Botschaft von Bichof Scheuer zum Jahreswechsel

Der dankbare Rückblick auf das, was war, befreie von einem zwanghaften Bemühen, das Leben selbst "machen" zu wollen, sagt Bischof Manfred Scheuer in einer Botschaft zum Jahreswechsel.

Der dankbare Rückblick auf das, was war, befreie von einem zwanghaften Bemühen, das Leben selbst "machen" zu wollen, sagt Bischof Manfred Scheuer in einer Botschaft zum Jahreswechsel. 

 

„Rettungsgasse“ ist das Wort des Jahres 2012. Dahinter landete „Schulschwänzbeauftragter“, gefolgt von „präfrustriert“. Unwort des Jahres wurde „Unschuldsvermuteter“ vor „Pleitegriechen“ und „Anfütterungsverbot“. Zum Jugendwort bzw. -begriff des Jahres wurde „leider geil“ gekürt. Worte stehen für Inhalte und Bedeutung. Was ist das wichtigste Wort des Jahres 2012?
Der amerikanische Journalist Hunter Thompson ist bekannt für seine ungewöhnlich gründlichen Recherchen. Er verbrachte beispielsweise ein ganzes Jahr mit den „Hell's Angels“, um einen authentischen Bericht über die Rocker schreiben zu können. Seine Honorarforderungen sind entsprechend hoch: Er verlangt zwölf Dollar pro Wort. Vor einiger Zeit schickten ihm Studenten aus Spaß zwölf Dollar mit dem Vermerk, er solle ihnen dafür sein bestes Wort des letzten Jahres zukommen lassen. Postwendend schrieb er zurück: „Danke!“
Denken und Danken stammen aus derselben sprachlichen Wurzel. Undankbarkeit ist Gedankenlosigkeit und umgekehrt. In der Sprache der Heiligen Schrift: Das Gute vergessen bringt den Menschen in das „Land der Finsternis“ (Ps 88,13). Deswegen sagt der Psalmist: „Meine Seele, vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!“ (Ps 103,2) Dankbarkeit befreit von dem zwanghaften und verfehlten Bemühen, das Leben selbst „machen“ zu wollen oder zu müssen. Dankbarkeit hat eine befreiende Wirkung. Sie befreit von selbstbezogener Enge und Ängsten; sie öffnet den Blick auf andere.
Wenn wir dankbar sind, dann sind wir menschlich - genauso wie wenn wir schwach sind, Fehler machen, enttäuscht sind, lachen und lieben. Dankbarkeit blickt nie bloß zurück, sondern bewährt sich im Vorausblick. Dankbarkeit auf Zukunft gerichtet ist Hoffnung. Oder im Gegensinn: Hoffnungslosigkeit, Resignation ist Undankbarkeit. Ich wünsche Ihnen einen dankbaren und versöhnten Rückblick auf das Jahr 2012 und Gottes Segen für 2013. 

Manfred Scheuer, Bischof von Innsbruck 

Die Botschaft als Audiodatei 

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Diözese Innsbruck - Aktuell