Bischöfe beschließen umfangreiche Maßnahmen gegen Missbrauch

Österreichs Bischöfe haben auf ihrer Tagung in Mariazell ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Aufarbeitung und künfitgen Verhinderung von Missbrauch und Gewalt in der Kirche beschlossen.

Die katholischen Bischöfe Österreichs haben ein umfassendes Paket an Maßnahmen und Regelungen zur Aufarbeitung und künftigen Verhinderung von Missbrauch und Gewalt in der Kirche beschlossen. Wie die Bischofskonferenz zum Abschluss ihrer Sommervollversammlung in Mariazell in einer Pressemitteilung bekanntgab, treten die Vorgaben bereits mit 1. Juli 2010 in Kraft. Sie gelten für den gesamten kirchlichen Bereich, sowohl für die hauptamtlichen als auch für die ehrenamtlichen Mitarbeiter, und sie sollen bis spätestens 31. März 2011 in allen österreichischen Diözesen umgesetzt sein. "Damit wird sichergestellt, dass alle in der Kirche mitverantwortlich sind, um Missbrauch und Gewalt noch besser zu verhindern", so die Bischöfe in ihrer Erklärung.

Die von der Bischofskonferenz verabschiedete "Rahmenordnung" gegen Missbrauch trägt den Titel "Die Wahrheit wird euch frei machen". Primäres Ziel aller Bemühungen "ist Hilfe und Gerechtigkeit für die Opfer", heißt es darin. Dazu hat die Kirche in jeder Diözese eine Ombudsstelle eingerichtet. Als zusätzliches österreichweites Angebot besteht seit April die "Unabhängige Opferschutzanwaltschaft" unter der Leitung von Waltraud Klasnic, die in ihrer Tätigkeit von der "Unabhängigen Opferschutzkommission" unterstützt wird, erinnert dieBischofskonferenz.

Konkret sieht die Rahmenordnung eine österreichweit einheitliche Gestaltung der diözesanen Ombudsstellen vor. Diese sollen von unabhängigen Fachleuten geleitet werden, die ihre Tätigkeit weisungsfrei ausführen. Die Ombudsstellen sind für den Erstkontakt und eine erste Klärung von Verdachtsfällen sowie für die Rechtsberatung und Begleitung der Opfer zuständig.

 

Anzeige bei staatlichen Behörden 

Zusätzlich zu den im Kirchenrecht vorgesehenen Maßnahmen im Hinblick auf eine kirchliche Voruntersuchung wird neben der Ombudsstelle in jeder Diözese eine Kommission eingesetzt, die auf Grundlage eines Berichts der Ombudsstelle die weiteren Konsequenzen für den mutmaßlichen Täter mit dem Bischof berät. "Besteht ein begründeter Verdacht, so wird der mutmaßliche Täter bis zur endgültigen Klärung des Sachverhalts dienstfrei gestellt. Dies geschieht in enger Kooperation mit den staatlichen Stellen", betont die Bischofskonferenz.

Erhärte sich der Verdacht, empfiehlt die Ombudsstelle dem Opfer, Anzeige zu erstatten. "Die kirchlichen Leitungsverantwortlichen werden in solchem Fall den mutmaßlichen Täter zur Selbstanzeige auffordern. Besteht außerdem die Gefahr, dass durch den mutmaßlichen Täter weitere Personen zu Schaden kommen könnten, ist deren Schutz vorrangig. In diesem Fall wird auf Initiative der Kirche der Sachverhalt zur Anzeige gebracht", stellen die Bischöfe klar.

 

"Stiftung Opferschutz" 

Die diözesanen Ombudsstellen übernehmen als erste Anlaufstelle für Opfer die Kosten der Therapien. Zusätzlich richtet die Österreichische Bischofskonferenz die "Stiftung Opferschutz" ein. "Durch sie werden Geldmittel im erforderlichen Ausmaß bereitgestellt, um den Opfern rasch, unbürokratisch, menschlich und angemessen zu helfen", betont die Bischofskonferenz. Die "Stiftung Opferschutz" wird in den von der "Unabhängigen Opferschutzanwaltschaft" oder den diözesanen Ombudsstellen geprüften Fällen für Therapiekosten sowie für allfällige Schmerzensgeld- und Schadensersatzzahlungen aufkommen. Diese Zahlungen würden nicht aus dem Kirchenbeitrag finanziert, sondern in der Folge beim Täter oder bei einer verantwortlichen Institution eingefordert.

Außerdem wollen die Bischöfe umfangreiche Maßnahmen im Bereich der Prävention ergreifen. Sie betreffen die Auswahl und Aufnahme von Personen in den kirchlichen Dienst, die Aus- und Weiterbildung sowie die Einrichtung einer Stabsstelle "Kinder- und Jugendschutz" in jeder Diözese, heißt es zu den Maßnahmen, Regelungen und Orientierungshilfen gegen Missbrauch und Gewalt

Die Kirche wolle erlittenes Unrecht "so weit wie möglich wieder gut machen, die erlittenen Verwundungen heilen sowie Missbrauch und Gewalt verhindern". Die Bischofskonferenz habe bereits bei ihrer letzten Vollversammlung im März klare Vorgaben beschlossen. Seither seien in der Kirche bereits eine Reihe von konkreten Maßnahmen getroffen worden. Man habe alle, die Missbrauch erlitten haben, ermutigt und eingeladen, sich an die Ombudsstellen der Diözesen oder an die Unabhängige Opferschutzanwältin Waltraud Klasnic zu wenden, erinnern die Bischöfe. Viele Betroffene seien dieser Einladung gefolgt.

 

"Mauer des Schweigens aufgebrochen" 

Wörtlich erklären die Bischöfe dazu: "Die Kirche ist dankbar, dass dadurch die Mauer des Schweigens aufgebrochen und der befreienden Wahrheit Raum gegeben wurde. Seither ist eine Serie seelischer und körperlicher Verletzungen von Kindern und Jugendlichen durch Priester und andere Träger kirchlicher Verantwortung offenbar geworden. Die Berichte der Opfer sind erschütternd. Gemeinsam mit Papst Benedikt XVI. bitten wir Gott und die betroffenen Menschen inständig um Vergebung und versprechen zugleich, dass wir alles tun wollen, um solchen Missbrauch nicht wieder vorkommen zu lassen."´

In den letzten Monaten habe bereits vieles erreicht werden können. Die Bischöfe danken insbesondere der "Unabhängigen Opferschutzanwältin" Waltraud Klasnic und den Mitgliedern der "Unabhängigen Opferschutzkommission", die alle ehrenamtlich tätig sind. Sie danken auch den Mitgliedern der Projektgruppe, die die nun beschlossene Rahmenordnung für die Kirche in Österreich ausgearbeitet haben, sowie der Justizministerin und der Familienstaatssekretärin für ihre Initiativen. Weiter würdigen die Bischöfe alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den kirchlichen Ombudsstellen. "Das starke Engagement und die bereits sichtbaren Fortschritte geben Hoffnung für eine breite gesellschaftliche Allianz, um sexuellen Missbrauch und Gewalt zu verhindern und entstandene Wunden zu heilen", betonen sie.

 

Pauschalverdächtigungen ungerechtfertigt 

Sexueller Missbrauch sei eine dunkle Seite der ganzen Gesellschaft. Die intensive Auseinandersetzung mit dieser Thematik in den letzten Monaten haben deutlich gezeigt, dass die meisten Fälle von sexuellem Missbrauch im familiären Umfeld und in anderen gesellschaftlichenBereichen passieren, so die Presseerklärung. Gleichzeitig weisen die Bischöfe alle Pauschalverdächtigungen gegen Priester, kirchliche Mitarbeiter oder die Kirche insgesamt als ungerechtfertigt zurück. "Dieser Hinweis soll die Verantwortung der Kirche im eigenen Bereich nicht kleinreden. Die Bischöfe wissen, dass für die Kirche hohe ethische Ansprüche gelten, an denen sie zu Recht gemessen wird", so die Bischofskonferenz.

Bischöfe beschließen umfangreiche Maßnahmen gegen Missbrauch