Ein spirituell-politisches Buch mit Augenmaß für die reale Lebenswelt

Tyrolia-Verlagsleiter Kompatscher: Das Buch von Bischof Scheuer ist eine Frucht des Ringens und des Bemühens um den Auftrag und die Präsenz des Christlichen in der Welt.

Tyrolia-Verlagsleiter Gottfried Kompatscher zum neuen Werk von Bischof Manfred Scheuer: Das Buch ist eine Frucht des Ringens und des Bemühens um den Auftrag und die Präsenz des Christlichen in der Welt. 

 

Im Haus der Begegnung erfolgte kürzlich die Präsentation des neuen Buches von Bischof Manfred Scheuer „Wider den kirchlichen Narzissmus“.

 

Elisabeth Anker: Das Buch macht Mut 

In ihrer Begrüßung ging Elisabeth Anker, Leiterin des Hauses der Begegnung, auf das neue Werk des Bischofs ein: „Das Buch macht Mut – ganz im Sinn von Papst Franziskus, der uns auffordert, Risiken einzugehen und Experimente zu wagen und uns nicht verschlossen und bequem an unsere Sicherheiten zu klammern. Eine Kirche der offenen Türen sollen und wollen wir sein; denn ‚die Kirche ist keine Zollstation, sie ist das Vaterhaus, wo Platz ist für jeden mit seinem mühevollen Leben.‘“

 

Scheuer-Buch sorgt über Tirol hinaus für Beachtung 

Gottfried Kompatscher, Leiter des Tyrolia-Verlages, kommentierte die ersten Rezensionen: „Für die Tageszeitung ‚Die Presse‘ war es Anlass, von einer ‚Franziskanischen Wende in der Theologie‘ zu sprechen, also davon, dass seit Papst Franziskus andere Themen und auch ein anderer Blick auf Altbekanntes die Theologie und die kirchliche Diskussion prägen.“

Und Kompatscher weiter: „Nun gehört Bischof Manfred sicher nicht zu jenen, denen erst der neue Papst Mut gemacht hat, Stellung zu beziehen, auch kritisch, wo es angebracht ist. Der Caritas-Bischof und der Präsident von Pax Christi Österreich meldet sich laufend zu Wort zu gesellschaftlichen Themen, bei Ansprachen und in Interviews, und das vorliegende Buch ist auch eine Frucht dieses Ringens und Bemühens um den Auftrag und die Präsenz des Christlichen in der Welt.“

 

„Christ in der Gegenwart“: ein ‚politisch-geistiges Notizbuch, das ohne kirchliche Nabelschau auskommt‘ 

Kompatscher zur Buchbesprechung in „Christ in der Gegenwart“: „Dort spricht man von einem ‚politisch-geistigen Notizbuch, das ohne kirchliche Nabelschau auskommt‘ und bewundert die vielfältigen spirituellen Quellen, auf denen Bischof Scheuer seine Überlegungen aufbaut.  Da finden sich SchriftstellerInnen wie Ingeborg Bachmann oder Hilde Domin, moderne MystikerInnen wie Simone Weil oder Pierre Theilhard de Chardin, und immer wieder Philosophen wie Theodor Adorno und Jürgen Habermas.

Schon diese Namen deuten an, dass es Bischof Manfred in seinem Buch nicht um leichte, sondern um nahrhafte Kost geht, um ein Plädoyer für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Welt, in der wir leben, und um ein Christentum, das sich nicht in die Sakristeien zurückzieht.“

 

Nur wenn Wunden nicht zugepflastert werden, sondern ans Licht kommen dürfen, können diese heilen 

Sr. Melanie Wolfers von der Ordensgemeinschaft der Salvatorianerinnen in Wien war die Gesprächspartnerin von Bischof Manfred Scheuer. In ihrer Einleitung zum Buch richtete sie den Blick auf die kirchliche Praxis: „Haben wir Probleme, kreisen wir um unsere Krisen und sind auf das Negative fixiert? Oder haben wir eine Botschaft? Eine wichtige Frage, Die Bischof Manfred nicht in der Art und Weise damit beantwortet, dass er über die Kirche nachdenkt und sie kritisch analysiert. Eine solche Antwort wäre sowieso hinlänglich bekannt und damit auch nicht wirklich spannend. Und würde in die Richtung einer kirchlichen Nabelschau tendieren. Genau das will ja überwunden werden, wie bereits der Buchtitel „Wider den kirchlichen Narzissmus“ verdeutlicht: dass sich die Kirche selbstbezogen, narzisstisch mit ihrer eigenen Identität beschäftigt.“

Diese Frage wird von Bischof Manfred dahingehend beantwortet, indem er konkrete Lebenswelten in den Blick nimmt. Lebenswelten, in denen gelitten und gestritten wird, in denen Menschen Unrecht erleiden oder daran mitwirken. Manfred Scheuer legt offen, woran Menschen leiden. Denn nur wenn Wunden nicht zugepflastert werden, sondern ans Licht kommen dürfen, können diese heilen. Und er stellt diese Schmerzpunkte und Bruchstellen ins Licht des Glaubens. In das Licht des Glaubens an einen Gott, der Gerechtigkeit und Freiheit für alle will. An einen Gott, dessen Spuren aufleuchten im Gesicht des Anderen und Fremden. An einen Gott, der zu Berührbarkeit und Solidarität auffordert. An einen Gott, der unseren Einsatz selbst dann noch einen Sinn geben kann, wo wir uns scheinbar vergeblich investieren.“

 

Scheuer: Persönliche Begegnungen mit „den Fremden“ helfen, Ängste abzubauen 

Anschließend nahm Sr. Melanie Wolfers die gegenwärtigen Flüchtlingsströme zum Anlass, um die Herausforderungen anzusprechen, mit denen die Bevölkerung in Österreich konfrontiert ist: „Umgang mit dem Fremden“, die Bedeutung und Grenzen von Toleranz und Gastfreundschaft, der Umgang mit dem Islam. Bischof Manfred ging auf die Ängste der Menschen ein, nannte die persönliche Begegnung mit Flüchtlingen und Asylwerbern im Alltag als eine Möglichkeit, Hindernisse abzubauen und betonte anhand der Erklärung „Nostra aetate“ des Zweiten Vatikanischen Konzils, wie notwendig der interreligiöse Dialog sei. „Die Kirche weiß sich gesendet im Dialog für die Würde des Menschen, Frieden und Gerechtigkeit einzutreten. Der interreligiöse Dialog dient allen Menschen im Ringen um eine friedvollere und gerechtere Welt.“

 

Scheuer: Ich bemühe mich, Probleme auf das Evangelium zu buchstabieren 

Befragt nach seinem eigenen Glauben, waren dem Buchautor die persönlichen Vorbilder wichtig, die ihn „hineingenommen“ hätten. Später hätten ihn auch die „Gebete des Lebens“ von Karl Rahner begleitet. Es gäbe natürlich „Trockenphasen“ im Leben, doch „ich bemühe mich, Probleme auf das Evangelium zu buchstabieren“. Dennoch empfinde er seit seiner Kindheit, „dass der Glaube schön ist“.

 

Buchpräsentation auch in Wien 

Bischof Manfred Scheuer stellt sein Buch „Wider den kirchlichen Narzissmus“ auch in Wien vor.

Dienstag, 12. Jänner 2016um 18.30 Uhr im Stephanisaal, Stephansplatz 3.

Begrüßung und Moderation:Erhard Lesacher, Leiter der THEOLOGISCHEN KURSE

Einführende Worte:Gottfried Kompatscher , Leiter Tyrolia-Verlag

Im Gespräch: Bischof Manfred Scheuer mit Bischof Michael Bünker

 

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KATHPRESS-Meldung 

Scheuer: Mit Religion gegen „Erosion tragender Werte“ 

Innsbrucker Bischof widmet sich in neuem Buch u. a. der Frage "Braucht Demokratie Religion?" - Theologische Ethik soll "Bewusstsein schaffen von dem, was fehlt" bzw. "was zum Himmel schreit"=

Innsbruck, 2.11.2015 (KAP) "Braucht Demokratie Religion?" Mit dieser Frage setzt sich der Innsbrucker Bischof und frühere Theologieprofessor Manfred Scheuer in seinem eben erschienenen Buch "Wider den kirchlichen Narzissmus" auseinander. Seine eindeutig bejahende Antwort begründet Scheuer wie folgt: "Wer heute wirklich frei sein will und nicht bloß modisch, nicht getrieben von Zeitgeist, der muss aus der Ewigkeit schöpfen, wer sich auf die Gesellschaft, auf Menschen einlassen will, der braucht gute Wurzeln." Die christliche Religion biete beides - Bezugnahme zur Ewigkeit und Verwurzelung - und könne somit der heutigen "Erosion der unsere freiheitliche Ordnung tragenden Werte und Ziele" entgegenwirken, die laut Scheuer "unübersehbar" ist.

 

Die gegenwärtige, von Wissenschaft und Technik bestimmte Kultur zeige vielfache negative Auswirkungen etwa in Form immer deutlicher werdender Umweltschäden, wies der Bischof auf Gefahren eines defizitären Weltbildes hin. Damit Hand in Hand gehe eine Abwendung von christliche geprägter Religiosität in den westlichen Gesellschaften: Die Bevölkerungsmehrheit habe hier aufgehört, an der traditionellen Religionsausübung teilzunehmen, es herrsche zudem eine Kluft zwischen dem, was die Kirche lehrt, und dem Lebensgefühl der Menschen.

 

In seiner Zivilisationskritik beruft sich der vielbelesene Innsbrucker Bischof u.a. auf den deutschen Staatsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde, demzufolge der Staat von Voraussetzungen lebt, "die er selbst nicht garantieren kann", aber auch auf die Philosophen der Frankfurter Schule Theodor Adorno und Jürgen Habermas. Für letzteren ist Religion zur Selbstkontrolle einer diesseitig-demokratischen Gesellschaft "hilfreich, wenn nicht unentbehrlich", wie Scheuer erinnert. In deren Überlieferungen wie dem Motiv der Gottebenbildlichkeit des Menschen lägen Einsichten, die auch eine weltliche Gesellschaft nur zu ihrem Schaden vernachlässigen könne.

 

Bestimmen Lobbys über Wahrheit? 

Auch das Lehrschreiben von Johannes Paul II. "Centesimus annus" führt Scheuer ins Treffen, um zu warnen: Wenn es keine Wahrheit gibt, die die politischen Aktivitäten anleitet, können Ideen und Überzeugungen leicht aus Machtgründen manipuliert werden. "Vom Standpunkt der Politik gesehen ist Wahrheit despotisch; und dies ist der Grund, warum Tyrannen sie hassen und Konkurrenz mit ihr fürchten", habe auch die Philosophin Hannah Arendt festgestellt.

Die heute offensichtliche Gefahr des Lobbyismus mit dem Durchsetzen von subjektiven, klassenspezifischen, politischen oder ökonomischen Eigeninteressen macht Scheuer in seinem Buch am Beispiel des Themas Lebensschutz fest. Er stellt skeptische Fragen: "Wem wird die Definitionsgewalt über den Beginn und das Ende des Lebens zugeschrieben, oder wer reißt sie an sich? Können wir der Naturwissenschaft die Entscheidung darüber überlassen, was der Mensch ist, welches Leben lebenswert ist und welches nicht?" Die Versuchungen, "den rechten Menschen zu konstruieren", mit Menschenleben zu experimentieren oder "Menschen als Müll anzusehen und zu beseitigen", ist nach den Worten des Bischofs "kein Hirngespinst fortschrittsfeindlicher Moralisten".

 

Für Fragen, die das Menschenbild oder das Gemeinwohl betreffen, für solche, die das Woher und Wohin des Lebens betreffen oder den Schutz der Schwächsten betreffen, ist Religion laut Scheuer unverzichtbar. Sie müsse "ein Bewusstsein von dem, was fehlt" und von dem, "was zum Himmel schreit", schaffen. "Indem theologische Ethik diese Klarheit und Ehrlichkeit im Umgang mit den letzten Fragen einklagt, leistet sie einen Beitrag zu wahrhafter Politik." Diese dürfe umgekehrt den fundamentalen Fragen, die eine Gesellschaft als ganze betreffen, nicht ausweichen, unterstrich Scheuer.

 

Kritik an "Was bringt's"-Haltung 

Kritik übt der Bischof auch an der gegenwärtigen Unkultur, "die alles verrechnen und auch alles bezahlen will". In ihr würden auch Kirche und Religion nur danach beurteilt, was sie für die Volkswirtschaft an Ertrag bringen. Aber: "Ohne Gang zu den Quellen verkarstet das Leben, brennt es aus, wird es oberflächlich, banal und leer", gab Scheuer zu bedenken. Es brauche Räume des Gebets und der absichtslosen Kontemplation, "die sich der Zweckrationalität, dem unheimlichen Leistungsdruck der Vereinnahmung und Bemächtigung, auch der Instrumentalisierung entziehen".

In weiteren Kapiteln richtet Bischof Scheuer die Aufmerksamkeit auf weitere Brennpunkte öffentlicher Auseinandersetzung, in denen Christinnen und Christen mit ihren Antworten gefragt sind: Migrationsbewegungen, Verschwendung von Nahrungsmitteln und Ressourcen, Stellenwert der religiösen Bildung, Jugend und Gesellschaft, Leiten und Führen in der Kirche u.v.m. Scheuer greift damit die Kritik von Papst Franziskus vor dem Konklave an einer Form von "Narzissmus" auf, bei dem die Kirche selbstverliebt um sich kreist, statt ihre Aufgaben in der Welt wahrzunehmen.

Präsentiert wurde der Band "Wider den kirchlichen Narzissmus" jüngst im Innsbrucker Haus der Begegnung, einführende Worte sprach dabei Gottfried Kompatscher, der Leiter des Tyrolia-Verlages.

(ende) rme/per/

http://www.kathpress.at/goto/meldung/1313947/scheuer-mit-religion-gegen-erosion-tragender-werte 

 

Bisherige Rezensionen 

Die Presse, Wien

Theologie: Antidepressiva für die Kirche 

Franziskanische Wende in der Theologie: Tirols Bischof, Manfred Scheuer, wendet sich in einem spirituell-politischen Plädoyer, „Wider den kirchlichen Narzissmus“ (Tyrolia), gegen eine „depressive“ Stimmung angesichts sich auflösender tradierter Kirchengestalt. Und sieht „Sterbestunden“ (wörtlich!) der Kirche als Geburtsszenarien erwachsenen Christentums. Dass die Hoffnung in Franziskus gründet, beweist Scheuer durch unzählige Bezugnahmen auf ihn. Präsenz unter und Solidarität mit den Menschen sieht er als Voraussetzungen einer Kirche, die die Botschaft Jesu lebt – „denn Gott ist nicht in einer gespenstischen Ortlosigkeit, nicht weltlos, nicht realitätsscheu“. (d.n.)

http://diepresse.com/home/panorama/religion/4849036/Theologie_Antidepressiva-fur-die-Kirche 

 

 

Christ in der Gegenwart, Verlag Herder, Freiburg

Politisch-geistiges Notizbuch, das ohne kirchliche Nabelschau auskommt 

Der Innsbrucker Bischof Manfred Scheuer hat eine inspirierende Sammlung von Aufsätzen, Predigten, Vorträgen vorgelegt, die aus der Perspektive des Christusglaubens auf die Wunden der Welt blicken. Er zitiert den Künstler Joseph Beuys und dessen berühmte Installation „Zeige deine Wunde“. Denn darum geht es: offenlegen, offen zeigen, woran Menschen leiden. Diese Wirklichkeit der Armen, Kranken, Verfolgten, Behinderten, Obdachlosen, Trauernden, Flüchtenden, Verletzten ist in den Wärmestrom des Christusimpulses zu versetzen, damit, so Beuys, „die Todesstarre überwunden werden kann“.
Der Verfasser berührt in fünf Kapiteln zentrale biblisch-spirituelle Fragestellungen unserer Zeit: Fluchtbewegungen, Armut, Macht und Religion, religiöse Bildung. Vor allem: Was heißt Christusnachfolge? Entstanden ist eine Art politisch-geistiges Notizbuch, das ohne kirchliche Nabelschau auskommt, sich kurzweilig liest und das Augenmaß für die Lebensrealitäten behält. Immer wieder zitiert der Autor anregende spirituelle Quellen aus dem französischsprachigen Raum. So auch den Philosophen Maurice Blondel, womit der Kern des Buches gut getroffen ist: „Das Fenster der Verwundbarkeit ist ein Fenster zum Himmel.“ Und: „Christus ist die Wunde Gottes in der Welt.“  Jürgen Springer 

 

http://www.christ-in-der-gegenwart.de/aktuell/extras/rezension_druckversion?k_beitrag=4566078 

 

 

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Diözese Innsbruck - Aktuell