Sich zu Ochs und Esel gesellen

Weihnachtsgedanken von Generalvikar Jakob Bürgler in der Weihnachtsausgabe der Kirchenzeitung Tiroler Sonntag.

Ein kleines Erlebnis bewegt mich immer wieder aufs Neue. Ingrid und ihre kleine Tochter Marlene besu- chen uns zu Weihnachten. Marlene ist ganz fasziniert von den großen Krippenfiguren in unserer Ku?che. Es sind nur drei Figuren: Maria, Josef und das Jesuskind. Das Jesuskind liegt fest eingebunden in Windeln auf einem roten Tuch. Marlene nimmt dieses Kindlein in ihre klei- nen Ha?nde, umfasst es innig, wie eine bergende Schale, und gibt ihm einen Kuss.

Die kleine Marlene gibt uns Erwachsenen Nachhilfe: Die Weihnachtskrippe und ihre Figuren tragen eine Botschaft in sich. Sie wollen uns etwas sagen. Und sie lo?sen eine Antwort aus, eine Antwort aus der Tiefe des Herzens. In Krippenfiguren wird sichtbar, was durch Worte nur schwer beschrieben werden kann. Im Juni dieses Jahres habe ich einige Tage in Erfurt verbracht. Auch der Besuch des Domberges geho?rte zum Programm. Im Mariendom ist mir eine barocke Krippen- darstellung (siehe Bild) unvergesslich. Maria kniet mit gefalteten Ha?nden neben dem Christuskind im goldenen Stroh. Josef bereitet eine Mahlzeit zu, auf einem Feuer, das ein Engel mit einem Windbeutel anfacht.

Unscheinbar zwischen den beiden, hinter dem Kind, schauen Ochs und Esel in die kleine Familie „herein“. Ochs und Esel sind es, die mich zum Nachdenken bringen. Mit liebevollen Augen blickt der Ochse auf das Jesuskind. Man kann beinahe den warmen Atem spu?ren, mit dem er das Kind anhaucht. Die gewaltige Kraft des Ochsen, seine „innere Energie“, hat sich in eine geradezu za?rtliche Wa?rme gewandelt. Und dahinter der Esel: Schreit er auf? Ga?hnt er? Gibt er ein Zeichen der Freude von sich, einen Schrei der Begeisterung? Fu?r mich wird in diesem Esel ein „Ausbruch“ von herzlicher Freude sichtbar.

Ochs und Esel: Zwei „Randfiguren“ in der Weihnachtskrippe. Sie tragen eine Botschaft in sich. Sie wollen uns etwas sagen. Der Ochse kann seine un-ba?ndige Kraft wandeln und wird zum Sinnbild einer bergenden Wa?rme und Za?rtlichkeit. Der Esel, ein Lasttier, wird u?berwa?ltigt von herzlicher Freude. Die beiden Figuren, Ochs und Esel, werden zu Weihnachten symbolisch in unsere Ha?nde gelegt. Wir bergen sie wie in einer Schale und lassen sie zu uns sprechen. Der Ochse sagt: Das Kind in der Krippe will die inneren Ha?rten und Kanten in dir verso?hnen. Es will deine Aggressionen wandeln und dei- ne Verletzungen heilen. Das Kind in der Krippe will dich von den schweren Lasten des Lebens entlasten und dir ein Aufatmen schenken. Es will in dir einen Funken von Freude und Fro?hlichkeit entzu?nden. Ob du das zula?sst? Ob das Christuskind in dir wirken darf?

Eine kleine U?bung fu?r die Weihnachtsfeiertage: Nimm eine Figur aus der Krippe und lege sie in deine Ha?nde. Lass dich u?berraschen durch das, was sie dir sagen will. Antworte mit deinem Herzen! Dann kann das Fest der Heiligen Weihnacht fu?r dich zum beru?hrenden Fest werden!

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