Kunst als Brücke und Anstiftung zum Dialog
Der Anknüpfungspunkt in der Geschichte liegt lange zurück. Als Kaiser Konstantin im Jahr 325, also vor genau 1700 Jahren, die Bischöfe der damals bekannten Welt zum ersten Ökumenischen Konzil nach Nicäa einlud, erhoffte er sich eine geeinte Kirche und damit Stabilisierung seines Reiches. Die „Pax Romana“ sollte gewahrt werden. Trotz des Richtungsstreits innerhalb der Glaubensgemeinschaft entfaltete dieses Treffen eine enorme Wirkungsgeschichte: Der christliche Glaube hat durch die Ikonen, die majestätischen Mosaike und die sakralen Bauten im Stile der römischen Basiliken eine neue Sichtbarkeit erlangt. Im II. Konzil von Nicäa im 8. Jahrhundert wurde der Weg der Wertschätzung von Bildern erweitert und verankert.
Spirituelle Erkenntnis durch Kunst – diesem Gedanken folgt die aktuelle Sonderausstellung auf Schloss Bruck, kuratiert von Hubert Salden. „Kunst und Religion weisen über das Sichtbare hinaus auf das Immaterielle. Sie schlagen offene Wege ein und heben ans Licht, was eine Gesellschaft in ihr Unterbewusstsein verdrängt“, so der Kurator, der in den mittelalterlichen Mauern Arbeiten von Andy Warhol und Rebecca Horn, Glenn Brown und Kiki Smith vereint.
Die Bilder, die zu sehen sind, markieren nicht nur wesentliche Wegkreuzungen der christlichen Bildgeschichte, sondern bieten den Betrachtenden Heimat. Pilger und Migranten aller Jahrhunderte haben in ihrer Seele die religiösen Bilder ihrer Heimat mitgetragen. Heute ist es der Tsunami an Visuals und Bildreizen, die uns überfordern und nicht zuletzt die bewusste Wahrnehmung unserer Tradition erschweren - auch das eine Form der inflationären Abwertung der Bilder, wie sie durch Überflutung durch digitale Medien erfolgt.
„Die aktuelle Ausstellung ist eine faszinierende Brücke - von der Antike bis ins 21. Jahrhundert, von uralten Bildern des Glaubens bis zu extrem coolen zeitgenössischen Werken“, so Bischof Hermann Glettler, der die Ausstellung begleitet und unterstützt. „Schloss Bruck – dieser Name verpflichtet bereits zum Brückenbau – wird zum Lernort für eine kreative Zusammenschau unterschiedlicher Welten. Sie dürfen nicht getrennt, aber auch nicht vermischt werden. Angesichts der vielen ideologischen Bunker und gefährlichen Bubbles unserer Zeit kann die hier gezeigte Kunst zu Dialog und Begegnung anstiften.“
Die gezeigten Werke – vom klassischen Mosaik bis herauf zu einer Übermalung von Arnulf Rainer – sind ein Angebot für den Betrachtenden, sich auf einen persönlichen Weg einzulassen. Unabhängig von der persönlichen Nähe zu Glauben oder Religion, macht diese Ausstellung wachsam und widerständig gegenüber den vielfältigen Strategien der Manipulation, wie wir sie in der zunehmend digitalisierten Bilderflut aktuell erleben. Die Kultivierung der „blicke nach innen“ schenkt Ruhe und befähigt nicht zuletzt auch zum kritischen Blick auf Bilder ideologischer und politischer Propaganda.
Dass die Ausstellung mit einem Zitat aus Bert Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“ startet, erscheint deshalb nur folgerichtig. „Der einzige Ausweg wär aus diesem Ungemach: Sie selber dächten auf der Stelle nach, auf welche Weis dem guten Menschen man zu einem guten Ende helfen kann. Verehrtes Publikum, los, such dir selbst den Schluss! Es muss ein guter da sein, muss, muss, muss!“. Denn das Gute bedarf der Schönheit, um beweglich, relevant und lebensbejahend zu sein. Die Schönheit bedarf der Wahrheit, um zu strahlen. Das Gute, Schöne und Wahre gehen über sich hinaus und weisen Wege.
Die Liste der Künstlerinnen und Künstler, die zur Teilnahme an der Ausstellung eingeladen sind, ist so vielfältig wie die Wege: Francesco Clemente, Gerald Domenig, Goudji, Volker Hildebrandt, Rebecca Horn, Alexej von Jawlensky, Raimer Jochims, Axel Kasseböhmer, Thomas Locher, Rune Mields, Omar Mismar, Hermann Nitsch, Arnulf Rainer, Nicole van den Plas, Susi Pop, Gustav Seitz, Kiki Smith, Manfred Stumpf, Andy Warhol.
Die Ausstellung ist in Kooperation mit Bischof Hermann Glettler entstanden und wird großzügig unterstützt durch die Kulturabteilung des Landes Tirol, die Raiffeisen Landesbank Tirol AG und die Felbertauernstraßen AG. Das Museum Schloss Bruck hat vom 29. Mai bis 19. Oktober 2025 geöffnet, Informationen zu den Öffnungszeiten und Sonderveranstaltungen finden sich unter www.museum-schlossbruck.at
Führung mit Bischof Hermann Glettler
Bischof Hermann Glettler führt am 3. Juni um 13:30 Uhr und 15:30 Uhr durch die Werkschau. Da die Plätze begrenzt sind, ist eine Voranmeldung via museum@stadt-lienz.at nötig Die Kosten betragen 10 Euro.
