Digitales Archiv öffnet Tiroler Kirchengeschichte für alle
Die Diözese Innsbruck hat ihr digitales Archiv freigeschaltet und ist damit aktuell einer der größten Anbieter von Archiv-Digitalisaten in Tirol. Unter https://digitales-archiv.dibk.at/ stehen Forschenden, Studierenden und allen Interessierten hochwertige Digitalisate samt Metadaten zur Verfügung.
Aktuell umfasst das Angebot über 24.316 Digitalisate, die kostenlos abrufbar sind. Thematisch decken sie ein großes Spektrum ab — von Urkunden aus dem Mittelalter und der Neuzeit bis zu Predigten von Altbischof Reinhold Stecher. „Ganz weltliche Dinge wie Erbschaften, Verkäufe, Forst- und Almstreitigkeiten stehen neben Altarweihen und Messstiftungen. Bekannte und unbekannte Menschen werden in den Urkunden aus den Pfarrarchiven greifbar“, heißt es aus dem Archiv. „Die Digitalisate sind ein großartiges Zeitzeugnis und bringen uns das Leben und die Nöte der Menschen näher. Es ist eine große Freude, dass dies für die Allgemeinheit zugänglich ist und auch die Diözese Innsbruck einen Beitrag dazu leistet“, freut sich Diözesankanzlerin Magdalena Bernhard über das umgesetzte Projekt.
Fenster in die regionale Geschichte
Adelige wie Claudia de Medici, Kaiser Maximilian oder Sigmund der Münzreiche sind ebenso dokumentiert wie Kirchenmänner von Päpsten und Kardinälen bis zum „Dorfpfarrer“. Greifbar werden aber auch viele einfache Menschen in den Dörfern und Tälern. Sie sind ein Fenster in die Regionalgeschichte. Ein Beispiel ist eine Kaufurkunde aus Volders vom 31. März 1680. Genannt werden Jacob Angerer als Wagner, Caspar Riedlinger als Bäcker und Matheus Haslmayr als Wirt in der Unterländer Gemeinde. „Diese Informationen sind für uns heute interessanter als der Kauf eines Gartens, um den es eigentlich in der Urkunde ging“, meint Martin Kapferer, Leiter des Diözesanarchivs schmunzelnd.
Ganz Alltägliches findet sich in den Urkunden, so reserviert Walter Laimgruber aus Jenbach im März 1586 „…die halbe Alpe Gräsperg samt halben Kessel und Käszeug“. Doch auch außergewöhnliche Ereignisse sind nachvollziehbar wie der Weg der Reliquie eines Märtyrers aus Rom ins Außerfern. Oder die Anweisung von Herzog Leopold III. an seine Untergebenen 1398, den Pfarrer von Baumkirchen zu beschützen.
Alte und junge Dokumente frei verfügbar
Die älteste bisher digitalisierte Originalurkunde ist ein Ablassbrief mehrerer Bischöfe vom 9. November 1284 für die Johanneskapelle in Matrei am Brenner. „Die Urkunden aus diesem Pfarrarchiv betreffen Gemeinden im Wipptal und Stubaital. Ein Kaufmann aus Salzburg als Stifter ist wie das Spital ein Hinweis auf den wichtigen Handelsweg über den Brenner“, erklärt Philipp Lehar, Mitarbeiter im Archiv der Diözese.
Das jüngste Dokument ist eine Predigt von Altbischof Reinhold Stecher (1921–2013), wenige Tage vor seinem Tod im Jänner 2013. Als Seelsorger, Künstler und Mensch prägte er nicht nur während seiner Amtszeit Tirol (1981–1997). Reinhold Stecher war Zeit seines Lebens ein pointierter und kritischer Kommentator kirchlicher wie politischer Zustände, der nicht vor unbequemen Fragen zurückschreckte. Neben seinen bekannten Büchern bildet ein Konvolut von rund 4200 Predigten und Vorträgen der Jahre 1976–2013 einen bisher weitgehend unbekannten Fundus an Quellen des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts. Diese werden erstmalig vollständig als Zeitdokument zur Verfügung gestellt.
Das Spektrum ist breit: Zeitzeugenberichte über das Novemberpogrom 1938, die Festpredigt anlässlich „100 Jahre österreichische Bergrettung“ bis zur „Meditation für den Autofahrer“. Viele Texte passend zur aktuellen Jahreszeit sind mit dabei, ob „Sonne auf der Piste“ oder Predigten rund um Advent und Weihnachten. Gedanken zum Schmunzeln wie „Wie die Katze in der Krippe“ und kritische Fragen, die 2025 so aktuell sind wie 1992. Der Vortrag „Was nützt es dem Menschen?“ anlässlich der Dorftagung am Grillhof regt auch 33 Jahre später zum Nachdenken an.
Projekt geht immer weiter
Die Bestände werden kontinuierlich erweitert. So gehen in den nächsten Wochen mit den Urkunden der Pfarre Bannberg die ersten Urkunden von Osttirol online. Perspektivisch sollen die vorhandenen Datensätze ausführlicher erschlossen werden, sei es durch die Verlinkung der genannten Namen und Orte mit Onlinedatenbanken wie Wikipedia bis hin zur Volltextsuche. Als nächster großer Schritt sollen überdies die Kirchenzeitungen ab 1945 über das digitale Archiv allen Interessierten zum Nachlesen zur Verfügung gestellt werden. „Durch die Zugänglichmachung bleiben wir einerseits am Puls der Zeit und laden andererseits auch dazu ein in die Geschichte einzutauchen. Das ist auch ein wesentlicher Aspekt eines modernen Archivs“, betont Bernhard.
Ermöglicht wird dies durch eine Förderung des Projektes „Kulturerbe digital“ des Bundesministeriums für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport und der Europäischen Union.