Bibelwissenschaftler: Viele verschiedene Zugänge sind legitim

Buchautor Paganini: "Absolutes Konzept von Wahrheit" und Widerspruchsfreiheit taugen nicht als Zugang zu vielfältigem biblischen Gottesbild

Viele verschiedene Zugänge zur Bibel sind legitim. Darauf hat der in Deutschland lehrende italienische Bibelwissenschaftler Simone Paganini hingewiesen. Die Heilige Schrift als gläubiger Mensch oder als Bibelwissenschaftler zu lesen und wahrzunehmen, "sind zwei verschiedene Zugänge" und kein Gegensatz, betonte der Theologe im Interview für den "Tiroler Sonntag" und das Südtiroler "Katholische Sonntagsblatt". Ein Problem entstehe erst, wenn eine dieser Annäherungen zur einzig richtigen erklärt werde.

 

Es sei ja gerade "das Schöne und Geniale" an der Bibel und der Hauptgrund, warum sie Menschen auch 2.000 oder mehr Jahre nach Entstehung ihrer Texte immer noch ansprechen, dass verschiedene Standpunkte nebeneinander stehen bleiben dürfen, wie Paganini erklärte: "Das Problem ist nicht die Bibel. Das Problem sind die Menschen, die die Bibel interpretieren. Die Bibel ist viel cooler als die Menschen", so der Autor mehrerer populärwissenschaftlicher Bücher zur Bibel.

 

Ein "absolutes Konzept von Wahrheit" und der Anspruch auf Widerspruchsfreiheit taugen nicht als Zugang zum vielfältigen biblischen Gottesbild, sagte Paganini. Fakten wiederzugeben und die Realität möglichst genau zu beschreiben, sei nicht das Ziel der biblischen Bücher. "Wahr sind sie insofern trotzdem, als sie Lebenswirklichkeiten und Weltdeutungen von Menschen zum Ausdruck bringen." Und die Interpretationen änderten sich auch, weil sie zeitgebunden sind, so der Experte. "Noch vor 150 Jahren hat man viele biblische Texte anders verstanden, zum Beispiel in Bezug auf Kriege oder Eroberungen."

 

Der Gott der Bibel lässt viel zu
Der biblische Gott sei "ein Gott, der sehr viel zulässt", erläuterte Paganini. "Er ist ein Gott, der mich freilässt, der mich auch sündigen lässt. Er ist kein Gott, der nur ein Wort hat, sondern einer, der viele verschiedene Worte hat." Dieses vielfältige Gottesbild spiegle Erfahrungen von Menschen aus verschiedensten Kulturen, Zeiten, Lebenssituationen und Problemen wider. Gott sei "manchmal gewalttätig, manchmal lieb und gut, manchmal tröstet er, manchmal straft er", legte Paganini dar. Das biete viele Ansätze zu sagen: "Ja genau, das passt zu mir!" Und das ist laut dem Theologen genau der Grund dafür, warum Millionen Menschen Kraft für ihr Leben aus der Bibel schöpfen. 

 

Als Bibelwissenschaftler arbeite er mit der Bibel wie zum Beispiel ein Literaturwissenschaftler und lese die Texte erzählanalytisch, wie Paganini erklärte. Als Experte helfe er dabei, "tiefer zu fragen und mehr zu verstehen". Dabei suche er Vermittlungswege jenseits des universitären "Elfenbeinturmdaseins". Mit Büchern wie "Von Evas Apfel bis Noahs Stechmücken: Fake News in der Bibel" (2019), "Von wegen Heilige Nacht!: Der große Faktencheck zur Weihnachtsgeschichte" (2020) oder "Unzensiert: Was Sie schon immer über Sex in der Bibel wissen wollten, aber nie zu fragen wagten" (2021) versuche er, Wissenschaft einfach zu vermitteln. Dass er damit auch suchende Menschen anspricht, die die Angebote der Kirche nicht mehr erreichen, " freut mich", so der Professor für Bibeltheologie in Aachen.

 

Eine Meldung von www.kathpress.at 

 

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Foto: RWTH-Aachen