Missionsschwester Hanni Denifl FMA: „Menschen beim Wachsen begleiten zu dürfen, ist ein sehr großes Geschenk.“

Abidjan, die frühere Hauptstadt der Elfenbeinküste, ist Standort des Provinzialats der Westafrikanischen Provinz der Don Bosco Schwestern. Neben dem Provinzialat sind an diesem Standort eine Volks- und Berufsschule, ein Oratorium und das Foyer Maria Domenica, ein Wohnheim für schutzbedürftige Mädchen, beheimatet. Die gebürtige Tirolerin Hanni Denifl, seit 2006 in Afrika für Kinder und Jugendliche im Dienst, erzählt über ihre Arbeit im Foyer Maria Domenica.

Durch welche Hintergründe kommen Mädchen ins Foyer Maria Domenica? 

Als das Foyer vor rund 20 Jahren gegründete wurde, beherbergte die Einrichtung vorwiegend Opfer von Mädchenhändlern. Heute treffen wir vermehrt auf das Phänomen, dass junge Mädchen der Hexerei bezichtigt werden, und diese dann bei uns Schutz vor körperlicher und psychischer Bedrohung finden. Andere sind Opfer von Missbrauch und anderen körperlichen Misshandlungen. Die Schicksale der Mädchen erzählen sehr viele unterschiedliche Geschichten.

 

Welche zum Beispiel? 

Marie-Josée und ihre jüngere Schwester Martine wurden von einem Pastor einer Sekte gezwungen, wochenlang mit ihrer Mutter zu fasten, um das Unglück, das seit dem Verschwinden des Vaters über die Familie gekommen sei, wieder abzuwenden. Beide Kinder waren auf Haut und Knochen abgemagert, als die Nachbarn die Polizei verständigt haben. Vom Sozialzentrum und mit Jugendrichterbescheid sind die zwei Mädchen zum Aufpäppeln und für eine ganzheitliche Versorgung zu uns ins Heim gekommen. Nun besuchen die beiden sogar unsere Volksschule und entfalten sich zu frohen Kindern. Beide sind schulisch sehr motiviert.

 

Wie alt sind die Mädchen im Foyer? 

Die Jüngste ist vier Jahre, die Älteste ist 17. Das sind beinahe zwei Generationen, dennoch vereint sie das Bedürfnis nach Zuwendung und Schutz.

 

Neben dem pastoralen Aspekt betreibt Ihre Einrichtung Sozialdienstleistung für die öffentliche Hand. 

Ja. Nur ist es bei uns so, dass wir keine öffentlichen Gelder bekommen. Dafür ist das Land einfach viel zu arm und die Prioritäten anders gesetzt. Um im Foyer Mädchen beheimaten zu können, sind wir auf Spenderinnen und Spender angewiesen. Über andere Einnahmequellen verfügen wir nicht. 

 

Ist das die größte Herausforderung für die Einrichtung?  

Wir stehen noch vor einem anderen Problem: Von behördlicher Seite aus dürfen unsere Mädchen nur drei Jahre hier untergebracht sein. Danach sollen die Mädchen in ihre eigenen Familien zurückkehren oder bei Pflegefamilien untergebracht werden. Manchmal funktioniert das und wir können die Familien pastoral, psychologisch und pädagogisch begleitend betreuen. Aber sehr oft brauchen die Mädchen viel mehr Zeit. Wir lassen nichts unversucht, um den Mädchen die Zeit bei uns geben zu können, derer sie bedürfen. 

 

Der Alltag birgt aber sicher nicht nur Herausforderungen. 

Nein, ganz im Gegenteil. Es ist zum Beispiel unglaublich schön, beobachten zu dürfen, wie die älteren Mädchen lernen, ein Stück Verantwortung für die jüngeren zu übernehmen. Wie sie positive Selbsterfahrungen machen, die sie ermutigen und die den Glauben in ihre Fähigkeiten stärken. Menschen beim Wachsen begleiten zu dürfen, ist ein sehr großes Geschenk.

 

Sie betreuen aktuell 19 Mädchen. Wie viele Betreuerinnen gibt es? 

Wir sind drei Don Bosco Schwestern, wobei ich persönlich den überwiegenden Teil der Zeit mit administrativen Aufgaben für den Standort beschäftigt bin. Die pädagogische Betreuungsarbeit teilen wir uns mit zwei externen Erzieherinnen. In Deutschland oder Österreich wäre ein Betreuungsschlüssel von fünf Betreuerinnen für 19 Mädchen in einem sozialpädagogischen Wohnheim undenkbar. Dass das dennoch funktioniert, liegt zu einem großen Teil daran, dass unter den Mädchen ein großer Zusammenhalt herrscht.

 

Text/Interview: Markus Höllbacher, Medienreferat der Don Bosco Schwestern

Bild: Don Bosco Schwestern/Höllbacher