Starke Zeichen in der „Woche des Lebens“

Mit dem „Fest der Lebensfreude“ und dem „Ethikforum zum assistierten Suizid“ setzt die Diözese Innsbruck im Rahmen der Woche für das Leben ein starkes und klares Zeichen für die unantastbare Würde jedes Menschen – von der ersten bis zur letzten Lebensstunde.

„Besonders in Zeiten, in denen die Debatte um die Begrenzung und Selektion von Leben an Bedeutung gewinnt, ist es entscheidend, eine Gesellschaft zu fördern, die das Leben in all seinen Phasen und Facetten wertschätzt – unabhängig von Alter, Krankheit oder Beeinträchtigung“, unterstreicht Bischof Hermann Glettler. „Eine Gesellschaft, die auch das verletzliche Leben als wertvoll für das Gemeinwohl anerkennt, legt den besten Grundstein für echten sozialen Frieden.“ 

 

Feierliche Eröffnung: „Fest der Lebensfreude“

Mit einem besonders herzlichen und warmherzigen Gottesdienst im Dom St. Jakob hat der Referatsbischof für Lebensschutz in der Österreichischen Bischofskonferenz die Woche für das Leben feierlich eröffnet. Das „Fest der Lebensfreude“, das Glettler heuer bereits zum dritten Mal feierte, stand ganz im Zeichen von Gemeinschaft, Wertschätzung und Inklusion.

Mit großer Begeisterung waren Menschen mit Beeinträchtigungen aktiv in die Feier eingebunden – als Lektor:innen, Ministrant:innen, in der Predigt sowie bei der musikalischen Gestaltung durch die inklusive Powerband Tirol. „Jedes Leben ist kostbar – unabhängig von Einschränkungen oder Herausforderungen, die es begleiten“, betonte Bischof Hermann Glettler das unveräußerliche Recht auf Leben, das für alle Menschen gilt. „Diese Feier ist nicht nur ein spirituelles Ereignis – wir senden auch ein klares gesellschaftliches und politisches Signal: Menschen mit Beeinträchtigungen, ihre Angehörigen und Betreuenden haben Rechte und dürfen nicht übersehen werden. Unser Dank und unsere Wertschätzung gelten all jenen, die sich in Familie, Pflege und Gesundheit, Kirche, Politik, Bildung, Arbeit und Wirtschaft für eine inklusive Gesellschaft stark machen.“

 

Ethikforum: „Assistierter Suizid in Österreich“

Im Rahmen der „Woche für das Leben“ widmete sich am Dienstagabend das diesjährige Ethikforum dem würdevollen Umgang mit dem Lebensende. Rund 100 Fachpersonen und Interessierte kamen ins Haus der Begegnung, um über ethische, medizinische und gesellschaftliche Fragen rund um den assistierten Suizid zu diskutieren – ein Thema, das seit der Legalisierung 2022 und den jüngsten gesetzlichen Anpassungen 2024 hochaktuell ist.

Angelika Feichtner (Österreichische Palliativgesellschaft) und Univ.-Prof. Dr. Stefan Hofmann SJ (Universität Innsbruck) beleuchteten aus palliativmedizinischer und theologischer Sicht die Spannungsfelder zwischen Autonomie, Fürsorge und gesellschaftlicher Verantwortung. Beide warben für eine Kultur der Achtsamkeit und Begleitung – damit Menschen am Lebensende nicht allein gelassen werden.

 

Bischof Glettler warnt vor Normalisierung des assistierten Suizids 

In seinen Grußworten äußerte Bischof Hermann Glettler deutliche Sorge über die Entwicklungen rund um den assistierten Suizid – in Österreich wie auch international. Frankreich sei aktuell exemplarisch für das, was sich auch in anderen Ländern abzeichne: „Wir erleben eine Dynamik, in der sich gesellschaftliche und gesetzliche Grenzen zunehmend verschieben.“ In den Niederlanden sterbe bereits jeder vierte krebskranke Mensch in häuslicher Pflege durch Euthanasie – auch Kinder und Menschen mit Demenz seien betroffen. In Kanada steigen die Fallzahlen ebenfalls rasant, auch in den USA, in Belgien, in der Schweiz. Wo assistierter Suizid und/oder Tötung auf Verlangen erlaubt sei, seien ähnliche Tendenzen zu beobachten.

Diese Entwicklungen dürften nicht als neue Normalität hingenommen werden, warnte der Bischof vor den Auswirkungen internationaler Entwicklungen auf Österreich. Besonders kritisch sieht Glettler die Darstellung des assistierten Suizids in der Öffentlichkeit: „Harmonisierende Bilder vermitteln oft einen verzerrten Eindruck. Doch Sterben ist keine sanfte Inszenierung – es ist eine zutiefst menschliche, oft herausfordernde Realität, die Nähe, Begleitung und gesellschaftliche Verantwortung braucht.“ Selbstbestimmung sei ein wichtiger Wert, aber kein absoluter: „Menschsein ist kein Solokonzert – es lebt von Beziehungen, Mitgefühl und gegenseitiger Verantwortung. Wir dürfen niemanden mit seinem Leiden alleinlassen – und auch nicht den Eindruck vermitteln, der Tod sei eine einfache Lösung.“

Glettler betonte die Verantwortung der Kirche, Menschen besonders in der letzten Lebensphase zur Seite zu stehen – mit Seelsorge, Hoffnung und dem Angebot von Versöhnung. Zentral sei zudem der weitere Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung: „Jeder Mensch soll bis zum letzten Moment Würde, Zuwendung und Annahme erfahren – unabhängig von Alter, Krankheit oder Lebenssituation.“

  

Zwischen Autonomie und Verantwortung 

„Während Patientenautonomie früher vor allem das Recht meinte, medizinische Maßnahmen abzulehnen, wird sie heute zunehmend als Ausdruck individueller Freiheit und Emanzipation verstanden“, betonte Stefan Hofmann, Moraltheologe am Institut für Systematische Theologie der Universität Innsbruck. Die Debatte um den assistierten Suizid sei Ausdruck tiefgreifender gesellschaftlicher Veränderungen.

Auch die Wahrnehmung des Suizids habe sich historisch stark gewandelt – vom sündhaften oder strafbaren Akt hin zu einem Ausdruck von Selbstbestimmung, begleitet von einer veränderten moralischen Bewertung.

Mit dem Rückgang religiöser Bindungen und dem Schwinden metaphysischer Deutungsrahmen verschwinden auch traditionelle Instanzen aus der gesellschaftlichen Debatte. „In einer Gesellschaft, die vor allem auf ein gutes, gelingendes Leben ausgerichtet ist, erscheint Leiden oft sinnlos“, so Hofmann. Das werfe die Frage auf, ob ein beschwerliches Lebensende noch als lebenswert gelten könne.

Zugleich sei die Sorge vor einem ethischen Dammbruch spürbar – etwa, dass vulnerable Gruppen unter Druck geraten könnten. Während das Lebensende zunehmend als private Entscheidung betrachtet werde, bleibe offen, ob es gelinge, eine überzeugende Alternative aufzuzeigen: eine, die dem Leiden einen neuen Sinn verleiht und es als Teil menschlicher Existenz begreifbar macht.

Die Kirche sehe ihren Auftrag klar darin, Menschen in ihrer letzten Lebensphase zu begleiten – aus ethischer Verantwortung, nicht aus Zustimmung zu passiver oder aktiver Sterbehilfe. Letztlich stelle sich die Frage, wie sich Gesellschaften positionieren wollen: Denn „Leben und Sterben sind keine rein privaten Angelegenheiten. Sie sind eingebettet in ein Netz sozialer, medizinischer und ethischer Verantwortung.“

 

Den Blick stärker auf die Betroffenen richten 

„Die Debatte um assistierten Suizid berührt weit mehr als nur juristische Fragen“, erklärt Angelika Feichtner von der Österreichischen Palliativgesellschaft. „Sie fordert uns heraus, über unser Menschenbild, über Selbstbestimmung und gesellschaftliche Verantwortung nachzudenken.“ Obwohl das Sterbeverfügungsgesetz seit über drei Jahren in Kraft ist, bleibe die öffentliche Diskussion häufig in einem einfachen „Dafür oder Dagegen“ verhaftet. Stattdessen, so Feichtner, müsse der Fokus stärker auf das Leid der Betroffenen und die konkreten Rahmenbedingungen gelegt werden. Infolge stellte sie die Plattform ASCIRS der Österreichischen Palliativgesellschaft vor (www.ascirs.at).

Die Hospiz- und Palliativversorgung zeige zwar, dass selbst bei schwerster Erkrankung Lebensqualität möglich sei. Doch nicht alle, die diese Betreuung benötigen, erhalten sie. „Immer mehr Fachpersonen erkennen, dass der Wunsch nach assistiertem Suizid oft aus tiefer existenzieller Not entsteht – nicht aus einem Wunsch nach Autonomie“, so die Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin. Diese Menschen dürften nicht allein gelassen werden, sie bräuchten kompetente Begleitung und Beratung.

Laut Ministerium wurden bis Mai österreichweit 670 Sterbeverfügungen errichtet und 556 Präparate ausgegeben. 88 davon wurden zurückgegeben – über den Verbleib der übrigen 468 Medikamente ist nichts bekannt. Ein zentrales Problem: Es fehlt ein systematisches Monitoring. 

Besorgniserregend sei zudem, dass viele Suizidwünsche auf Ängsten vor zukünftigem Leid und mangelndem Vertrauen in die Versorgung basieren. Auch Angehörige erleben diese Situationen oft als Überforderung – ohne ausreichende Unterstützung und mit kaum vorhandenen Angeboten zur Trauerbegleitung.

Professionelle Betreuende stehen ebenfalls vor großen ethischen Herausforderungen. Während anfangs vielerorts Ablehnung herrschte, wachse inzwischen das Verständnis für die Vielschichtigkeit von Suizidwünschen. Dennoch lehnen viele Hospiz- und Palliativeinrichtungen nach wie vor die gesetzlich vorgesehenen Beratungsgespräche ab. „Dabei könnten fundierte Aufklärung und Betreuung dazu beitragen, manche Suizidwünsche zu relativieren oder aufzulösen“, betont Feichtner.

Ihr Appell: Niemand soll zur Mitwirkung verpflichtet werden – aber auch niemand darf allein gelassen werden. „Ein Mensch, der durch assistierten Suizid stirbt, tut dies aus eigener Entscheidung. Doch unsere ethische Verantwortung bleibt: Leid zu lindern, Beistand zu leisten – und ein würdiges Sterben zu ermöglichen.“

Starke Zeichen in der „Woche des Lebens“
Foto: Sigl/dibk.at