60 Jahre Konzil: Wie der Papst das Konzil zum Volk brachte

Der Eröffnungstag des Zweiten Vatikanums gehört zu den großen Momenten des Pontifikats von Johannes XXIII. - Volkstümlich und fromm sprach der Bauernsohn über die Öffnung der Kirche zur Welt, über Tränen und die Kinder - Von Alexander Brüggemann

Die feierliche Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) am 11. Oktober 1962, vor 60 Jahren, gehört zu den großen Erinnerungsstunden der katholischen Kirche im 20. Jahrhundert. Der 2018 gestorbene deutsche Kardinal Karl Lehmann schrieb darüber: "Zwei Stunden vor der Eröffnung hatte es noch geregnet; tiefhängende Wolken spiegeln sich im nassen Pflaster. Schließlich wurde es doch noch ein schöner Herbsttag. So gemischt war auch die Stimmung unter den Bischöfen. Es gab enthusiastische Erwartungen, einige Ungewissheiten und manche offenkundigen Sorgen."

Die prächtige Eröffnungsfeier auf dem Petersplatz und die brillante, aber sehr theologische Programmrede von Papst Johannes XXIII. im Petersdom machten die Menschen in Italien zwar neugierig, aber packten sie noch nicht im Herzen. Dafür gab es dann am Abend eine unerwartete Gelegenheit.

Die Katholische Aktion der römischen Gemeinden hatte einen Fackelzug zur Konzilseröffnung organisiert, wie es gut 1.500 Jahre zuvor die Bewohner von Ephesus zur Eröffnung des dritten ökumenischen Konzils im Jahr 431 getan hatten. Drei Züge von Teilnehmern trafen gleichzeitig auf dem Petersplatz ein und formten ein riesiges Kreuz aus hell leuchtenden Fackeln, dessen Zentrum der unter Papst Sixtus IV. (1471-1484) aufgestellte Obelisk bildete.

"Es war eine Luft wie Champagner", so erinnerte sich später der heute 89-jährige Zeitzeuge und Theologe Wolfgang Beinert an jene Nacht. Das italienische Fernsehen berichtete in einer Sondersendung live vom Fackelzug. Eine Rede des Papstes war ursprünglich gar nicht vorgesehen, so dass die Übertragung vom Petersplatz irgendwann planmäßig endete. Doch in der Zwischenzeit hatte der Privatsekretär des Papstes, Loris Capovilla, dem Papst vorgeschlagen, sich am Fenster zu zeigen und die Menge zu segnen - was der auch tat.

Der TV-Moderator Luca Di Schiena und die Rai-Techniker schalteten schnell und erkannten die Situation. Es gelang, die Leitung wiederherzustellen. Und nur durch diese Geistesgegenwart konnten die Fernsehzuschauer jene Ansprache hören, die als "Mondscheinrede" in die Geschichtsbücher eingegangen ist und die wohl zu den emblematischen Momenten des Roncalli-Pontifikats gehört.

Papstrede aus dem Stegreif
Aus dem Stegreif sprach Johannes XXIII., auf Italienisch und volkstümlicher als zuvor, all jene Themen und Gedanken an, die er auch am Vormittag in seiner historischen Eröffnungsansprache "Gaudet mater ecclesia" (Es freut sich die Mutter Kirche) bereits auf Lateinisch thematisiert hatte. 

Der Papst sprach über eine Einheit aller Katholiken, aller Christen und der ganzen Menschheit - und dass er seine Amtszeit in den Dienst der Einheit aller gestellt wissen wolle. "Meine Person zählt nichts. Es ist ein Bruder, der zu euch spricht; ein Bruder, der durch den Willen unseres Herrn Vater geworden ist. Vatersein und Brudersein aber ist alles miteinander Gnade Gottes", so Johannes XXIII.

Über die Fackelprozession sagte er: "Dieses Schauspiel am heutigen Abend wird für immer in meiner Erinnerung bleiben, und auch in der euren. Ehren wir den Eindruck dieses Abends." Und weiter: "Geliebte Kinder, ich höre eure Stimmen. Meine Stimme ist nur eine einzige; aber sie nimmt die Stimmen der ganzen Welt in sich auf. Hier ist in Wirklichkeit die ganze Welt vertreten. Man könnte meinen, sogar der Mond hätte sich heute Abend besonders beeilt, um dieses Ereignis mitzuerleben. Seht, wie er dort oben strahlt! Ihm ist bekannt, dass wir den Abschluss eines großen Tages des Friedens feiern, ja, des Friedens: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden allen Menschen guten Willens."

"Gebt euren Kindern einen Gutenachtkuss vom Papst"
Den Eltern gab Johannes XXIII. einen ganz konkreten Auftrag mit: "Wenn ihr nach Hause kommt, dann werdet ihr dort eure Kinder vorfinden. Gebt ihnen einen Gutenachtkuss, und sagt ihnen: Das ist der Gutenachtkuss des Papstes. Ihr werdet dort Tränen zu trocknen haben. Habt dann ein Wort für die Betrübten und Niedergeschlagenen. Sie sollen wissen, dass der Papst besonders in bitteren und traurigen Stunden bei seinen Kindern ist." 

Und bereits hier machte der greise Papst eine Andeutung, das Konzil könnte viel länger dauern, als alle erwarteten: "Das Konzil hat begonnen, und wir wissen nicht, wann es zu Ende sein wird. Sollten wir vor Weihnachten nicht zum Ende kommen, weil es uns vielleicht nicht gelingt, bis zu diesem Tag alles zu sagen und die verschiedenen Themen zu behandeln, wird eine zweite Zusammenkunft nötig sein. Nun gut: Immer aufs Neue zu erfahren, dass wir ein Herz und eine Seele sind, muss uns immer wieder froh machen; uns, unsere Familien, Rom, die ganze Welt. Und so mögen diese Tage ruhig herankommen. Wir erwarten sie in großer Freude."

 

Eine Meldung von www.kathpress.at