Freistetter für zeitgemäßes Verständnis von Neutralität
Österreich muss nach Ansicht von Militärbischof Werner Freistetter Neutralität und Solidarität neu ausbalancieren. Im Gespräch mit der Wiener Kirchenzeitung "Sonntag" (aktuelle Ausgabe) erklärte er, dass das Neutralitätsgesetz nach 1945 dem Land "einen Neustart ermöglicht" habe. Angesichts des Ukraine-Kriegs und weltweiter Aufrüstung sei jedoch ein zeitgemäßes Verständnis der Neutralität nötig. "Neutralität wird oft verstanden wie eine heimliche Staatsdoktrin: Wir sind neutral, daher sind wir irgendwie unberührt von Entwicklungen und von Bedrohungen. Aber das stimmt nicht", so Freistetter.
Die österreichische Neutralität sei immer militärisch, nie politisch oder gesinnungsneutral gewesen. Das Gesetz sehe zudem vor, "dass Österreich diese Neutralität mit allen zu Gebote stehenden Mitteln verteidigen wird". Freistetter betonte, dass Neutralität und Solidarität einander nicht ausschließen: "Wir haben jetzt auch durch den Beitritt zur Europäischen Union mit den Verpflichtungen, die wir da übernommen haben, natürlich ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen Neutralität und der notwendigen Solidarität."
Österreich könne Neutralität bewahren und zugleich Verantwortung übernehmen, so der Militärbischof. "Das Ringen um den Frieden ist eine immerwährende Aufgabe." Heute könne man deutlich wahrnehmen, "wie fragil alle menschlichen Institutionen in dieser Hinsicht sind", warnte Freitstetter mit Blick auf UNO und OSZE. Die Friedensethik stehe vor neuen Herausforderungen durch automatisierte Waffensysteme, Drohnen, hybride Kriegsformen sowie die Klimakrise. Frieden sei dabei eng mit Gerechtigkeit verbunden: "Friede ist ein Prozess, in dem Gewalt durch die Herrschaft des Rechts abgelöst wird."
Freistetter hob in diesem Zusammenhang auch die Rolle des Papstes hervor: Johannes Paul II. habe betont, dass Zusammenbrüche von Systemen nicht nur wirtschaftlich oder politisch zu erklären seien, sondern auch eine Frage der Menschenrechte und des Umgangs mit Menschen. "Ein Papst muss dringend die Menschenwürde in Erinnerung rufen. Er muss mahnen, dass der allgemeine Rüstungswettlauf aufhört, dass die in verschiedenen Staaten bereits zur Verfügung stehenden Waffen auf beiden Seiten vermindert werden und dass endlich alle aufgrund von Vereinbarungen zu einer entsprechenden Abrüstung mit wirksamer gegenseitiger Kontrolle gelangen."
Eine Meldung von www.kathpress.at