Telefonseelsorge berät seit 10 Jahren auch online

Die Telefonseelsorge – Notruf 142 unterstützt Menschen in Krisenzeiten; seit zehn Jahren bietet sie auch Beratung per Mail und Chat an, die vor allem von jüngeren Menschen gern in Anspruch genommen wird

Im Jahr 2012 hat die Telefonseelsorge Österreich die gemeinsame Mailberatung gestartet. Seitdem wurde das Angebot der Onlineberatung schrittweise erweitert. Seit 2016 gibt es neben der Mailberatung auch die Möglichkeit, sich via Chat an die Telefonseelsorge zu wenden. Der Chat wird seit 2020 täglich angeboten – inzwischen von 16 bis 23 Uhr.

 

Die Erfahrungen zeigen, dass sich vor allem im Vergleich zum Telefon vorwiegend jüngere Menschen über die Onlineberatung an die Telefonseelsorge wenden. „Bei jüngeren Menschen beobachten wir, wie das Bewusstwerden der Zerbrechlichkeit ihrer Lebenswelt zu einer gewissen Orientierungslosigkeit führt“, weiß Astrid Höpperger, Leiterin der Telefonseelsorge Innsbruck. Gerade in den späteren Abendstunden steigt die Nachfrage nach Chatberatungen. Thematisch stehen psychische Erkrankungen oder Symptome wie etwa Selbstverletzung, Beziehungsprobleme oder quälende Suizidgedanken im Vordergrund. „Gerade jetzt in den ersten Wochen eines neuen Schuljahres wenden sich auch vermehrt Jugendliche mit Schulangst bei uns“, erzählt Höpperger.

 

Kostenlos, anonym und ohne Anmeldung
Unter der Nummer 142 haben die MitarbeiterInnen der Telefonseelsorge ein offenes Ohr für alle telefonischen Anliegen und Nöte. Sie erleichtern Menschen in Krisenzeiten das Durchhalten und stehen ihnen beratend zur Seite. Doch nicht jedeR will telefonieren – gerade bei heiklen Angelegenheiten bevorzugen oftmals Jüngere Trost und Hilfe via Chat oder E-Mail. Für die Mailberatung ist eine einmalige Registrierung mit (anonymisierter) E-Mail-Adresse und Passwort notwendig, damit die Antworten abgerufen werden können. 

 

Der Chat ist aus ganz Österreich kostenlos, anonym und vom eigenen Wohnzimmer aus erreichbar. Ohne Anmeldung kann direkt mit geschulten BeraterInnen gechattet werden. Eine spezielle Verschlüsselung gewährleistet Sicherheit und Datenschutz. Die Unterhaltung findet online und auf schriftlichem Wege statt. Belastungen, Sorgen und Problemen werden niedergeschrieben und von den BeraterInnen beantwortet. Sie bieten Entlastung, unterstützen beim „Sich-Sortieren“ und helfen bei der Suche nach Wegen zur Angstreduktion. „Unsere BeraterInnen bieten ein menschliches Gegenüber, Kontakt und Unterstützung bei der Suche nach Gestaltungsmöglichkeiten oder Lösungsideen“, so Höpperger.

 

Emotionale Nähe trotz räumlicher Distanz
Oft bringt das Schreiben über das, was beschäftigt, eine erste Entlastung für junge Menschen, wie Höpperger betont: „Im Schutz der Anonymität öffnen sich Jugendliche häufig leichter und schneller, sodass auch schambesetzte Themen wie selbstverletzendes Verhalten, Suizidgedanken, Missbrauch oder Suchtproblematiken angesprochen werden. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Beratungen über das Internet trotz der räumlichen Distanz sehr emotional sein können. Paradoxerweise entsteht gerade durch die Niederschwelligkeit der Chatberatung eine oft sehr große Nähe.“ 

 

Ein offenes Herz für Menschen in Not zu haben, setzt neben Lebenserfahrung und Einfühlungsvermögen ein hohes Maß an fachlicher Kompetenz voraus. Alle BeraterInnen durchlaufen deshalb eine Ausbildung, die Techniken der Gesprächsführung und Krisenintervention beinhaltet, damit sie Menschen in schwierigen Lebenssituationen kompetent beraten und begleiten können. Diese fundierte Ausbildung, regelmäßige Fortbildungen und monatliche Supervision bilden die Grundlagen der Arbeit in der Onlineberatung der Telefonseelsorge.

 

Zukunftsmodell Onlineberatung
Viele Beratungs- und Therapieeinrichtungen haben mit Beginn der Corona-Pandemie neben der klassischen Face-to-face-Beratung Telefon- und Onlineberatung in ihr Angebotsspektrum aufgenommen. Wie selbstverständlich wurde in der Krise am Telefon und im Videochat beraten, behandelt und therapiert. Die Krise hat bewirkt, dass Onlineberatung in der medialen Wahrnehmung nicht nur endlich angekommen ist, sondern auf breite Akzeptanz gestoßen ist. 

 

Astrid Höpperger: „Wir sehen es als wichtige Entwicklung, dass im Zeitalter der digitalen Transformation auch die psychosoziale Beratung auf eine breite Basis gestellt wird. Wichtig wird es sicherlich sein, Onlineberatungsangebote im Rahmen etablierter Qualitätsstandards zu entwickeln. BeraterInnen müssen qualifiziert und die nötigen technologischen Voraussetzungen geschaffen werden. Sind Datenschutz und Beratungsqualität gewährleistet, zeigt sich in diversen Studien, dass Onlineberatung und -therapie wirksam sein können.“

 

Die Onlineberatung hat sich als wertvolle Ergänzung zum telefonischen Angebot der Telefonseelsorge erwiesen. „Die Onlineberatung gibt der Telefonseelsorge ein ‚Gesicht mit Zukunft‘“, ist Höpperger überzeugt. Auch an der Einbindung weiterer Kanäle werde derzeit gearbeitet. „Gerade entwickeln wir ein Konzept, wie wir eine sichere Messenger-Beratung anbieten können“, verrät Höpperger.

 

www.onlineberatung-telefonseelsorge.at 

Foto: Oleksandr Pidvalnyi/Pixabay