Nach drei Nächten im Keller nach Tirol geflohen

Drei Generationen einer ukrainischen Familie leben gemeinsam im Widum in Lechaschau und bringen sich in die Gemeinschaft ein - Ein Artikel für Moment, Beilage der Tiroler Tageszeitung

Ob bei der Fastensuppe, beim in-Schuss-Halten des Widums oder beim Nähen neuer Messgewänder – die ukrainische Familie Ivaniuk ist in Lechaschau immer mit dabei.

 

Gleich als der russische Angriff begonnen hat, hat eine langjährige Freundin Elena Ivaniuk versucht zu überzeugen, ins Außerfern zu kommen. Nach drei Nächten in ihrem Keller in Kiew brach die Künstlerin mit ihrer Schwester Oksana und ihren Kindern Alisa und Danil (9 und 7 Jahre) auf.

 

Einige Wochen später kamen auch ihre Eltern Halina und Sergey dazu. Die komplette Familie war wieder zusammen – fast eineinhalb Tausend Kilometer entfernt ihrer Heimat. Aber der Platz wurde knapp. Über Dekan Franz Neuner wurde ihnen die Wohnung im Widum Lechaschau angeboten. „Als sie uns das Haus zeigten, waren wir angenehm überrascht – sogar ein bisschen geschockt – wie gut man sich um uns kümmerte“, erzählt die Ukrainerin.

 

Alles war bereits zum Wohnen eingerichtet. Mathilde Kassler war stark daran beteiligt, mit ihr vor allem die „Kranzerfrauen“ – eine Gruppe, die im Advent gemeinsam Adventkränze bindet. „Das ist sehr schnell gegangen. An einem Donnerstag haben wir erfahren, dass die Wohnung bezogen werden soll, eine Woche später kam die Familie an“, erzählt die ehemalige Obfrau des Pfarrgemeinderats. „Es standen sogar Süßigkeiten in Form von Herzen mit der ukrainischen Flagge auf dem Tisch. Meine Mutter weinte bei so einem herzlichen Empfang“, erinnert sich Elena Ivaniuk.

 

Bald nach dem Einzug war die ganze Familie dabei, als es darum ging, die Aktion Familienfasttag zu unterstützen, erzählt sie: „Wir haben vorgeschlagen, dass wir unseren ukrainischen Borschtsch kochen könnten. Wir hoffen, dass es den Leuten gefallen hat. Und wir können es gerne wieder machen.“

Während die Kinder in die Schule gehen, arbeiten die beiden Schwestern Elena und Oksana. Elena kann als freischaffende Künstlerin (sie malt Ölbilder und Illustrationen am Computer) ohnehin ihrer Arbeit von überall aus nachgehen, ihre Schwester – sie war in Kiew Möbeldesignerin und Verkaufsleiterin für italienische Möbel – hat eine ähnliche Stelle in Reutte gefunden.

 

Ihre Eltern packen an, wo sie gebraucht werden. Mutter Halina, sie hatte zuhause ein Atelier als Schneiderin, war sofort dabei als es darum ging, neue Messgewänder zu schneidern. „Meine Mutter hat ihr Leben lang geschneidert. Das heißt, im Allgemeinen war es nicht neu, aber zum ersten Mal in ihrem Leben nähte sie Kleider für die Messe. Das war eine sehr wichtige Erfahrung und eine verantwortungsvolle Arbeit“, erzählt ihre Tochter. Ihr Vater Sergey, der in der Ukraine in führender Position bei einem Autoimporteur gearbeitet hat, kümmert sich um alle möglichen Arbeiten, die rund ums Widum so anfallen. „Dabei hat er auch seinen besten Freund Franz gewonnen. Franz spricht zwar nur deutsch und Papa nur ukrainisch, aber sie verstehen sich perfekt! Wir sehen das gerne, es ist sehr lustig, wie sie die ganze Arbeit zusammen machen, ohne eine gemeinsame Sprache zu sprechen“, meint Elena Ivaniuk.

 

Zukunftspläne hat die Familie momentan keine, sie sind einfach froh, Aufnahme gefunden zu haben und allen dankbar, die ihnen geholfen haben. „Das werden wir nie vergessen. Und danke, dass ich jetzt weiß, wie das wahre Gute aussehen kann“, schließt Elena Ivaniuk ab.

 

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Aktuelle Informationen zu Hilfs- und Benefizprojekten, Spendenmöglichkeiten sowie wichtige Unterlagen finden Sie auf der Themenseite der Diözese Innsbruck www.dibk.at/ukraine und über die Website der Caritas Tirol unter www.caritas-tirol.at/ukraine-nothilfe.

Die sechsköpfige Familie Ivaniuk aus der Ukraine lebt nun im Widum in Lechaschau. (Bildcredit: Kassler)