Mehr auf die Armen hören

Offener Brief von Bischof Hermann Glettler und Caritasdirektor Georg Schärmer zum Welttag der Armen am 18. November 2018.

„Da rief ein Armer und der Herr erhörte ihn“ (Ps 34,7). 

 Diesen Psalm stellt Papst Franziskus an den Beginn seiner Botschaft zum Welttag der Armen, den unsere Diözese im Einklang mit der Weltkirche am kommenden Sonntag begeht: Es sind viele Formen der Armut, auf die wir unser Augenmerk richten sollen, um ihren Schrei zu hören und ihre Nöte und Bedürfnisse zu erkennen.

Armut lässt sich nicht nur am Haushaltseinkommen festmachen, sondern zeigt sich auch in Einsamkeit, schwer zu bewältigender Trauer, chronischen Erkrankungen, belastenden Familiensituationen, Überforderung, z. B. durch jahrelange Betreuungs- und Pflegearbeit, oder Wohnungslosigkeit.

  

„Es sind schroffe Stimmen, die häufig von einer Angst vor den Armen herrühren. Denn diese werden nicht nur als Bedürftige angesehen, sondern auch als Verursacher von Unsicherheit, Instabilität oder Störung der alltäglichen Gewohnheiten“ (Papst Franziskus). 

Die Angst, etwas zu verlieren, ist in unserer Gesellschaft sehr groß – Politikerinnen und Politiker, die diese Angst und Unsicherheit für sich nutzen können, haben kurzfristig die besseren Karten, als jene Kräfte, die eine gerechte Gesellschaft anstreben und Ängste nehmen wollen. Das Klima ist rauer geworden. Menschen, die nicht in das Schema passen, werden verdrängt und ausgegrenzt. Die geschürte Angst knabbert an der guten Seele unseres Landes. Neid und Missgunst werden schamlos ausgedrückt. Kirche und Caritas haben den Auftrag, den Opfern dieses zwischenmenschlichen Klimawandels zu helfen – sei es durch das offene Ohr für ihre Ratlosigkeit, unbürokratische und schnelle Hilfe oder einfach durch das Öffnen unserer Türen. 

 

 „Es gibt unzählige Initiativen, die nicht vom Glauben, aber von der menschlichen Solidarität geleitet sind. Sie leisten Hilfe, die wir alleine nicht verwirklichen könnten“ (Papst Franziskus). 

 Als Bischof und Caritasdirektor ist es uns ein großes Bedürfnis, den vielen solidarischen Mitmenschen unseren Dank auszudrücken. Das Gute und das Hilfreiche sind höchst lebendig in unserem Land. Ob es die vielen solidarisch engagierten Freiwilligen sind, liebevolle pflegende Angehörige, achtsame Nachbarinnen und Nachbarn, treue Spenderinnen und Spender u. v. m. Sie alle schenken Hoffnung und Zuversicht. 

Das alles ersetzt nicht das Bemühen um eine gerechte Politik. Wir dürfen den Menschen – insbesondere den Armen – nicht in Barmherzigkeit und gönnerhaft gewähren, was ihnen vor dem Hintergrund des Rechts und der Gerechtigkeit zusteht. 

Das Ringen um und mit dem Rechtsstaat gehört zur Aufgabe engagierter Christinnen und Christen, ja aller Mitbürgerinnen und Mitbürger.

Der „Welttag der Armen" ist gleichzeitig der Höhepunkt der Herbstsammlung der Caritas. Mit den Spendenmitteln wird die Erweiterung der Familienhilfe und der Beratung und Begleitung von pflegenden Angehörigen ebenso vorangetrieben wie der Ausbau von Wärmestuben für Obdachlose und manifest Arme. Gerade in den kalten Wintermonaten werden die Angebote der Caritas-Wärmestuben für viele Menschen überlebensnotwendig. Sie sichern die Grundversorgung mit Essen, Duschen und Hygieneartikeln. 

Wir sagen am „Welttag der Armen" allen Spenderinnen und Spendern ein „herzliches Dankeschön“.

Bischof Glettler und Georg Schärmer danken anlässlich des Welttages der Armen allen Menschen, die sich der Notleidenden gegenüber solidarisch zeigen. Foto: Caritas Tirol