Theologe: Gemeinsamer Ostertermin schwierig, aber lohnenswert

Innsbrucker Ökumene-Experte Lumma im Kathpress-Interview über historische Hintergründe, aktuelle Vorschläge aber auch Stolpersteine im Blick auf gemeinsames Osterfest aller Kirchen

Wiewohl ein gemeinsames Osterdatum aller Kirchen höchst wünschenswert wäre, sieht der Innsbrucker Liturgiewissenschaftler und Ökumene-Experte Liborius Lumma kaum Chancen, dass es in absehbarer Zeit auch tatsächlich dazu kommen wird. Als Ausnahme nannte er freilich jene Fälle, wo das Datum ohnehin auf den gleichen Tag fällt, was 2025 das nächste Mal der Fall sein wird, so Lumma auf Kathpress-Anfrage.

Zuletzt wurde das Thema von führenden Kirchenvertretern wieder aufgegriffen. Erzbischof Job (Getcha), der Ständige Vertreter des Patriarchats von Konstantinopel beim weltweiten Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK), hat dieser Tage mit dem Vorschlag aufhorchen lassen, das 2025 anstehende 1.700-Jahr-Jubiläum des Ersten Ökumenischen Konzils von Nicäa (325) zum Anlass zu nehmen, die Bemühungen um ein künftig gemeinsames christliches Osterdatum voranzutreiben. Vom Vatikan war der Vorschlag positiv aufgenommen worden. Auch der koptische Papst-Patriarch Tawadros II. hatte sich vor einigen Jahren in einem Schreiben an Papst Franziskus für einen gemeinsamen Ostertermin stark gemacht.

Die Westkirchen berechnen das Osterdatum seit dem 16. Jahrhundert nach dem Gregorianischen Kalender, die Ostkirchen nach dem Julianischen Kalender, der zuvor in der gesamten Kirche gebräuchlich war. Auf dem Konzil von Nicäa 325 wurde die Berechnung des Osterdatums auf der Grundlage des Julianischen Kalenders bestimmt. Der Kalender gilt aber als astronomischen ungenau. Im Laufe von Jahrhunderten verbraucht der Kalender zu viele Tage, er ist gegenüber der Natur zu langsam. Schon jetzt fallen der Julianischer Kalender und Naturphänomene 13 Tage auseinander. Folgen noch viele weitere Jahrhunderte, dann verschiebt sich Ostern - nach dem Julianischen Kalender - immer mehr in den Sommer hinein, das Bekenntnis zum Zusammenhang zwischen Ostern und Frühling wird im Julianischen Kalender zunehmend, wenn auch nur langsam, zur Makulatur.

Das Problem war und ist natürlich auch den Ostkirchen bekannt. 1923 kam es deshalb zu einer Reform und der teilweisen Einführung des Neujulianischen Kalenders. Auf einem orthodoxen Kongress in Konstantinopel beschlossen alle Teilnehmer mit einem Sprung vom 9. März 1924 auf den 23. März 1924 den neuen Kalender einzuführen. Der Neujulianische Kalender entspricht etwa zehnmal genauer dem Sonnenjahr als der Gregorianische. Das wird dadurch erreicht, dass nicht wie im Gregorianischen Kalender drei Schalttage in 400 Jahren weggelassen werden, sondern sieben in 900 Jahren. Der Neujulianische Kalender wird sich bis zum Anfang des Jahres 2800 nicht vom Gregorianischen Kalender unterscheiden. Erst im Jahre 2800 entfällt bei ihm erstmals ein Schalttag, der im Gregorianischen Kalender vorgesehen ist.

Die Russisch-orthodoxe Kirche, die wegen politischer Wirren nach der Oktoberrevolution am Kongress 1923 nicht teilnehmen konnte, machte die Kalenderreform allerdings nicht mit. Daraufhin revidierten auch andere orthodoxe Kirchen ihren ursprünglichen Beschluss und blieben (bis heute) beim Julianischen Kalender. Einige andere führten den Neujulianischen Kalender zwar ein, wenden ihn aber nicht für die Berechnung des Osterdatums an. Hier halten sie sich weiterhin an den Julianischen Kalender, um die orthodoxe Kircheneinheit zu bewahren.

Auch in Österreich feiern die Griechisch- oder Rumänisch-orthodoxe Kirche Weihnachten am 24./25. Dezember - nach Neujulianischem Kalender, der mit dem Gregorianischen Kalender noch für die nächsten fast 800 Jahre ident ist. Die Russisch- und Serbisch-orthodoxe Kirche hingegen erst am 6./7. Jänner - dies entspricht dem 24./25. Dezember des Julianischen Kalenders. Ostern feiern hingegen alle orthodoxen Kirchen zum gleichen Datum, heuer am 2. Mai.

 

Langjährige Debatten
Wie Lumma im Interview erklärte, seien für die Findung eines gemeinsamen Osterdatums in den vergangenen Jahrzehnten vier Vorschläge mehr oder weniger ernsthaft diskutiert worden, jedoch ohne Ergebnis.
Die erste Möglichkeit bestünde darin, alle christlichen Kirchen Ostern nach dem Gregorianischen Kalender zu berechnen. Bei Übernahme des Gregorianischen Kalenders - oder zumindest der Osterdatierung nach dessen Regeln - würde sich für die Kirchen westlicher Herkunft nichts ändern. Unter den orthodoxen Kirchen hat bislang nur diejenige von Finnland den Gregorianischen Kalender übernommen. 

Der Vorteil des Gregorianischen Kalenders sei seine Übereinstimmung mit dem natürlichen Lauf der Erde um die Sonne und damit die exakte Datierung des Beginns der Jahreszeiten. Lumma: "Wenn das Osterfest seine theologische Bedeutung zumindest auch aus seinem Zusammenhang zum naturgegebenen Frühjahrsaquinoktium, also der Tag-und-Nacht-Gleiche der nördlichen Hemisphäre der Erde bezieht, dann muss die Christenheit ein Interesse daran haben, dass Kalender und Natur nicht zu weit auseinanderfallen - und genau diesem Zweck diente die Kalenderreform Papst Gregors XIII. im 16. Jahrhundert."
Den Gregorianischen Kalender bezeichnete Lumma als "historisch belastet": So sei er einseitig durch die päpstliche Autorität des 16. Jahrhunderts festgelegt worden. Er widerspreche damit einer einstmals ökumenisch getragenen Normierung des Kalenders, nämlich der Berechnung des Osterdatums, wie sie das Konzil von Nicäa 325 auf der Grundlage des Julianischen Kalenders bestimmt hatte. 

Wenn es zu einer Einigung auf den Gregorianischen Kalender käme, würde dies bedeuten, dass die westliche Christenheit als "Sieger", die östliche als "Verlierer" dastünde. Die Ostkirchen müssten sich vollständig einer westlichen "Siegergeschichte" anpassen. Das sei angesichts der spannungsreichen Geschichte zwischen West und Ost kaum möglich.

 

Westen übernimmt das östliche Datum
Der umgekehrte Vorschlag: Alle christlichen Kirchen einigen sich auf das "östliche" julianische Osterdatum. Für den Julianischen Kalender spreche dafür das Traditionsargument, das in diesem Fall zugleich ein ökumenisches ist, so Lumma. Sein Argument: Der Julianische Kalender bildete die von Konzil von Nicäa getragene alte gemeinchristliche Norm. Ihn zu verwenden bedeute, "an der ältesten christlichen Einheit teilzuhaben und diese durch die Zeit zu tragen". Das sei vor allem für die Identität der Ostkirchen von entscheidender Bedeutung. Es könnte zudem als "Zeichen ökumenischer Demut und Größe" interpretiert werden, wenn die westlichen Kirchen die Verantwortung für ihre seit dem späten 16. Jahrhundert erfolgte einseitige Abweichung von der alten ökumenischen Norm übernehmen und ihre bisherige Osterberechnung revidieren würden. 

Das Osterdatum würde damit für den Westen nicht mehr zwischen 22. März und 25. April, sondern zwischen 4. April und 8. Mai liegen. Weihnachten und alle anderen bekannten Daten müssten nicht revidiert werden.

 

"Modell von Aleppo"
Eine weitere Möglichkeit wäre das sogenannte "Modell von Aleppo", wie der Theologe erklärte. Dabei handle es sich um ein modifiziertes gregorianisches Osterdatum. Diesen Vorschlag hatte eine eigens dazu eingerichtete Kommission des Weltkirchenrates 1997 in Aleppo (Syrien) verabschiedete. Dieses Modell stimmt großteils mit dem Gregorianischen Kalender überein, überlässt die genaue Bestimmung des Frühlingsbeginns aber dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Forschung und - dies ist gewissermaßen die ökumenische Pointe dieses Vorschlags - hat den Meridian von Jerusalem als geografischem Bezugspunkt.
Die Vorteile seien dieselben wie beim ersten Vorschlag, dass alle christlichen Kirchen Ostern nach dem Gregorianischen Kalender berechnen. Hinzu käme noch, dass es sich um eine neu geschaffene, ökumenisch getragene Norm handelt, die nicht mit dem Gregorianischen Kalender identisch ist. Es ist laut Lumma damit keine "Übernahme des einen Kalenders durch alle anderen Kirchen, sondern um eine neue gemeinsame Norm". 

Da das Aleppo-Modell aber weitgehend mit der gregorianischen Osterberechnung übereinstimmt, ließen sich die Vorbehalte gegen den Gregorianischen Kalender jedoch kaum ausräumen, räumte der Theologe ein. Die Kirchen, die bislang den Julianischen Kalender verwenden, müssten in den meisten Fällen ein neues Osterdatum ansetzen; die Kirchen des Gregorianischen Kalenders hingegen nur selten.

 

Fixes Osterdatum
Ein vierter Vorschlag schließlich: Ostern wird völlig neu berechnet und liegt dann immer auf einem bestimmten Sonntag, beispielsweise immer am zweiten Sonntag im April. Derartige Vorschläge seien schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weitverbreitet gewesen. Sowohl auf ostkirchlicher wie auf westkirchlicher Seite hätten sie Sympathie erfahren, erläuterte Lumma. 

Eine solche Terminierung des Osterfestes werde vor allem bibelwissenschaftlich begründet, etwa durch die verbreitete Annahme, der historische Todestag Jesu sei der 7. April 30 gewesen. Somit könnte am zweiten Sonntag im April als dem auf das Todesdatum folgenden Sonntag Ostern angesetzt werden. In jüngster Zeit werde diese Variante vor allem aus der anglikanischen Kirche eingebracht, so der Innsbrucker Theologe.

Lumma wies darauf hin, dass sich das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) in einem Anhang zur Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium für eine Neubestimmung des Osterdatums offen gezeigt habe, "allerdings unter der Bedingung, dass diese Neubestimmung dann von allen christlichen Kirchen mitgetragen werden muss".
Auf der psychologischen Ebene lägen die Vorteile eines festen Osterdatums auf der Hand: Würden sich alle christlichen Kirchen auf eine solche Regelung einigen, so gäbe es keine "Verlierer" und niemanden, der sich an eine "dominante" Tradition anpassen müsste. Lumma: "Wenn Ostern auf ein reales Ereignis der Menschheitsgeschichte Bezug nimmt und sich dieses nach heutigem Wissensstand tatsächlich auf ein bestimmtes Datum festlegen lässt, dann wäre eine derartige Osterbestimmung zugleich ein Bekenntnis zur geschichtlichen Wirklichkeit der Heilsereignisse." Außerdem brächte ein gemeinsamer Termin auch einfachere ökonomische und administrative Abläufe (z.B. Schulferien) an Ostern. 

 

Über den eigenen Schatten springen
Die Frage eines gemeinsamen Ostertermins unter den gegebenen ökumenischen Voraussetzungen oder auch Nicht-Voraussetzungen laufen laut Lumma aktuell darauf hinaus, "dass mindestens einer der beteiligten Gesprächspartner über seinen eigenen Schatten springen muss". Es sei daher angebracht, sich Gedanken darüberzumachen, wie ein solches "Über-den-Schatten-Springen" im Fall der katholischen Kirche aussehen könnte. Der Einsatz für eine ökumenisch vereinbarte neue Terminierung des Osterfestes käme hier ebenso infrage wie die Bereitschaft, Ostern wieder nach dem julianischen Kalender zu berechnen. "Aber vielleicht gibt es ja auch noch ganz andere und neue chancenreiche Varianten", so Prof. Lumma wörtlich. 

Eine Meldung von www.kathpress.at

Liturgiewissenschaftler und Ökumene-Experte Liborius Lumma