Bischof Scheuer ist 70: "Bin Wanderer, Vagabund und Pilger"

Ehemaliger Innsbrucker Bischof feierte am 10. August 70. Geburtstag und nimmt in Interview zu seinem Glauben, seinem Amt als Bischof, innerkirchlichen Reformfragen, persönlichen Freundschaften und gesellschaftlichen Entwicklungen, die ihm Sorge bereiten, Stellung - Dankgottesdienst der Diözese am 6. September im Linzer Mariendom

Der Linzer Diözesanbischof und ehemalige Innsbrucker Bischof Manfred Scheuer wurde am Sonntag, 10. August, 70 Jahre alt. Im Vorfeld seines Geburtstags hat er im Interview mit der Pressestelle der Diözese Linz und der diözesanen Kirchenzeitung umfassend über seinen Glauben, sein Amt als Bischof, innerkirchliche Reformfragen, persönliche Freundschaften oder auch gesellschaftliche Entwicklungen, die ihm Sorge bereiten, Stellung genommen. Im Blick auf die vielen Stationen seines Lebens und dass er bereits mehr als 15 Mal übersiedelte, meinte der Bischof: "Die Frage ist immer: Was nehme ich mit, was muss ich zurücklassen? Das bedeutet ja letztlich auch, dass ich Heimat nicht mitnehmen kann. Ich war und bin eine Mischung aus Wanderer, Vagabund und Pilger."

 

Sehr dankbar sei er dafür, "dass ich an ganz unterschiedlichen Orten die Gastfreundschaft von Menschen erfahren durfte und auch die Beziehungskultur je neu aufgebaut habe". Es ist freilich fast nicht möglich, "dass man von frühen Orten sehr viel mitnimmt, auch nicht an Beziehungen". Insofern sei der Begriff Heimat für ihn sehr fragil. Nachsatz: "Ich würde auch nicht sagen, dass wir in diesem Leben ganz daheim sind."

 

Im Blick auf den Zukunftsweg der Diözese Linz hielt der Bischof fest: "Fangen wir nicht mit dem an, was uns fehlt, sondern mit dem, was wir haben." In Oberösterreich gebe es viel Solidarität und es gebe gar nicht so wenige lebendige Pfarrgemeinden. In der Weite wachsen könne man zum Beispiel im Umgang mit fremdsprachigen katholischen Gemeinden. Wenn es um die Vertiefung geht, "sollten wir nicht bei den Strukturen und Machtfragen stecken bleiben". Entscheidender sei die Frage: "Wie können wir Gott lieben? Wie kommt mehr Liebe und Freude in die Welt?"

 

Ganz wichtig sei ihm in seinem Bischofsamt die Verkündigung, "weil die Kirche durch das Wort Gottes aufgebaut wird". Biblisch betrachtet bedeute leiten, "Gemeinden zu gründen, aufzubauen, zu fördern und wachsen zu lassen". Leiten heiße auch, entscheiden zu müssen, so der Bischof. Nachsatz: "Das fällt mir durchaus manchmal schwer."

 

Natürlich würden sich manche da und dort auch ein Machtwort von ihm erwarten, "und manches müssen wir entscheiden - aber ich mache das nicht im Alleingang." Dabei dürfe man nie vergessen: "Strukturen erschaffen nicht das Leben, gefragt sind vielmehr schöpferische Menschen, die Gemeinschaften aufbauen."

 

Für den Papst und die Bischöfe sei entscheidend, "dass sie Zeugen der Auferstehung und der Hoffnung sind". Das erste Wort von Papst Leo XIV. nach seiner Wahl an die Öffentlichkeit sei der Ostergruß des Auferstandenen an seine Jünger gewesen: "Der Friede sei mit euch!", erinnerte der Bischof. Bei der Namenswahl hätten viele an Leo XIII. gedacht, aber ihm sei auch Leo I. ins Gedächtnis gekommen, so Scheuer: Leo I. und der heilige Augustinus seien Gestalter in einer Welt des Umbruchs gewesen und hätten Verantwortung übernommen. "Leo I. hat auch von der Würde des Menschen gesprochen. Ich denke, das bewegt auch den neuen Papst. Er ist Augustiner und war Kirchenrechtler." Leo XIV. werde vermutlich das Verhältnis von Recht und Ethik etwas anders ausloten als Papst Franziskus. "Aber vielleicht braucht es das jetzt wieder mehr."

 

Fehlende Ausrichtung auf das Gemeinwohl
Sorge mache ihm, "dass die Fähigkeit zum Kompromiss und die Ausrichtung auf das Gemeinwohl in der Politik in den Hintergrund geraten sind". Es sei eine Errungenschaft der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen, "dass man das Miteinander gesucht und gefunden hat - etwa in der Sozialpartnerschaft". Das Gemeinwohl gründe auf Haltungen: "Wertschätzung, Bereitschaft zur Fürsorge und zum Verzeihen." Auch die Demokratie sei kein Selbstläufer. 

 

Trotz all der Kriege, die er schon seit fast 60 Jahren weltpolitisch wahrnehme, setze er auf die Kräfte, die den Frieden wollen, so der Bischof weiter. Er verwies im Interview u.a. auf den Religionsphilosophen Martin Buber, der meinte, die Welt sei gespalten, weil sich die Prinzipien der Französischen Revolution auseinanderentwickelt haben. Die einen setzten auf die Freiheit, die anderen auf Gleichheit, aber es fehle die Geschwisterlichkeit, die beides zusammenhält: die Wertschätzung, Anerkennung, Sympathie und Solidarität.

 

Auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen angesprochen nannte Scheuer u.a. die Digitalisierung: "Ich glaube, an der Digitalisierung kommen wir nicht vorbei. Die Frage ist, wie wir sie zähmen beziehungsweise humanisieren, wie wir sie verantwortungsvoll gestalten."

 

Kindern und jungen Leuten von heute wünsche er ein gutes Fundament, einen Platz zum Leben und die Zusage: "Ja, du kannst etwas, wir brauchen dich, du gehörst dazu." Und er wünsche ihnen, "dass sie das Geheimnis Gottes erahnen und spüren".

 

Geburtstagsvesper am 6. September
Mit großer Dankbarkeit für das Wirken von Bischof Scheuer feiert die Diözese Linz anlässlich seines 70. Geburtstags am Samstag, 6. September, um 16 Uhr eine Vesper im Linzer Mariendom. Anschließend besteht die Möglichkeit zur Begegnung bei einer Agape auf dem Domplatz. Alle sind zur Mitfeier herzlich eingeladen, wie die Diözese mitteilte. 

 

Polyglotter Oberösterreicher
Manfred Scheuer wurde am 10. August 1955 in Haibach ob der Donau in Oberösterreich geboren. Er hat seine Kindheit und Jugend in Oberösterreich verbracht. Das Theologiestudium führte ihn nach Rom, wo er am 10. Oktober 1980 auch zum Priester geweiht wurde. Manfred Scheuer wirkte als Pfarrseelsorger und Spiritual in der Diözese Linz und als Lehrender in Linz, Freiburg im Breisgau, Salzburg und St. Pölten sowie als Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte in Trier. 

 

Am 21. Oktober 2003 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Bischof der Diözese Innsbruck. Erzbischof Alois Kothgasser weihte Scheuer am 14. Dezember 2003 im Innsbrucker Dom zum Bischof. Als Wahlspruch wählte Scheuer einen Satz aus dem Johannesevangelium: Spiritus vivificat ("Der Geist macht lebendig"). Am 18. November 2015 ernannte Papst Franziskus Manfred Scheuer zum Bischof der Diözese Linz. Er übernahm das Amt am 17. Jänner 2016 bei einem Festgottesdienst im Linzer Mariendom von seinem Vorgänger Ludwig Schwarz.

 

Besonderes Augenmerk richtet Bischof Manfred Scheuer auf Menschen am Rande der Gesellschaft. Er forciert Gespräche mit Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Tourismus sowie Medien und Wissenschaft. Ein großes Anliegen ist Scheuer als "Ökumene-Bischof" das Miteinander der Konfessionen und Religionen.

 

Scheuer setzte sich als diözesaner Postulator in Linz für die Seligsprechung von Franz Jägerstätter ein. Die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit, mit den Euthanasie-Opfern, mit den ermordeten Juden und mit Verfolgten, Opfern und Märtyrern aus der katholischen Kirche war und ist ihm ein besonderes Anliegen.

 

Im November 2017 gab Bischof Scheuer den Startschuss für den "Zukunftsweg" der Diözese Linz unter dem Motto: "Kirche weit denken", der eine Pfarrstrukturreform und eine Reform der diözesanen Ämter und Einrichtungen umfasst.

 

In der Österreichischen Bischofskonferenz ist Bischof Scheuer derzeit für die Ökumene und die Kontakte zum Judentum verantwortlich. Er ist Mitglied der Glaubenskommission, der Theologischen Kommission sowie Mitglied und Vorsitzender der Ökumene-Kommission. In seine Zuständigkeit fallen auch die Missionsverkehrsarbeitsgemeinschaft/MIVA (als Teilbereich des Referats Weltkirche) und das Studentenförderungswerk "Pro Scientia". Darüber hinaus vertritt Scheuer die Österreichische Bischofskonferenz im Mauthausen-Komitee Österreich und im Kuratorium des Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus.

 

Am 10. Juni 2020 wurde Bischof Manfred Scheuer bei der Sommervollversammlung in Mariazell zum Stellvertretenden Vorsitzenden der Österreichischen Bischofskonferenz gewählt.

 

Neben der Theologie gehört seine Leidenschaft den Bereichen Kunst und Kultur, Musik und Sport, Politik und Philosophie. Erholung findet Manfred Scheuer beim Bergsteigen.

 

Eine Meldung von www.kathpress.at 

Bischof Scheuer ist 70: "Bin Wanderer, Vagabund und Pilger"
Erst vor kurzem feierte Bischof Manfred Scheuer in Innsbruck das Ignatiusfest. Foto: Cincelli/dibk.at