Scheuer: Kirche wird 'ärmer, aber glaubwürdiger' werden

Die katholische Kirche in Österreich wird nach der Missbrauchskrise "ärmer werden, vielleicht dadurch aber auch glaubwürdiger". Das sagte der Innsbrucker Bischof Manfred Scheuer am Freitag in einem Live-Chat mit Lesern der "Tiroler Tageszeitung".

Die katholische Kirche in Österreich wird nach der Missbrauchskrise "ärmer werden, vielleicht dadurch aber auch glaubwürdiger". Das sagte der Innsbrucker Bischof Manfred Scheuer am Freitag in einem Live-Chat mit Lesern der "Tiroler Tageszeitung". Im ersten Halbjahr 2010 seien viele aus der Kirche ausgetreten, "deren Entscheidung uns wehtut". Der zukünftige Weg der Kirche kann laut Scheuer nur in die Richtung gehen, anstehende Herausforderungen möglichst gut zu bewältigen und für lebendige Gemeinschaften in den Pfarrgemeinden zu sorgen. Eines habe sich in den letzten Monaten gezeigt, so der Bischof: "Wo die Bindung zu den Pfarrgemeinden nicht groß ist, wird ein Austritt leicht in Erwägung gezogen."

Die Diözese Innsbruck versuche, mit den ausgetretenen Personen in Kontakt zu treten. Er sei sich aber bewusst, verwies Scheuer auf das Beispiel der ehemaligen DDR, "dass Menschen in Scharen austreten, aber nur als einzelne überzeugt werden können, wieder zurückzukehren". Neue Kirchenmitglieder ergäben sich jedes Jahr durch einige Erwachsenen-Taufen aus dem Bereich der Zugewanderten bzw. auch von Ungetauften aus Deutschland. Auch von jenen, die sich zum Kirchenaustritt entschieden haben, kehren doch einige wieder innerhalb kürzerer Zeit zurück.

Auf die Frage, wie er sich nach dem Bekanntwerden der Missbrauchsfälle in der Kirche gefühlt habe, sagte Scheuer wörtlich: "Es ist mir ziemlich schlecht gegangen, und ich hatte auch teilweise
größere Schlafprobleme. Es ist aber nicht primär die Frage, wie es mir geht. Priorität muss die Frage haben, wie es den Opfern geht. Dass es Heilung geben kann und ihnen Gerechtigkeit widerfahren kann." Über die Zukunft der Kirche sagte der Innsbrucker Bischof, diese hänge hängt nicht nur an den Menschen, "und es ist auch nicht entscheidend, wie es der Kirche selber geht". Letztlich solle die Kirche ja auf Gott verweisen und Nächstenliebe leben. Laut Scheuer gibt es in der Diözese Innsbruck rund 25.000 ehrenamtlich Engagierte. "Von da aus ist mir um die Zukunft nicht bange." Der Bischof zitierte zu dieser Frage auch ein Wort des großen Konzilstheologen Karl Rahner: "Die Kirche der Zukunft wird spiritueller sein - oder sie wird nicht mehr sein." 

Eine Veränderung der Zugangsbedingungen zum Priesteramt könne er sich "vorstellen, meines Erachtens sollte allerdings diese Veränderung mit einer größeren Wertschätzung des Zölibats als
Lebensform verbunden sein". Sollten Priester Väter werden, "so haben sie auf jeden Fall Ihre Verantwortung als Vater zu leben". Wenn Sie sich für eine Ehe entscheiden, bedeute dies zugleich eine berufliche Neuorientierung. Betroffene könnten weiter im kirchlichen Dienst beschäftigt sein. "Ich bin allen, die so in der Pastoral und im Religionsunterricht tätig sind, dankbar", sagte Scheuer.
  

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