Bischof Hermann: Respekt und Kritik für Vorlage zum Sterbeverfügungsgesetz

Der für Lebensschutzfragen zuständige Innsbrucker Bischof respektiert Bemühen um eine verantwortungsvolle Regelung, lobt Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung, zeigt sich aber enttäuscht über vertane Chancen bei der Suizidprävention

"Trotz der gesetzlichen Straffreistellung der Beihilfe zum Suizid muss auch in Zukunft die Vermeidung von Selbsttötungen für eine humane Gesellschaft oberste Priorität haben." Das erklärte Bischof Hermann Glettler am Samstag im Interview mit Kathpress zum geplanten Sterbeverfügungsgesetz. Der in der Bischofskonferenz für Lebensschutzfragen zuständige Innsbrucker Bischof sagte, er respektiere im vorliegenden Entwurf die Bemühung des Gesetzgebers, eine sensible und verantwortungsvolle Regelung vorzulegen. Schließlich habe es "der Verfassungsgerichtshof dem Gesetzgeber nicht einfach gemacht, Maßnahmen zum Schutz vulnerabler Gruppen zu erlassen". Höchst positiv ist für Bischof Glettler das deutliche Bekenntnis zur substantiellen Aufstockung der Hospiz- und Palliativversorgung.

 

"Mit dem flächendeckenden Ausbau der palliativen Medizin und der Hospizversorgung wird eine Kultur menschlicher Begleitung und ein Ja zum Leben, das es vor allem auch am Lebensende braucht, gefördert." Die Katholische Kirche werde im Verbund mit vielen Institutionen und im Einklang mit anderen Religionsgemeinschaften sich weiterhin für jede Form notwendiger "Assistenz zum Leben" einsetzen, doch "am klaren Nein zu jeder Form der Beihilfe zur Selbsttötung festhalten - trotz der gesetzlichen Straffreistellung."

 

Glettler räumte ein, dass für den Gesetzgeber der Spagat zwischen einem Recht auf Selbsttötung mithilfe Dritter und dem Schutz vor äußeren Einflüssen oder innerem Druck, sich das Leben zu nehmen, groß sei. Der nun vorliegende Entwurf verfolge aus der Sicht des Bischofs einige wichtige Ansätze wie den mehrstufigen Beratungsprozess als Schutz vor Irrtum oder übereiltem Handeln. Auch sei zu begrüßen, dass die Beihilfe zum Suizid nicht als ärztliche Leistung eingestuft werde. Dass jedoch "zusätzlich zur medizinischen Diagnose und palliativmedizinischen Aufklärung die Ärzte auch noch die Frage der Willens- und Entscheidungsfreiheit des Suizidwilligen zu klären haben, ist eigentlich nicht zumutbar", so Bischof Glettler. Hier sollte unbedingt noch eine Anpassung erfolgen, sodass die vom Notar zu erstellende Sterbeverfügung in jedem Fall notwendig ist.

 

Nach der ersten Durchsicht des Gesetzesentwurfs blieben für die Katholische Kirche jedoch noch wesentliche Fragen offen, hielt Gletter fest: "Wo etwa bleibt die verpflichtende Suizidprävention? Wo bleibt die rechtlich erhöhte Absicherung des Verbots der Tötung auf Verlangen?". Nach dem Urteil des VfGH im Vorjahr hätten sich fast alle Parlamentsparteien klar "für ein striktes Verbot der Tötung auf Verlangen" ausgesprochen. Darauf könnte man aufbauen und eine Zweidrittelmehrheit im Parlament erhoffen, so Bischof Hermann Glettler, doch "der nunmehrige Entwurf erwähnt dies nicht einmal".

 

Abschließend kündigte Glettler eine detaillierte Stellungnahme der Bischofskonferenz im Rahmen der Gesetzesbegutachtung an. Die Thematik werde auch ein Hauptthema bei der November-Vollversammlung der Bischöfe sein.
Eine Meldung von www.kathpress.at 

Aichner/dibk.at

Ergänzende Statements

Ergänzend zur laufenden Berichterstattung legt Bischof Hermann Wert darauf, folgendes festzuhalten:

„Auch wenn der Entwurf zum Sterbeverfügungsgesetz einen respektablen Rahmen vorschlägt, um die straffrei gesetzte Beihilfe zur Selbsttötung vor Missbrauch zu schützen, bleibt dennoch die Grundhaltung der katholischen Kirche klar: Wir möchten alles dafür einsetzen, um Menschen in ihrer letzten Lebensphase gut zu begleiten und alle Möglichkeiten ausschöpfen, um unnötiges Leid zu vermeiden, doch die Beihilfe zum Suizid ist für uns keine ethisch vertretbare Option.“

 

„Positiv im vorliegenden Gesetzesentwurf ist die strukturierte Beratungsphase bis hin zur Errichtung einer sogenannten Sterbeverfügung. Wichtig ist neben der dafür vorgeschriebenen ärztlichen Aufklärung und notariellen Bestätigung eine darauf folgende 12-wöchige Wartezeit bis der suizidale Akt vorgenommen werden darf. Leider fehlt in der Gesetzesvorlage eine verpflichtende psychologische Abklärung. Sie wäre notwendig, weil sich Momente von Altersdepression und chronisch suizidalen Neigungen erst nach mehreren Gesprächen feststellen lassen.“

 

„Mit dem flächendeckenden Ausbau der palliativen Medizin und der Hospizversorgung, die mit einer gleichzeitig in Begutachtung geschickten Gesetzesvorlage geregelt werden soll, wird eine Kultur menschlicher Begleitung und ein Ja zum Leben, das es vor allem auch am Lebensende braucht, gefördert. Dass die Vermeidung von Suizid das erklärte Ziel einer humanen Gesellschaft in unserem Lande bleibt, wird damit glaubwürdig bestätigt.“

 

„Im Blick auf die Auswirkungen der neuen Gesetzgebung lässt sich jetzt schon sagen, dass es in kirchlichen Häusern, Spitälern, Alten- und Pflegewohnheimen ganz verlässlich keine Assistenz zum Suizid geben wird, auch nicht dessen Duldung. Selbstverständlich bieten wir auch in Zukunft zusätzlich zur palliativmedizinischen Versorgung jede Form menschlicher, seelsorglicher und therapeutischer Begleitung an. Wir lassen niemanden in seiner letzten Lebensphase allein!“

 

„Wesentlich deutlicher muss im zukünftigen Sterbeverfügungsgesetz noch das Benachteiligungsverbot hervorgehoben werden. Es garantiert nicht nur physischen Personen, sondern auch allen Einrichtungen in privater Trägerschaft, dass bei verweigerter Beihilfe zum Suizid weder eine direkte noch indirekte Benachteiligung entstehen darf.“