Jubiläumsausstellung im Grazer Kultum mit "Kunstbischof"
"Gott hat kein Museum. Aspekte von Religion in Kunst der Gegenwart" - Unter diesem programmatischen Titel steht die Jubiläumsausstellung im Grazer "Kultum", die am Freitagabend von Bischof Hermann Glettler eröffnet wurde. Der für Kunst und Kultur in der Bischofskonferenz zuständige Bischof ging dabei auf die "Macht und heilsame Ohnmacht der Bilder" ein. In zehn Sequenzen würdigte der Innsbrucker Bischof die zehn Abschnitte der Ausstellung zum 50-Jahr-Jubiläum der Grazer Kulturinstitution und resümierte: "Dem dramaturgischen Bogen und der Faszination dieser Jubiläumsausstellung kann man sich nicht entziehen - ebenso wenig dem hochenergetischen Ort hier im Minoritenkloster, der sich in den letzten Jahrzehnten als echter 'Anders-Ort' von Kirche etabliert hat."
Politik, Gesellschaft, Soziales, Religiöses - und alles Menschliche werde im "Kultum" wahrgenommen, ausgehalten und in künstlerischen Diskursen, Ausstellungen, Konzerten, Lesungen und Vorträgen poetisch verhandelt. "Hoffentlich auch in Zukunft", so der Bischof, der den Kurator der Ausstellung, Johannes Rauchenberger, würdigte: Dieser habe "mit beeindruckender Professionalität, Liebe und Widerständigkeit ein Museum erträumt, erstritten und bespielt, das mit seiner Visionskraft und kritischen Spiritualität schlichtweg ein Segen ist - und ein solcher auch in den kommenden 50 Jahren sein wird."
"Die eindeutig religiösen Oeuvres gibt es in der zeitgenössischen Kunst höchst selten - aber es gibt die vielen Verweise, Spuren, versteckten oder offensichtlichen Bildcodes in der riesigen 'Ressource Gegenwartskunst'", konstatierte der Bischof. Johannes Rauchenberger habe diese Ressource mit großer Lust und Ausdauer ausgebeutet, wovon die Ausstellung zeuge.
Macht und heilsame Ohnmacht
Die Macht und heilsame Ohnmacht von Bildern sei Thema der Jubiläumsschau, führte Glettler weiter aus. "Mit dem Zeigen von Wunden wird ein empathisches Hinschauen auf die unzähligen Verwundungen unserer Zeit provoziert und zugleich - in paradoxer Logik - eine Ahnung von Herrlichkeit möglich." Die Schauräume dieses neuen "Museums" würden auf wunderbare Weise Erkenntnis und Verwandlung erfahrbar machen, Inspiration und Versöhnung. Das "Kultum" beschrieb der Bischof als einen Ort, in dem für die Gläubigen, Suchenden und Zweifelnden genügend Platz sei.
"In einer Zeit der unaufhaltsamen Bildtsunamis, Live-Streams und permanent getriggerten Bild-Nervositäten ist die Ohnmacht der vertrauten, ikonographisch verlässlichen Bildwerke offenkundig - vielleicht dadurch auch deren neue Bedeutung", gab der Bischof am Beginn seiner Rede zu bedenken und sagte: "In dieser Ausstellung betreten wir Diskurs- und Sehnsuchts-Räume. Wir werden Zeugen des nachhaltigen Streits um das 'wahre Bild' - und werden mit einer ganzen Palette ironischer Brechungen vertrauter Bildmotive konfrontiert."
So würden sich in der Ausstellung "Beispiele aus der Gegenwartskunst" finden, "die das Zurückgelassene neu entdecken, die sich an die tragende Rolle idealisierter Figuren erinnern, an das Vermächtnis einer christlich geprägten Bild- und Kulturtradition". Zudem werde in der Ausstellung "das Verhältnis von Körper und Geist, von sinnlicher Präsenz und Abwesenheit, von Figuration und Abstraktion ganz unterschiedlich durchdekliniert. In der Leere eine unerwartete Fülle, im Verlust Leben, im Verhüllen eine berührende Anwesenheit".
Die Zeugnisse von der heilenden Kraft der Religion seien mannigfach - auch in dieser Ausstellung, aber ebenso die erschreckenden Verweise auf den Missbrauch von Religion, führte Glettler aus und sagte: "Glaube und Wissen benötigen sich gegenseitig, um nicht banal oder steril zu werden." Zudem brauche es "behutsame Annäherungen, positive Verunsicherungen, die uns über religiöse und ideologische Grenzen hinweg zu 'Pilger:innen der Hoffnung' machen. Immer geht es um ein Plus an Menschlichkeit." Von daher könne Kunst als Vermittlung von Trost in der Vergänglichkeit, Verletzlichkeit und Zerbrechlichkeit des menschlichen Daseins verstanden werden. Anders formuliert: "Kunst als anwaltschaftliche Stimme für die Vulnerablen - mit der Aufmerksamkeit und im Sinne Jesu."
Warnung vor Fundamentalismus
Kunst, die in dieser Ausstellung gezeigt und performt werde, huldige keinem sakralen Pathos, diene nicht einer oberflächlichen "Propaganda Fidei", auch nicht der Katechese. "Sie thematisiert aber dennoch - und damit erst recht glaubwürdig - das Heilige, das Heilige im menschlich-göttlichen Antlitz, das Heilige als durchscheinendes Ereignis einer anderen Ordnung. Licht vom Lichte."
In der Ausstellung gebe es sehr deutliche, kritische Bildpositionen, die vor jeder Form des religiösen Fundamentalismus warnen und dies sei wichtiger denn je, betonte der Kunstbischof und sagte: "Ob christlich, jüdisch, muslimisch oder hinduistisch - Gewalt im Namen Gottes, ist immer ein Verbrechen. Religiöser Fundamentalismus erklärt Andersdenkende zu Feinden, die auszurotten seien." Kunst hingegen schaffe demgegenüber Begegnungszonen, wo es zu menschlicher Berührung kommen könne - oder zumindest zu Momenten positiver Verunsicherungen, die aus den ideologischen Bubbles herauslocken.
Die Ausstellung im "Kultum" ist Teil des Parallelprogramms des "steirischen herbst 25". Sie ist ab Samstag zugänglich und dauert bis 11. Juli 2026. Weitere Informationen unter: www.kultum.at
Eine Meldung von www.kathpress.at
