Sonderausstellung über Leokadia Justman eröffnet
Es ist eine Lebensgeschichte, die Anklänge an den Spielberg-Klassiker „Schindlers Liste“ weckt: Leokadia Justman überlebte nach ihrem Entkommen aus dem Warschauer Ghetto die grausame NS-Verfolgung unter falscher Identität in Tirol und Salzburg – nicht zuletzt durch das selbstlose Einschreiten mehrerer Tiroler HelferInnen. Am Montag, 27. Jänner 2025, eröffnete Landeshauptmann Anton Mattle im Landhaus die neue Sonderausstellung „Leokadia Justman. Brechen wir aus! Als polnische Jüdin auf der Flucht in Tirol“, die Justmans spektakuläre Flucht beleuchtet und Einblicke in die systematische Verfolgung von jüdischen Menschen in Tirol gibt.
Gemeinsam mit Landesamtsdirektor Herbert Forster, der Rektorin der Universität Innsbruck Veronika Sexl, Innsbrucks Vizebürgermeister Georg Willi, den Ausstellungskuratoren Niko Hofinger und P. Dominik Markl SJ – die zusammen auch Leokadia Justmans Überlebensgeschichte in Buchform herausgegeben haben – und Justmans Sohn Jeffrey Wisnicki wurde die Ausstellung in einem feierlichen Rahmen eröffnet. „Das Schicksal der Leokadia Justman ist ein eindrückliches Zeugnis von Überlebenswille und Solidarität inmitten der unmenschlichen Verfolgung durch das NS-Regime. Ihre Geschichte ist ein Appell an uns alle, demokratische Werte wie Pluralität, Solidarität und Gleichberechtigung zu wahren“, mahnt LH Mattle eindringlich mit Blick auf die neuen Ausstellungsinhalte.

Mit der 2023 ins Leben gerufenen Präsentation „Vom Gauhaus zum Landhaus. Ein Tiroler NS-Bau und seine Geschichte“ – kuratiert von Hilde Strobl und Christian Mathies – setzte das Land Tirol bereits ein deutliches Zeichen für eine aktive Erinnerungskultur, wie auch LH Mattle bestätigt. „Die Vergangenheit können wir nicht ungeschehen machen – sehr wohl aber liegt es in unser aller Verantwortung, dass sich solche Gräueltaten niemals wiederholen. Die bisherige Ausstellung im Landhaus ist ein wesentlicher Schritt für die Aufarbeitung von Tirols Geschichte während der NS-Zeit. Und die Zahlen sprechen für sich: Mehr als 12.500 Menschen und 49 Schulklassen haben innerhalb eines Jahres den lange verschwiegenen Täterort im Landhaus besucht und sich mit diesem dunklen Kapitel der Geschichte auseinandergesetzt. Mit dem Fortführen als virtuelle Ausstellung wollen wir insbesondere junge Menschen aufklären, informieren und sensibilisieren“, betont LH Mattle und fügt hinzu: „Wir leben Erinnerungskultur auf Augenhöhe, mit einem niederschwelligen Vermittlungsansatz und bis in den digitalen Raum hinein.“ Das Neue Landhaus in Innsbruck wurde 1938/1939 als Gauhaus für die nationalsozialistischen Parteidienststellen errichtet und ist der größte heute noch bestehende NS-Bau Tirols.
„Brechen wir aus!“ – die mitreißende Geschichte der Leokadia Justman
Die neue Landhaus-Ausstellung fußt auf Leokadia Justmans autobiografischem Bericht – dem ersten literarischen Textzeugnis einer Holocaust-Überlebenden aus Tirol. „Die Geschichte der Leokadia Justman ist eine besonders dramatische und fesselnde: Nachdem ihre Mutter die Deportation in ein NS-Vernichtungslager auf sich nahm, um das Leben ihrer Tochter zu retten, gelang der jungen Polin gemeinsam mit ihrem Vater die Flucht nach Tirol. Von da an konnte sie – auch durch das mutige Einschreiten von Tirolerinnen und Tirolern – die Verfolgung durch die Nationalsozialisten überleben“, gewährt LH Mattle Einblick in das bewegte Leben der polnischen Jüdin.
Die Kuratoren Hofinger und Markl unterstreichen zum Auftakt der neuen Ausstellung: „Unser Dank gilt dem Land Tirol für die lebendige Vermittlungsarbeit und für die Möglichkeit, Leokadia Justmans Geschichte in den Fokus zu rücken. Es ist ein starkes und wichtiges Zeichen, dass die Ausstellung gerade im sogenannten ‚Gauleiter-Hofer-Zimmer‘ gezeigt wird – einem Raum, der wie kaum ein anderer die düsteren Kapitel der NS-Zeit symbolisiert.“
Zur Konzeption der Ausstellung sagen Hofinger und Markl: „Das Polizeigefängnis beim Innsbrucker Bahnhof, aus dem Leokadia Justman am 18. Januar 1945 mit ihrer Freundin ausgebrochen ist, ist in Vergessenheit geraten. Seine düstere Rolle als Sammelpunkt für die Deportation vieler Häftlinge in Konzentrationslager wird in Videos und einem Modell gezeigt. Außerdem ist an die Wand groß das Innsbrucker Stadtbild gezeichnet, in das Besucherinnen und Besucher Personenkarten einsetzen können, womit sich die interaktive Karte ständig verändert. Welche Rollen spielten Leokadias Bekannte und Mithäftlinge? Wer waren die HelferInnen und wer die Verfolger? Information für alle Altersstufen ist so um einen spielerischen Zugang besonders für Jugendliche ergänzt.“
Multimediale Einblicke und ein umfassendes Vermittlungsprogramm
Ein fein säuberlicher, mit Hand gezeichneter Stadtplan skizziert Leokadia Justmans Stationen in der Landeshauptstadt Innsbruck, an der Wand gegenüber kommen ihre Nachfahren in Interview-Mitschnitten zu Wort. Im sogenannten ehemaligen „Gauleiter-Hofer-Zimmer“ des Landhauses präsentiert die Sonderausstellung Justmans Flucht und Überleben mit Fotos, Karten, Dokumenten und multimedialen Inhalten. Sie beleuchtet zugleich die systematische Verfolgung jüdischer Menschen in Tirol und die couragierte Hilfe einzelner BürgerInnen.
Zusätzlich zur Ausstellung wird ein breitgefächertes Vermittlungsprogramm angeboten: Monatlich finden KuratorInnen-Führungen zur neuen Justman-Präsentation und zur Rahmenausstellung „Vom Gauhaus zum Landhaus“ – die auch weiterhin in neuer Form als dauerhafte Rahmenausstellung besichtigt werden kann – im Landhaus statt. Parallel dazu lädt das Land Tirol beispielsweise am 26. März gemeinsam mit der Universität Innsbruck und dem Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck zu einer Konferenz rund um das Wechselspiel von Überleben und Erinnerung, am 10. April wird der junge Tiroler Illustrator Alwin Hecher seine neueste Graphic Novel zu Leokadia Justman vorstellen.
Eine Übersicht zu allen weiteren Veranstaltungen, Theaterperformances und Vorträgen anlässlich des Erinnerungsjahrs 2025 ist unter tirol.gv.at/erinnern zu finden. Für alle SchülerInnen ab der vierten Schulstufe gibt es außerdem dem Alter entsprechende Vermittlungsangebote, die sich mit Leokadia Justmans Lebensgeschichte auseinandersetzen.

V. l.: Landesamtsdirektor Herbert Forster, die beiden Ausstellungskuratoren Dominik Markl und Niko Hofinger, Hilde Strobl (Kuratorin der Rahmenausstellung „Vom Gauhaus zum Landhaus“) und Landeshauptmann Anton Mattle. © Land Tirol/Christanell

Die Ausstellung im sogenannten ehemaligen „Gauleiter-Hofer-Zimmer“ kann montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr kostenfrei besucht werden. © Land Tirol/Christanell
Die Ausstellung „Leokadia Justman. Brechen wir aus! Als polnische Jüdin auf der Flucht in Tirol“ ist eine Sonderpräsentation ergänzend zur Rahmenausstellung „Vom Gauhaus zum Landhaus. Ein Tiroler NS-Bau und seine Geschichte“ und wird von 27. Januar bis 26. Oktober 2025 im Landhaus 1 zu sehen sein. Das Projekt ist eine Kooperation des Landes Tirol mit der Universität Innsbruck und dem Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, der Pädagogischen Hochschule Tirol, dem Archiv für Bau.Kunst.Geschichte, dem Programm ERINNERN:AT des OeAD (Österreichs Agentur für Bildung und Internationalisierung) zum Lehren und Lernen über Nationalsozialismus und Holocaust sowie dem Verein Wissenschaft und Verantwortlichkeit. Alle Veranstaltungen zum Thema „Tirol erinnert“ anlässlich des Gedenkens „80 Jahre Ende Zweiter Weltkrieg“ sind unter tirol.gv.at/erinnern zu finden – dort steht auch der virtuelle 360-Grad-Rundgang „Vom Gauhaus zum Landhaus“ zur Verfügung.
- Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr
- Ort: Landhaus 1 (Ausstellungsräume 1. Stock), Eduard-Wallnöfer-Platz 3, Innsbruck (aus Sicherheitsgründen muss während des Ausstellungsbesuchs ein Lichtbildausweis beim Portier hinterlegt werden)
- Termin-Buchungen: Gruppen können sich vorab über das Online-Terminbuchungsportal ONTE anmelden (die BesucherInnenzahl der Ausstellungsräume ist auf max. 30 Personen gleichzeitig beschränkt).
- Veranstaltungen/Führungen: Das begleitende Rahmenprogramm zu den Ausstellungen im Landhaus kann unter tirol.gv.at/erinnern abgerufen werden.
- Angebote für Gruppen und Schulklassen: Anmeldungen für Schulen sind unter der E-Mail-Adresse selina.mittermeier@icloud.com möglich.

Die Sonderpräsentation beleuchtet das Leben der polnischen Jüdin Leokadia Justman, die nach ihrem Ausbruch aus dem Warschauer Ghetto nach Tirol floh. © Land Tirol/Christanell

LH Anton Mattle gemeinsam mit der Familie Wisnicki, den Nachfahren von Leokadia Justman. © Land Tirol/Die Fotografen