müssten wir auch von einer Krise des Ordenslebens und auch von einer Krise der Ehe sprechen", so Koch. Letztlich liege all diesen Krisen eine "steigende
Unfähigkeit" der Menschen zugrunde, "sich ein Leben lang festzulegen". 

Zu den aktuellen Missbrauchsfällen sagte Koch, dass er zuversichtlich sei, dass nach der "derzeitigen intensiven karfreitäglichen und karsamstäglichen Zeit auch für die Kirche ein Ostersonntag folge". Es sei eine wichtige Zeit der Reinigung für die Kirche und damit eine Chance zu einem Neubeginn.

"Kräftiger Kontrapunkt"
Der Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät, der Dogmatiker Prof. Jozef Niewiadomski, verwies auf den Sinn des Diözesantages und des "Dies academicus", einen "kräftigen Kontrapunkt" zum allgegenwärtigen Lamentieren zu setzen. So soll das Programm "die ganze Vielfalt des kirchlichen Lebens in Tirol sichtbar machen - von den Priestern über die vielen Laien, die fast 700
Theologie-Studierende, die Religionslehrer". 

Ein wesentliches auch gesellschaftliches Problem stelle laut Niewiadomski eine mangelnde Bereitschaft dar, "an den anderen zu glauben". Genau dies sei jedoch die Botschaft des christlichen Glaubens und daher auch der Grund für die bleibende Relevanz des Priestertums: "Sie sagen dem Menschen: Gott glaubt an dich, selbst dann, wenn du dich in einer Aufstiegs- und Fall-Logik verirrt hast und in einer Sackgasse angekommen bist."

Der diesjähige "Dies academicus" der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck am 27. April stand unter dem Titel "Priester in priesterarmer Zeit: Profil - Konflikt - Miteinander - Chancen". Eröffnet wurde er durch Diözesanbischof Scheuer und Dekan Niewiadomski. Danach beleuchteten sieben Statements die aktuelle Situation von Priestern und stellten das Priesterbild und die Aufgaben von Seelsorgern aus verschiedenen Blickwinkeln zur Diskussion. Im Anschluss folgte der Hauptvortrag von Bischof Koch.

Am Nachmittag widmeten sich 20 Arbeitskreise verschiedenen Aspekten des Themas. Dabei leitete etwa der Innsbrucker Kirchenrechtler Prof. Wilhelm Rees unter dem Motto "Seelsorger oder Blaulichtpriester?" eine Arbeitsgruppe zu den Priesteraufgaben aus kirchenrechtlicher Sicht. Der Auseinandersetzung um "Hierarchisches versus gemeinsames Priestertum - Rivalität oder Ergänzung" diente ein Schwerpunkt des Sozialethikers Prof. Wolfgang Palaver und des Theologen Nikolaus Wandinger.

Weitere Arbeitskreise befassten sich etwa mit der Zusammenarbeit von Priestern und Laientheologen in der Pastoral, der Situation von ausländischen Priestern in Tirol oder der Diskussion um die Zulassungsbedingungen zu kirchlichen Ämtern. Der Dogmatiker Prof. Roman Siebenrock leitete eine Gruppe zum Priesterbild von Kardinal John Henry Newman. In einer weiteren Arbeitsgruppe ging es unter dem Titel "Priester und Jesuit zwischen Gegenreformation und Ökumene" um den heiligen Petrus Canisius.

Hier finden Sie eine Dokumentation des dies academicus mit Originalbeiträgen, Bildern und Videos:
Dokumentation dies academicus 

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