Medienaffine Möwe wartet bei Papstwahl auf Rauch

Bird-Watching im Live-Stream: Alle Augen sind auf einen einfachen Schornstein auf dem Dach der Sixtinischen Kapelle gerichtet - Gut, dass eine Möwe die Wartezeit verkürzt - Von Christoph Arens

Nein, es war keine Taube, die am Mittwochabend, für alle Kameras und Fernsehzuschauer weltweit sichtbar, nahe dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle mit scheinbar stoischer Geduld auf schwarzen oder weißen Rauch wartete. Schade eigentlich, gilt doch die Taube als Symbol des Heiligen Geistes, der den 130 Kardinälen in der Kapelle unter dem grauen Ziegeldach einflüstern soll, wer der nächste Papst wird. Eine Taube hätte Fernsehkommentatoren viel Stoff für Interpretationen, Spekulationen und lustige Vergleiche geboten.

 

Stattdessen war es eine offenbar medienaffine Möwe, die statuengleich auf dem Dachfirst ausharrte. Stoisch hielt sie die Klatsch-Choreographien der Besucher auf dem Petersplatz aus, vertrieb den ungeduldig wartenden Zuschauern die Zeit und verschönerte so den irgendwann langweilig werdenden Blick auf einen einfachen Rauchfang.

 

30 Kilometer bis zur Küste
Bird-Watching im Live-Stream: Schon bei der Papstwahl von Franziskus 2013 hatte eine lange am Schornstein ausharrende Möwe Kameraobjektive aus aller Welt auf sich gezogen. Dass diesmal kurzzeitig auch noch ein graues Küken durchs Bild watschelte, erhöhte den Spaßfaktor noch ein wenig. 

 

Doch was machen Möwen im Vatikan? Liegt Rom doch mindestens 30 Kilometer vom Meer entfernt. Mit maritimem Flair verbindet man die Ewige Stadt eher weniger. Und doch sind Möwen in der italienischen Hauptstadt zum zunehmenden Problem geworden. So sehr, dass die am vergangenen Weihnachtsfest auf dem Petersplatz aufgebaute Krippe durch zwei Ultraschallgeräte vor den Vögeln geschützt werden musste. Zeitweise ist vor dem Petersdom auch ein Laserstrahl zur Vergrämung der gefiederten Besucher im Einsatz.

 

Nester auf Kirchen und Palazzi
Larus michahellis, die Mittelmeermöwe: Mit ihrem durchdringenden Fiepen, Schreien und Gackern raubt sie den Römern Schlaf und Nerven und lässt sich mit ihren fast anderthalb Metern Flügelspannweite von niemandem etwas sagen. An ihrer Ausbreitung sind die vielen Kirchen in Rom nicht unschuldig: 60 Prozent der Nistplätze liegen auf schwer zugänglichen Dächern historischer Palazzi und Gotteshäuser. 

 

Vor 50 Jahren gab es sie in der Stadt nur sporadisch: Seit den 1970er Jahren haben die Möwen Rom erobert, ganz ohne gallischen Zaubertrank. Rund 40.000 Exemplare sollen sich mittlerweile angesiedelt haben. Wer abends über den Petersplatz in Rom spaziert, kann manchmal mehr als hundert Möwen auf einmal sehen.

 

Suche nach Pasta und Pizza
Was manche Touristen freut, ärgert viele Bewohner der Ewigen Stadt. Denn die Tiere fallen über Abfallkübel und Mülltonnen her, reißen die Beutel mit ihren Schnäbeln auf, suchen nach Pasta, Pizza und Brot und hinterlassen Abfall und Chaos auf den Straßen. Die Schließung der zehn Kilometer entfernten Mülldeponie Malagrotta dämpfte zwischenzeitlich auch die Präsenz der Möwen in Rom. 

 

Die Verbreitung der Möwen hängt mit Problemen der Müllentsorgung in Rom zusammen. Auch Touristen, die Abfälle achtlos wegwerfen, verschärfen das Problem. Möwen-Attacken auf essende Passanten nicht ausgeschlossen. Experten fordern eine gründlichere Straßenreinigung und eine häufigere Leerung der Abfallkübel. Die Stadtverwaltung hat den Bürgern schon vor einigen Jahren empfohlen, darauf zu achten, dass Möwen nicht Balkone zu Nistplätzen machen. Zwischenzeitlich waren Wüstenbussarde im Einsatz, um die lästigen Vögel zu vertreiben.

 

Schlaue Seelenvögel
Fest steht: Möwen haben bei vielen Menschen ein zwiespältiges Image. In vergangenen Jahrhunderten dienten sie mitunter als Nahrungsmittel, zeitweise wurden sie auch als "Seelenvögel" verehrt - so etwa dargestellt in Gemälden von Caspar David Friedrich. Zudem sind Möwen klug, lern- und anpassungsfähig - und musikalisch. Sie nutzen eine enorme Bandbreite an Tönen "O Mensch, du wirst nie nebenbei der Möwe Flug erreichen. Wofern du Emma heißest, sei zufrieden, ihr zu gleichen", dichtete Christian Morgenstern. 

 

Dass mancher sie nicht mag, mag auch damit zu tun haben, dass sie den Menschen zu nah gekommen sind. Als sogenannte Kulturfolger flattern sie dorthin, wo es Futter gibt. Eiscafés und Fischbuden an den Küsten warnen inzwischen vor hungrigen Tieffliegern. Möwen sind Allesfresser und können mit ihrer starken Magensäure fast alles zersetzen. Dass Biologen mittlerweile auch vermehrt Plastik in den Mägen toter Vögel finden, setzt Fragezeichen hinter den Umgang der Menschen mit ihrer Umwelt. Denn beim Plastik hört auch bei Möwen der Spaß auf.

 

Eine Meldung von www.kathpress.at 

Medienaffine Möwe wartet bei Papstwahl auf Rauch
Screenshot: Vatican-News