Scheuer: Es ist unsere Aufgabe, die Lebensbereiche zu schützen

In einem Pressegespräch der Diözese Innsbruck erläuterten Bischof Manfred Scheuer und Univ.-Prof. Wilhelm Guggenberger ihre Gedanken zur eben veröffentlichten Öko-Enzyklika von Papst Franziskus.

In einem Pressegespräch der Diözese Innsbruck erläuterten Bischof Manfred Scheuer und Univ.-Prof. Wilhelm Guggenberger ihre Gedanken zur eben veröffentlichten Öko-Enzyklika von Papst Franziskus. Manuela Schweigkofler, Geschäftsführerin vom Haus der Begegnung in Innsbruck, verwies auf zahlreiche Formen und Aktivitäten von Schöpfungsverantwortung in der Diözese Innsbruck. 

 Bischof Manfred Scheuer: „Der Papst verbindet Spiritualität und Lebensstil unter anderem mit Finanzen, Wirtschaft und Konsumgewohnheiten, weil alles miteinander verwoben ist und das eine auf das andere Auswirkungen hat. Das kann man als naiv kritisieren, aber das ist der einzige Zugang, der realistisch ist. Es sind Fragen der Ethik, der Wissenschaften, der Technik angesprochen und Fragen der Wirtschaft. In der Neuzeit hat sich teilweise ein Bewusstsein ergeben, wo der Mensch als Herr und Besitzer der Natur angesehen wurde und eine Subjekt-Objekt-Spaltung herausgekommen ist.“ Das würde den Eigenwert der Dinge nicht entsprechen, das würde nicht die innere Dynamik der nicht menschlichen Natur berücksichtigen und andere Menschen nicht in ihrem Eigenwert sehen.  Scheuer: Ich sehe in Tirol eine aktuelle Spannung zwischen Ökologie und Ökonomie, aber auch einen guten Pakt zwischen Umweltschutz und WirtschaftBischof Scheuer über die Verbindung von der Enzyklika zu Tirol: „Ein früherer Jesuit aus Innsbruck hat einmal eine Kurzformel des Glaubensbekenntnisses von Innsbruckern formuliert: ‚Ich glaube an Gott, den Schöpfer. Das reicht schon.‘ Viele in unserem Land haben einen inneren Zugang zur Schönheit der Natur. Es gibt Dankbarkeit für die Natur, verbunden mit Staunen und Freude - auch das Bewusstsein, dass ich das nicht besitze. Ich freue mich an Blumen, die ich nicht fresse. Etwas genießen, was ich nicht konsumiere: Vielleicht ist das ein Zugang.“Und weiter: „Ein anderer Bereich ist die Frage der Ernährung. Ich werde das in meinem Sein, was ich in mir aufnehme. In der Ernährung wird der Zusammenhang von Umwelt, Ökologie, Gerechtigkeit deutlich. Auch die Wohnungsfrage, Wohnungsnot, die Frage der Architektur ist Thema. Bauen hat stark mit Gestaltung der Natur, aber auch mit Umweltzerstörung zu tun.“Weiters verweist Bischof Scheuer auf die Frage der Bildung. Der Papst spricht dazu in der Enzyklika die Umweltzerstörung im Bereich der Sprache an.In Tirol sieht der Bischof eine aktuelle Spannung zwischen Ökologie und Ökonomie: „Wir sind nicht nur ein Musterland. Es gibt aber auch einen guten Pakt zwischen Umweltschutz und Wirtschaft.  Große Solidarität bei Umweltkatastrophen – Diözese muss sich stärker bei Fragen der eigentlichen Lebensqualität einbringenAngesprochen auf die aktuellen Umweltkatastrophen in Tirol meint Scheuer: „Bei den Katastrophen war und ist die Solidarität immer sehr groß, da kommt viel freiwillige Arbeit aus Feuerwehr, Vereinen und Privatpersonen. Auch die Spendenbereitschaft ist groß. Doch man kann nicht nur das sehen, was ist von Menschen gemacht. Die Natur ist ja nicht nur harmonisch und schön, die Natur macht auch selbst viel Zerstörung. Es ist unsere Aufgabe, die Lebensbereiche zu schützen, aber nicht jeder Bereich lässt sich umfassend schützen. Man muss schauen, wie viele unbewohnte Gebäude gibt es, wieviel landwirtschaftliche Fläche wird aufgegeben und verbaut.“Innerhalb der Diözese sei man schon länger bemüht am Weg, so der Bischof, doch müsse sich Kirche noch stärker bei den Fragen einbringen, was ist eigentlich Lebensqualität, was macht ein gutes Leben aus?“ Bedeutend seien außerdem die Fragen, wie wirtschaften wir, wie bauen wir, wie ist unser eigenes Verkehrsverhalten, unser Umgang mit Lebensmitteln. Guggenberger zum päpstlichen Lehrschreiben: Wissenschaftliche Erkenntnisse und Information der Menschen sind wichtig, entscheidend aber sind Handeln und eine Veränderung unserer VerhaltensweisenUniv.-Prof. Wilhelm Guggenberger vom Institut für Systematische Theologie, Universität Innsbruck, hebt aus der Öko-Enzyklika hervor: „Die Menschheit pflegt heute einen Lebensstil, der nur in Katastrophen enden kann und daher untragbar geworden ist. Was eine solche Analyse betrifft, nimmt sich  Papst Franziskus in seiner Enzyklika kein Blatt vor den Mund. Dabei geht es nicht um eine isolierte Betrachtung der außermenschlichen Natur, denn in der Welt ist alles miteinander verbunden.“ Dieser Zusammenhang ist ein dreifacher: Zusammenhang in ökologischem Sinn, Zusammenhang im sozialethischen Sinn und Zusammenhang zwischen Struktur und Haltung. Bemerkenswert sei für Guggenberger die Solidarisierung des Papstes mit vielen Anliegen von Ökologiebewegungen und NGO, wie die Förderung erneuerbarer Energien und Steigerung von Energieeffizienz, die umweltgerechte Raumplanung mit Ausbau öffentlichen Verkehrs, die Stärkung des Vorsorgeprinzips, die Beweislastumkehr bei der Genehmigung kritischer Projekte oder die Kostenwahrheit Diesen Gleichklang sieht Guggenberger als erfreulich und wichtig, stelle letztlich aber nicht das Herzstück der Enzyklika dar. Das Herzstück der Enzyklika ist die Ökologische UmkehrGuggenberger: „Wissenschaftliche Erkenntnisse und Information der Menschen sind wichtig, entscheidend aber sind Handeln und eine Veränderung unserer Verhaltensweisen. An diesem Punkt sind Motivation und klare Optionen gefragt.“ Die wesentliche Aufgabe der Kirchen kann es nicht sein, die besseren Rezepte zur technischen Umgestaltung von Wirtschaftssystemen, Energiesystemen, Produktionsprozessen etc. zu formulieren. Ihre Chance besteht in der Formation menschlicher Grundhaltungen.Guggenberger weiter: „Wir werden im Hinblick auf notwendige umweltpolitische Entscheidungen also nicht weiter kommen, wenn wir nicht zu neuen Lebensstilen finden. Wichtig scheint mir, dass Papst Franziskus betont: solche Lebensstile stellen letztlich eine neue, im Grunde bessere Lebensqualität für alle in Aussicht. Diese Lebensqualität würde sich durch ein vierfaches Gleichgewicht auszeichnen: Inneres Gleichgewicht mit sich selbst, solidarisches Gleichgewicht mit den anderen, natürliches Gleichgewicht mit allen Lebewesen und spirituelles Gleichgewicht mit Gott.“In der Enzyklika, so Guggenberger, wird dazu auf reiche Impulse in der eigenen religiösen Tradition hingewiesen: Papst Franziskus hofft aber auch auf einen Dialog der Religionen, wo es um ‚die Schonung der Natur, die Verteidigung der Armen und den Aufbau eines Netzes der gegenseitigen Achtung und der Geschwisterlichkeit‘ geht. „Der Text setzt sehr auf die Macht von unten. Da kommt viel Veränderung her.“ Schöpfungsveranwortung in der Diözese Innsbruck: viele Kontakte und waches AugeDie Diözese Innsbruck beschäftigt das Thema Schöpfungsverantwortung seit vielen Jahren und ist sehr daran interessiert, mit allen Kräften im guten Kontakt zu bleiben, die ein waches Auge für die berührende Schönheit der Natur und starkes Empfinden für ihre unauslotbare Vielfalt an geistiger Anregung haben.Der Fokus der diözesanen Umweltarbeit liegt auf Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung. In den Veranstaltungen (Vorträge, Seminare, Lehrgänge, Exkursionen, Workshops) werden u.a. folgende Themenbereiche aufgegriffen: Beschaffung, Biodiversität, Ernährung und Lebensmittelindustrie, Energie, Klimawandel, Lebensstil, Mobilität, Nachhaltigkeit (mit den Dimensionen Ökologie, Soziales, Ökonomie, Politik, Wissen), Ressourcen und Rohstoffe, Schöpfungsspiritualität, Stoffkreisläufe. Eine Art diözesanes Zentrum in dieser Thematik ist das „Haus der Begegnung“ (HdB), in dem ein eigenes Referat für „Schöpfungsverantwortung“ errichtet ist. Außerdem besteht seit vielen Jahren der „Diözesane Arbeitskreis für Schöpfungsverantwortung“, dem Vertreter aus Bürgerinitiativen und Naturschutz-NGO´s, Vertreter der relevanten Universitätsinstitute, Vertreter von verschiedenen Abteilungen der Landesregierung, Künstler und Priester angehören.Daniela Soier, Referat für Schöpfungsverantwortung in der Diözese Innsbruck“: Wir helfen den interessierten Menschen bei der Vernetzung untereinander und sorgen dafür, dass in den Pfarren eine Schöpfungstheologie nahegebracht wird, die Gottes einfühlsame Liebe und Sorge für alle seine Geschöpfe bewusst macht – und Erkenntnisse der christlichen Anthropologie vermittelt, die daran erinnern, wie sehr wir mit allen lebendigen Wesen verwandt sind. Im kircheneigenen Bereich wollen wir auf vorbildliches ökologisches Handeln drängen.“ Haus der Begegnung: beispielgebend ökologischDas Haus der Begegnung in Innsbruck wirkt in seiner ganzen Gestion beispielgebend ökologisch! Im Rahmen des Pressegesprächs beschreibt die Geschäftsführerin Manuela Schweigkofler Intention des Hauses und Beispiele ökologischen Handelns: „Wir verstehen unter Nachhaltigkeit ein Gleichgewicht zwischen dem Verbrauchen, Einsparen und Erneuern der globalen Ressourcen herzustellen und zu erkennen, dass das Leben künftiger Generationen von unserem Handeln heute abhängt. Nachhaltigkeit erfordert Maßnahmen in drei miteinander verzahnten Bereichen, Umwelt, Wirtschaft, und Gesellschaft.Das 2002 umfassend renovierte Hauptgebäude wurde energiesparend und nach ökologischen Kriterien gebaut, der Umstieg von einer Ölheizung auf eine Hackschnitzelheizung ergab eine CO2-Reduktion von über 100.000 kg., Solarwärme ermöglicht die Warmwasserzubereitung für das gesamte Haus. Schweigkofler: „Wir arbeiten an der Umsetzung des Themas ‚Wirtschaft und Ethik‘ und der Schaffung von alternativen Wirtschaftsformen im eigenen Bereich.“Zwei Arbeitsplätze sind für Personen mit besonderen Einschränkungen vorgesehen, im Haus der Begegnung Innsbruck werden Lehrlinge ausgebildet, die es am regulären Arbeitsmarkt nicht schaffen oder nur sehr schwer schaffen. Die Geschäftsführerin weiter: „Die Maßnahmen, die wir ergreifen sind nicht nur im Umweltbereich zu finden. In unserer Küche kommen rund 90 Prozent Biolebensmittel zum Einsatz. In den Hauptkomponenten Fleisch, Gemüse, Obst, Milchprodukte, Eier, Fruchtsäfte, Kaffee, Kakao, Tee sind es nahezu 100 Prozent. Wo Regionalität nicht möglich ist, im Gegenteil sehr weite Wege zurückgelegt werden müssen, steht das Fair-trade-Siegel im Mittelpunkt: Wir erzielen heute beinahe 90 Prozent unseres Getränkejahresumsatzes mit fair-gehandelten Produkten.“Ab September 2015 erhält das Haus der Begegnung die Zertifizierung als Green Event Partner. Das garantiert den Kunden, dass ihre Veranstaltungen nach den hohen Qualitätsstandards der „green events“ ablaufen. Die Zertifizierung als Klimabündnisbetrieb garantiert außerdem laufende Maßnahmen im Bereich Klimaschutz, Energiecontrolling und sorgsamen Umgang mit Ressourcen. Zahlreiche Veranstaltungen beschäftigen sich mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit und Schöpfungsverantwortung.
Der Wortlaut der Enzyklika 

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Diözese Innsbruck - Aktuell