Kirchenaustritte im Jahr 2010 deutlich gestiegen

Hauptgrund für die Kirchenaustritte war das Bekanntwerden der Missbrauchsfälle in Einrichtungen der Katholischen Kirche. Bischof Manfred Scheuer: "In einer Zeit des großen gesellschaftlichen und kirchlichen Umbruchs bewegt uns die Frage, wie wir das ...

Einen deutlichen Anstieg der Austritte musste die katholische Kirche im Jahr 2010 in Tirol verzeichnen. So haben im vergangenen Jahr in der Diözese Innsbruck 5.832 Personen die Kirche verlassen. Das sind um 2.612 Frauen und Männer oder rund 81 Prozent mehr als im Jahr 2009. Wieder in die katholische Kirche eingetreten sind im selben Zeitraum 209 Menschen. 66 Menschen haben den Austritt vor dem Wirksamwerden widerrufen. 11 Personen sind von anderen Konfessionen zum katholischen Glauben konvertiert. Mit Stichtag 31.Dezember 2010 beträgt die Zahl der Katholiken in der Diözese Innsbruck somit 397.935. Im Vorjahr waren es 403.730.

Mit großer Betroffenheit reagierte Bischof Manfred Scheuer auf den schmerzlich sichtbaren Verlust an Vertrauen der Menschen in die Kirche: „In einer Zeit des großen gesellschaftlichen und kirchlichen Umbruchs bewegt uns die Frage, wie wir das Vertrauen der Menschen wieder zurückgewinnen können. Jenseits von schnellen Antworten wird dies nur mit einer engagierten und ehrlichen Sorge um die Menschen unserer Zeit gelingen“, ist Bischof Scheuer überzeugt.

Das Jahr 2010 war für die katholische Kirche in Österreich ein Jahr der schweren Krise. Das Bekanntwerden von gewalttätigen Übergriffen und von sexuellem Missbrauch im kirchlichen Bereich hat auch die Kirche in Tirol tief erschüttert. Die Kirche in Österreich und auch die Diözese Innsbruck haben unverzüglich und mit Entschiedenheit reagiert. Sie versuchen, mit den Betroffenen im Gespräch zu bleiben, sie therapeutisch zu begleiten und auch finanzielle Entschädigung zu leisten. „2010 ist sicher auch deutlich geworden, dass sich die Kirche hinterfragen lassen und öffentliche Kritik einstecken muss“, so der Bischof. „Das kann auch ein positiver, reinigender Prozess sein. Ich hoffe sehr, dass wir auf dem eingeschlagenen Weg vorankommen, dass Wunden heilen und so wieder ein Klima des Vertrauens entstehen kann."

Gleichzeitig geschehe auch viel Positives in der Kirche Tirols, betont Generalvikar Jakob Bürgler: „Kirche ist ein Global Player der Menschlichkeit. Die Caritas gehört zu den größten und schnellsten Katastrophenhelfern der Welt.“ Die Diözese und die Orden gehören zu den größten Arbeitgebern im Land. So verfüge die Kirche über so viele ehren- und hauptamtliche Personen wie keine andere zivilgesellschaftliche Einrichtung: „In Tirol gibt es an die 25.000 Menschen, die sich ehrenamtlich in der Kirche engagieren“, zeigt sich Bürgler dankbar für diesen überaus wertvollen „Schatz“ an Freiwilligen, durch die viele Dienste der Kirche erst ermöglicht und aufrechterhalten werden können.

Auch verzeichneten einige Angebote der Diözese Innsbruck im vergangenen Jahr großes Interesse. Die „Lange Nacht der Kirchen“ in Tirol etwa erreichte mit über 22.000 TeilnehmerInnen im vergangenen Jahr einen neuen Rekord. Besondere Freude und Hoffnung bereite auch die nach wie vor spürbare Begeisterung junger Menschen für die Kirche. So nahmenn 2010 rund 350 Kinder und Jugendliche aus der Diözese an der Ministrantenwallfahrt nach Rom teil und über 500 Kinder erlebten in Stams bei der WOKI WOGO (Woche der Kinder – Woche mit Gott) eine spannende, erlebnisreiche und auch spirituelle Zeit.

Bereits zum fünften Mal fand die größte Jugendsozialaktion Österreichs „72 Stunden ohne Kompromiss“, ein Projekt der Katholischen Jugend in Zusammenarbeit mit Ö3 und youngCaritas, statt. Allein in Tirol engagierten sich dabei 410 Jugendliche in 43 Projekten für einen sozialen, entwicklungspolitischen oder ökologischen Zweck. „Kirche prägt das Land nach wie vor nachhaltig und auch positiv“, zeigt sich Generalvikar Bürgler trotz aller Schwierigkeiten zuversichtlich.
  

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Kirchenaustritte im Jahr 2010 deutlich gestiegen