Glettler: "Virus des Rassismus" mit Zusammenhalt aushungern

Bischof Hermann Glettler hat an der Anti-Rassismus-Demonstration am vergangenen Samstag in Innsbruck teilgenommen. Der katholischen Presseagentur KATHPRESS gegenüber erklärte er: "Das Virus des Rassismus kann nur mit der Frischluft von Begegnung, Achtung jedes Menschen, Wertschätzung, Geduld und Versöhnung ausgehungert werden."

Das hat der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler als "Teil einer globalen Echowelle der Empörung und Solidarität" nach dem tragischen Tod des durch Polizeigewalt umgekommenen Afroamerikaners George Floyd betont. Gemeinsam mit rund 4.000 Menschen, "die sich im Bewusstsein einer globalen Geschwisterlichkeit vereinen", nahm Glettler wie viele weitere katholische Gläubige an der Anti-Rassismus-Demo am Samstag in Innsbruck teil. Auf Instagram-Fotos ist er mit erhobener Protestfaust gegen Rassismus und Menschenverachtung zu sehen, seine Stellungnahme stellte der Bischof Kathpress zur Verfügung."Wirkliches Menschsein, das dem Willen Gottes entspricht, gibt es nur im Miteinander", hielt Glettler darin fest. Vor seiner Ernennung zum Innsbrucker Bischof war er als Pfarrer der Grazer Andräkirche Gastgeber der dortigen afrikanischen Gemeinde und schon vor ca. 20 Jahren Gründer der African Catholic Community in Graz. Glettlers Überzeugung: "Gott hat uns allen den Atem zum Leben gegeben - unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, kultureller Herkunft und religiöser Zugehörigkeit." Der Bischof plädierte für ein "Wir", das niemanden ausschließt - für eine weltweite Geschwisterlichkeit, "weil wir alle Töchter und Söhne eines himmlischen Vaters sind". Die Verschiedenheit der Menschen sei Gottes "Geschenk und Auftrag".Der "entsetzliche Tod" von George Floyd stelle vor die Aufgabe, "einander Luft zum Anderssein zu geben, Luft zur Selbstverantwortung und zur Mitgestaltung der Gesellschaft - all das mit einer möglichst gewaltfreien Sprache und mit dem Willen, hinzuhören und hinzuschauen, wie es Minderheiten in unseren Ländern wirklich geht". Rassismus, Verachtung des Nächsten und Nichtanerkennung derselben Würde aller Menschen gebe es - offenkundig und latent - nicht nur in den USA, bedauerte Glettler. Gegen diese "lebensgefährlichen Viren" gebe es keine Impfung. "Deshalb müssen wir achtsam bleiben und uns immer wieder neu füreinander entscheiden." Allzu schnell würden auch hierzulande Menschen gedemütigt, in ihren berechtigten Anliegen übersehen oder aus einem normalen gesellschaftlichen Miteinander ausgegrenzt, wies Glettler hin. Das Virus des Rassismus vertrage keine Frischluft. "Genau deshalb müssen wir möglichst oft alle unsere Lebensbereiche durchlüften: mit der Frischluft des Respektes voreinander, mit der Frischluft aufmerksamer Begegnungen, mit der Frischluft der Versöhnung und Geduld." Der Bischof schloss seine Worte mit der Bitte an Gott: "Schenke uns allen Deine reinigende, versöhnende und belebende Frischluft, wir brauchen sie dringender denn je!"Schwarzer Priester und PsychotherapeutViel zum Thema Rassismus zu sagen hat auch der aus Nigeria stammende Priester und Psychotherapeut Ndubueze Fabian Mmagu. Eine von Angst und Vorurteilen geprägte Haltung finde sich nicht nur in den USA, sondern überall, sagte der seit 1983 in Wien lebende Pfarrmoderator der Ottakringer Pfarre Starchant am Montag im Kathpress-Interview. Im kulturell vielfältigen Wien und als Pfarrer in einem katholisch geprägten Land lebe er fast auf einer "Insel der Seligen". Vielen seiner Landsleute gehe es aber nicht so gut, so der promovierte Sozialethiker und Friedensforscher und wies damit auf den - auch medial - geschürten Generalverdacht wegen Drogenhandels hin. Österreich solle Zuwanderern echte Chancen auf Integration bieten, forderte Mmagu.Von anderen schwarzafrikanischen Priestern weiß Mmagu, dass es in manchen Gemeinden vorkomme, dass Eltern ihr Kind lieber von einem weißen Geistlichen taufen lassen möchten. Aber das sei selten, ebenso wie explizite Vorurteile in Bezug auf die Hautfarbe. Um Populisten zu widerstehen, die mit Ausländerfeindlichkeit und subtilem Rassismus auf politisches Kleingeld aus sind, setzt der Priester auf eine Langzeitstrategie: Bildung. In Schulen, auch im Religionsunterricht, sollte z.B. thematisiert werden, dass Europa eine Geschichte des mörderischen Kolonialismus in Afrika hinter sich hat, die es aufzuarbeiten gelte. Und auch gegenwärtige Menschenrechtsverletzungen, wie systematische Übergriffe auf Christen in Nigeria, dürften nicht verschwiegen werden, nahm Mmagu auch Kirchenverantwortliche in die Pflicht.Als langjähriger Roma-Seelsorger im Auftrag der Bischofskonferenz weiß der Pfarrer, dass diese in der NS-zeit noch systematisch verfolgte Volksgruppe nach wie vor Diskriminierungen ausgesetzt ist. Wenn Vorurteile wie "Roma sind faul" laut werden, stünden freilich auch diese selbst in der Verantwortung, solche Meinungen zu widerlegen und sich nicht in eine Opferrolle zu fügen, wies Mmagu hin.Für "Platz der Vielfalt" in WienAuch die oft schweigende Mehrheit der Österreicher sei beim Thema Rassismus gefragt: Klare Worte sind laut Mmagu notwendig, um Verletzungen der nach christlicher Überzeugung allen Menschen zukommenden Würde entgegenzutreten.Der Priester zeigt sich auch von der Macht der Sprache überzeugt, die Bewusstsein bilden kann: Mmagu berichtete etwa von seinem Vorschlag an den Bezirksvorsteher des 16. Wiener Gemeindebezirks, den Ottakringer Platz in "Platz der Vielfalt" umzubenennen. So wie die Bürgermeisterin von Washington zuletzt verfügte, den Platz vor dem Weißen Haus in Solidarität mit den Demonstranten fortan "Black Lives Matter Plaza" zu nennen.