Bevor die Glocken nach Rom fliegen
“Die Glocken sind nach Rom geflogen”, heißt es üblicherweise, wenn ab dem Gründonnerstag das Glockenläuten bis zur Osternacht verstummt. Es symbolisiert die Trauer über das Leiden Christi. In der Diözese Innsbruck werden es 1.704 Glocken sein, die schweigen. In 426 Kirchen wird dann weitgehend auf Orgelmusik, Blumenschmuck und viele Kerzen verzichtet.
Seit Jahrtausenden sind Glocken ein wichtiges hörbares Mittel für religiöse und weltliche Zwecke. Aufgrund ihrer Verwendung schon in vorchristlichen Kulturen dauerte es mehrere Jahrhunderte, bis sich die Glocken in Mitteleuropa verbreiteten. Seit dem Mittelalter ist das Gusshandwerk in den Händen des Bürgertums.
Älteste Glocken in Tirol
Als älteste Glocke Tirols wird eine Glocke mit den Namen der vier Evangelisten in der Filialkirche St. Helena auf 1.279 Metern Seehöhe im Pfarrgebiet Oberlienz in Osttirol angesehen. Sie wird auf die Zeit um das Jahr 1300 geschätzt. Eine weitere Glocke in dieser Kirche stammt aus dem 14. Jahrhundert.
Die älteste datierte Glocke in Nordtirol hängt in der Pfarrkirche Lermoos im Bezirk Reutte. Sie trägt die Inschrift “anno dni m cccc xl ihesus maria anna lucas marcus matheus johannes”. Die 1411 gegossene Glocke wiegt 250 Kilogramm und hat einen Durchmesser von 75 Zentimetern.
Löffler: Bedeutende Glockengießer in der Barockzeit
Eine im 15. bis 17. Jahrhundert bekannte Familie von Glockengießern und Büchsenmachern war die Familie Löffler, für die das Schloss Büchsenhausen in Innsbruck errichtet wurde. Die älteste Glocke von Peter Löffler, dem Stammvater der Familie, die noch existiert, ist die große “Marienglocke” in der Pfarrkirche Amras aus dem Jahr 1491. Sie wiegt 1.900 Kilogramm bei einem Durchmesser von 141,2 Zentimetern.
Löffler goss 1503 die größte heute noch erhaltene gotische Glocke Österreichs, die “Maria Maximiliana” in der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt in Schwaz. Die Glocke wiegt 4.508 Kilogramm bei einem Durchmesser von 189 Zentimetern. Im ersten Weltkrieg entging die Glocke dem Einschmelzen, indem sie versteckt wurde. Sie wird umgangssprachlich nach ihrem Gießer auch “Schwazer Löfflerin” genannt. Sein Enkel Hans Christof Löffler goss fast hundert Jahre später, 1597, die Silberne Glocke der Innsbrucker Jesuitenkirche.
Grassmayr: Familienbetrieb seit 14 Generationen
Der älteste bestehende Familienbetrieb Österreichs ist die Glockengießerei Grassmayr, die in 400 Jahren und 14 Generationen weit über 6.000 Glocken angefertigt hat. Von hier kommt die schwerste Kirchenglocke Tirols. Die “Schützenglocke” hängt ebenfalls in der Innsbrucker Jesuitenkirche und wiegt 9.050 Kilogramm bei einem Durchmesser von 2.480 Zentimetern. Sie wurde 1959 angefertigt, nachdem alle Glocken mit Ausnahme der Silbernen Glocken der Kriegsindustrie zum Opfer gefallen sind. Erst 2019 und 2022 wurde das Geläut der Jesuitenkirche wieder vervollständigt.
Größer ist in Tirol nur noch die Friedensglocke des Alpenraums in Mösern. Diese wurde im Jahr 2023 ebenfalls von der Firma Grassmayr neu gegossen und an einen neuen Standort verlegt. Sie wiegt 10.450 Kilogramm.
Größtes Glockenspiel in Österreich
Im Innsbrucker Dom zu St. Jakob ist das darüber hinaus das größte Glockenspiel Österreichs installiert. Es ist ein Mahnmal für den Frieden. Mit 48 Glocken und einem Umfang von vier Oktaven handelt es sich um ein Carillon - für diese Bezeichnung sind mindestens 23 Bronzeglocken und ein Tonumfang von zwei Oktaven vorausgesetzt. Das Glockenspiel kann händisch und mechanisch gespielt werden. Auch wenn die Glocken mit einem Gesamtgewicht von über 4.000 Kilogramm in den Niederlanden von der Königlichen Glockengießerei Eijsbouts gegossen wurden, wurden sie auf Initiative von Propst Prälat Heinz Huber von der Firma Grassmayr eingebaut.
Das Carillon erklingt während des Jahres täglich um 12:15 Uhr. Jeden Advent finden spezielle Konzerte statt, bei denen renommierte Musiker:innen aus dem In- und Ausland das Instrument spielen.
Wann die Glocken läuten
Traditionell läuten die Kirchenglocken vor einem Gottesdienst, um die Gemeinde in die Kirche zusammenzurufen sowie während des Gottesdienstes bei der Wandlung.
Viele Läutebräuche gehen auf das kirchliche Stundengebet zurück, so auch das Geläut am Samstag bzw. am Vortag eines Festtags. Im Volksmund wird es „Feierabendläuten“ genannt - der Christ soll die Arbeit nun ruhen lassen und sich auf den Tag des Herrn vorbereiten.
Das „Freitagsläuten“, zumeist um 15 Uhr, soll wöchentlich an das Karfreitagsgeschehen erinnern. Ein großes Geläut ertönt am Gründonnerstag und in der Osternacht während des Gloria.
Papst Pius V. führte 1571 das dreimalige tägliche Angelus-Gebet in seiner heute noch gebräuchlichen Form ein. Dabei handelt es sich um das morgendliche, mittägliche und abendliche Läuten der Kirchenglocken, bei dem das Gebet „Der Engel des Herrn“, beziehungsweise in der Osterzeit das „Regina caeli“, gebetet wird.
Darüber hinaus läuten sie für Hochzeiten, Taufen, Bestattungen oder ähnliche Ereignisse. In manchen, vor allem ländlichen, Tiroler Gemeinden, kündet die Toten- oder Sterbeglocke vom Ableben eines Gemeindemitglieds.
Ohne religiösen Hintergrund ist der Stundenschlag zur vollen Stunde, häufig auch zur Viertelstunde. Diese Tradition hat sich im Mittelalter entwickelt, als der größte Teil der Bevölkerung keine Uhr hatte und so dennoch die Uhrzeit erfuhr. Dies hat sich bis heute gehalten und wird oft von Kirchengemeinden als liturgisches Zeichen für Vergänglichkeit und Ewigkeit umgedeutet.